Tuesday, October 22, 2024

Ein Krieg um Taiwan kann vermieden werden

zeit online Taiwan: Ein Krieg um Taiwan kann vermieden werden Auch wenn die Spannungen um den Inselstaat wachsen: China und die USA wollen keine militärische Konfrontation. Auch deshalb sprechen sie wieder miteinander. Von Matthias Naß 17. Oktober 2024, 16:22 Uhr Taiwan: Am taiwanischen Nationalfeiertag sprach Präsident Lai Ching-te lieber von "Frieden und Wohlstand" statt von einer formellen Unabhängigkeit. Am taiwanischen Nationalfeiertag sprach Präsident Lai Ching-te lieber von "Frieden und Wohlstand" statt von einer formellen Unabhängigkeit. © Annabelle Chih/​Getty Images Eigentlich hat Lai Ching-te kein falsches Wort gesagt. Im Gegenteil, Taiwans Präsident demonstrierte vorige Woche bei seiner Rede zum Nationalfeiertag des Inselstaates guten Willen. Dem Regime in Peking, für das Lai kein Staatsoberhaupt ist, sondern der Chef einer illegitimen Regionalbehörde, bot er ausdrücklich Zusammenarbeit an, um "Frieden und Wohlstand" der Menschen auf beiden Seiten der Taiwanstraße zu bewahren. Aber Lai sagte auch, die Volksrepublik China habe "kein Recht, Taiwan zu repräsentieren". An der politischen Eigenständigkeit seiner demokratisch regierten Republik will der Präsident keinen Zweifel aufkommen lassen. Gleichwohl hütet er sich, offen für eine formelle Unabhängigkeit Taiwans zu plädieren. Das wäre, niemand weiß dies besser als er selbst, für China der Casus Belli. Doch egal, was Lai Ching-te sagt oder nicht sagt: Aus Sicht Pekings bleibt er ein "Separatist", mit dem es keine Gespräche geben kann. Wie schon zu Zeiten seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen herrscht zwischen Peking und Taipeh daher Funkstille. Die DPP beharrt auf der taiwanischen Autonomie Denn die heute auf Taiwan regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) verteidigt entschieden die Autonomie des Inselstaates – weniger kompromissbereit als die lange herrschende nationalchinesische Kuomintang, die heute in der Opposition ist. Die Kuomintang auf Taiwan und die Kommunistische Partei (KP) auf dem Festland blieben sich immer einig, dass es nur ein China gibt, auch nachdem sie zuvor in einem mörderischen Bürgerkrieg um die Macht in diesem China gekämpft hatten. Für die DPP hingegen gilt: China ist China, und Taiwan ist Taiwan. Lasst uns in Ruhe, sagen sie der KP, dann können wir in Frieden miteinander leben. Registrieren Für die Führung in Peking ist dies inakzeptabel. Die Wiedervereinigung mit Taiwan gehört für sie zu den "Kerninteressen" des Landes. Es geht um nationale Souveränität, militärische Sicherheit, territoriale Unversehrtheit und staatliche Einheit – bei alldem kann es für die Kommunistische Partei keine Zugeständnisse geben. Wenn Taiwan sich besinnt und friedlich in den Schoß des Vaterlands zurückkehrt, umso besser; wenn nicht, müsse man leider zu militärischen Mitteln greifen: So heißt es in Peking seit Jahrzehnten. Partei- und Staatschef Xi Jinping hat es auf dem letzten Parteitag im Oktober 2022 noch einmal ausdrücklich gesagt: "Wir werden niemals versprechen, auf Waffengewalt zu verzichten." Tatsächlich werden die Drohgebärden in jüngster Zeit immer massiver. Auch nach der Rede Lai Ching-tes zum Nationalfeiertag ließ China wieder eine ganze Armada in See stechen und um Taiwan kreisen; sogar ein Flugzeugträger war diesmal dabei. -------------------------- Frankfurter Allgemeine Zeitung Doku „USA: Demokratie unter Beschuss“ bei Arte: Es ist die Verfassung, Dummkopf! Artikel von Nina Rehfeld • 17 Std. • 3 Minuten Lesezeit Ähnlichkeiten mit dem reaken Vorbild sind kein Zufall. „King Trump Above Law“ lautet der Titel der Karikatur von Ann Telnaes. Dokumentationen über Donald Trump, seine „Make America Great Again“-Bewegung und die Gefahr, die sie für die amerikanische Demokratie darstellen, gibt es reichlich. Laura Nix’ Film „USA: Demokratie unter Beschuss“ sticht aus der Menge indes heraus. Sie macht sich nämlich die Mühe, Trumps Aufstieg mit dem verfassungsrechtlichen Gefüge des Landes in Verbindung zu setzen. Sie zeigt die strukturellen Schwächen der amerikanischen Demokratie auf. Manchmal ist dieser Film zu ambitioniert, ab und an fehlt ihm die nötige Distanz; trotzdem ist er ein sehenswerter Leitfaden zum Verständnis des politischen Systems der USA. Konservativen gilt sie als Heiligtum Laura Nix lässt zahlreiche Sachkundige zu Wort kommen: den Justizexperten Elie Mystal, den Politologen Steven Levitsky, die Historikerin Heather Cox Richardson und die Karikaturistin Ann Telnaes von der „Washington Post“, deren Zeichnungen die Dokumentation wirkungsvoll rahmen. Auch die anderen Gesprächspartner der Filmemacherin skizzieren den Kontext der amerikanischen Verfassung von 1787, die trotz ihrer Überalterung konservativen Amerikanern als Heiligtum gilt. Sie sei wie die Bostoner U-Bahn, sagt der Afroamerikaner Elie Mystal. „Die Leute sind stolz darauf, dass sie die älteste der USA ist, aber sie ist total hinfällig.“ Mystal zeichnet nach, wie die gesellschaftlichen Strukturen der Bürgerkriegsära, in der vermögende weiße Männer, vielfach Sklavenhalter, aus der Oberschicht das Sagen hatten, die Ansprüche und Ziele dieses Dokuments entscheidend prägten. „Die Ursünde unserer Verfassung, die fehlende Festlegung grundlegender Menschenrechte, ist nie beseitigt worden“, sagt Mystal. Die amerikanische Grundordnung sei „die am schwersten zu ändernde Verfassung der Welt“, ergänzt Steven Levitsky. Die darin enthaltenen Grundannahmen über die Rechte von Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Geschlechter schlagen weiter auf die politische Kultur durch. Unter anderem leisten sie, wie Mystal aufzeigt, der Unterdrückung von nicht weißen Wählerstimmen Vorschub. Nix entwirft ein Bild, demzufolge die politischen Instanzen, Legislative, Exe­kutive und Judikative, Charakteristika aufweisen, die 1787 revolutionär gewesen sein mögen, heute aber nachgerade antidemokratisch wirken. Anders als in anderem Demokratien