Thursday, October 31, 2024

Persönlichkeitsanalyse - Warum die „Ich-AG“ Wagenknecht Putins Aggression nicht fühlen kann

Persönlichkeitsanalyse - Warum die „Ich-AG“ Wagenknecht Putins Aggression nicht fühlen kann Artikel von Von FOCUS-online-Gastautorin Martina Lackner • 1 Std. • 5 Minuten Lesezeit Psychologin Martina Lackner analysiert die streitbare Politikerin Sahra Wagenknecht und versucht anhand der Punkte Intellekt, Resilienz und der Rolle von Kindheitserfahrungen der Persönlichkeit Wagenknecht tiefer auf den Grund zu gehen. Sahra Wagenknecht polarisiert auf der politischen Bühne seit Jahren mit ihrer eigenwilligen Kombination aus intellektuellem Scharfsinn und unkonventionellen politischen Positionen. Ihre Haltung zur Nato, zu Russland und insbesondere zur Rolle des Westens im Ukraine-Konflikt löst dabei immer wieder heftige Debatten aus. Die Frage, die sich hier stellt: Was motiviert und prägt Wagenknecht, und wie beeinflussen diese Motive ihr politisches Handeln? Eine tiefere psychologische Betrachtung ihrer Persönlichkeit könnte Aufschluss darüber geben. Diese Persönlichkeitsanalyse und alle folgenden basieren auf einer „Ferndiagnose“. Ich habe Frau Wagenknecht nie kennen gelernt und beziehe mich auf Interviews, Debatten und Aussagen, die sie getätigt hat und mache daraus psychologische Ableitungen. Ein kopfgesteuerter Intellekt – distanzierte Strategie Wagenknecht zeigt sich in ihren politischen Positionen und öffentlichen Äußerungen als intellektuelle und strategische Denkerin. Sie betont immer wieder, dass ihre Überzeugungen auf logischen Überlegungen und nüchterner Analyse beruhen – ohne emotionale Färbung. Dies zeigt sich besonders in ihrer Haltung gegenüber Russland und dem Ukraine-Konflikt. Sie geht davon aus, dass eine direkte Konfrontation mit Russland für Europa fatal wäre und plädiert stattdessen für Zurückhaltung und Diplomatie. Psychologisch betrachtet könnte ihr intellektuelles Agieren als Bewältigungsstrategie verstanden werden, aufgrund derer sie durch emotionale Distanz und kognitive Kontrolle bedrohliche Szenarien „verarbeiten“ kann. Wagenknecht scheint ihre eigenen Gefühle, insbesondere Ängste oder Unsicherheiten, wegzudrücken, was ihr in der Vergangenheit geholfen haben mag, sich in einem System wie der DDR anzupassen. Der Gedanke liegt nahe, dass sie durch ihre Sozialisation gelernt hat, Emotionen in den Hintergrund zu stellen und sich stattdessen auf analytisches Denken und Strategie zu verlassen – eine Überlebensstrategie, die nun in der politischen Arena Anwendung findet. Dadurch fühlt sie Putins Aggressionen nicht wirklich, sie kann sie nur „denken“. Die Rolle der DDR-Erfahrung – Anpassung und Opposition Als Kind der DDR hat Wagenknecht Erfahrungen gemacht, die ihren Blick auf Macht und Politik bis heute prägen. In einem repressiven System aufzuwachsen, das individuelle Abweichung mit Sanktionen beantwortete, könnte ihre politische Identität entscheidend beeinflusst haben. Hier liegt eine mögliche Erklärung für ihre Kritik am Westen und ihre Ambivalenz gegenüber dem russischen Machtanspruch: Wagenknecht hat gelernt, dass Anpassung und Konformität in einem solchen System Sicherheit bieten können, während sehr offene Opposition gefährlich wird. Damals Papa Staat, oder heute Putin erfordern Anpassung und Unterwerfung. Bis heute zeigt Wagenknecht im Russland-Ukraine Konflikt Unterwerfungsgesten bzw. fordert sie sie ein, zum Beispiel keine US Langstreckenraketen in Deutschland. Ein weiteres Resultat der Erfahrungen aus ihrer Jugend könnte ihre „Fundamentalopposition“ sein. Wagenknecht gilt als jemand, der grundsätzlich die gängigen Positionen infrage stellt und sich oft außerhalb des politischen Mainstreams positioniert – nicht zuletzt, weil sie das westliche politische System und die kapitalistische Ausbeutung als Ganzes kritisch betrachtet. Psychologisch wäre dies als Form von kontrollierter Opposition zu deuten, die aus einem tiefen Bedürfnis resultiert, die eigene Integrität und Autonomie zu bewahren. Etwas, was in der DDR ständiger Bedrohung ausgesetzt war. Blinde Flecken – Der Umgang mit Aggression und Macht Wagenknechts Strategie, auf diplomatische Lösungen und moralischen Anspruch zu setzen, stößt auf Kritik, wenn es um die Realität gewalttätiger Konflikte geht. Sie wird als „Putinversteherin“ bezeichnet, da sie die Nato-Erweiterung als Provokation ansieht und damit argumentiert, dass die Reaktionen Russlands durch die westliche Politik verursacht wurden. Hier kommen psychologisch relevante „blinde Flecken“ ins Spiel: Wagenknecht könnte unter Umständen die Bedrohung, die von Aggression und Gewalt ausgeht, emotional nicht vollständig erfassen. Diese Distanz könnte darin begründet sein, dass eine emotionale Auseinandersetzung mit der Bedrohung durch Macht und Aggression Erinnerungen an das eigene Ohnmachtsgefühl und die Angst vor Machtmissbrauch in der DDR hervorrufen könnte. Anstatt sich von diesen Gefühlen überwältigen zu lassen, „versteht“ Wagenknecht die Position des Aggressors auf einer rein intellektuellen Ebene – was zu ihrer Rationalisierung des russischen Vorgehens beiträgt. Aufgewachsen ohne Vater konnte sie keine Erfahrungen machen, wie männlicher Habitus aussehen kann und was das für ihre Sozialisation bedeutet. Damit fehlt die Erfahrung, was sie von einem Mann erwarten kann und wie männlicher Habitus, vor allem in seiner negativen Ausprägung einzuschätzen ist. Sie bleibt in der Bewertung auch hier auf der intellektuellen Ebene. Der weibliche Führungsstil und die Rolle des Intellekts Interessanterweise teilt Wagenknecht, ähnlich wie Politikerinnen wie Annalena Baerbock, eine „feministische“ Vorstellung von Außenpolitik – wenn auch auf eine ganz andere Art. Sie betont die Werte von Frieden und Diplomatie, was als weicherer, weiblicher Ansatz im Vergleich zu einer konfrontativeren, militärischen Haltung wahrgenommen werden könnte. Doch während Baerbock mit emotionalen und empathischen Appellen agiert, bleibt Wagenknecht analytisch-distanziert. Allerdings lassen sich aggressive Konflikte mit reinem Intellekt nicht lösen. Auf der Metaebene sind Friedensverhandlungen natürlich das Ziel eines Konflikts. Die Frage ist aber immer noch, wie das Ergebnis der Verhandlung aussieht. Aggressive Konfliktpartner werden sich nicht von einer Intellektuellen beeindrucken lassen. Solange wir von Aggressoren umgeben sind, werden Verhandlungen mit Macht und Dominanz geführt werden müssen und das ist mehr als intellektuelles Gebaren. Die Ambivalenz von Opposition und Loyalität Ein weiteres auffälliges Merkmal ist Wagenknechts Fähigkeit, konservative und linke Positionen zu vereinen und somit eine breite Wählerschaft anzusprechen. Sie erreicht dies durch eine kluge Mischung aus sozialen und nationalen Anliegen, was vielen Menschen in der heutigen Zeit der politischen Unsicherheit eine Identifikationsmöglichkeit bietet. Psychologisch betrachtet, könnte dies Ausdruck eines sehr integrativen Denkens sein, das sowohl Anpassung als auch Opposition zulässt. Zwei Wesenszüge, die sie vermutlich in der SED perfektioniert hat. Hierbei ist sie sich selbst treu geblieben. Sie erfüllt auf ihrem Karriereweg nicht lange den Erwartungen anderer, sondern trennt sich schnell von Parteikollegen bis hin zur Gründung einer „ICH -AG“; was auf eine ausgeprägte Selbstsicherheit und den Glauben an die eigene Analysefähigkeit hinweist. Fazit: ein Zusammenspiel aus Rationalität, Resilienz und Opposition Sarah Wagenknecht stellt einen einzigartigen Fall in der deutschen Politiklandschaft dar. Ihre analytische Distanz, gepaart mit einer intellektuellen und moralischen Überzeugung, ihre hohe Resilienz und die Fähigkeit zur fundamentalen Opposition zeigen eine Persönlichkeit, die von Stärke und einer nicht zu unterschätzenden Prägung durch das DDR-System zeugt. Während ihre Strategie von einigen als „Putin-Verständnis“ ausgelegt werden kann, handelt es sich hier auch um einen Selbstschutzmechanismus, der ihr aber auch ermöglicht, eine rationale Haltung in bedrohlichen Situationen einzunehmen. Ob Wagenknechts Schutzmechanismus gepaart mit einem hohen Identitätsgefühl mit der Ideologie des DDR Regimes jedoch ausreicht, um politische Lösungen für aggressionsgeladene Krisen wie den Ukraine-Konflikt beizutragen, bleibt fraglich. Ihre Stärke liegt in der Analyse und dem intellektuellen Diskurs – und weniger in der Fähigkeit, mit der komplexen Realität aggressiver Machtsysteme umzugehen bzw. dem etwas entgegenzusetzen. Sie agiert eher wie jemand, der weiß, dass er den Feind nicht bekämpfen kann, also sucht er die Schuld beim anderen und schafft damit eine Rechtfertigung für die Aggression. Und das unter dem hehren Ziel einer Friedensmission. Wir brauchen Frieden, aber die Frage wie wir dahin kommen, bleibt Sarah Wagenknecht schuldig.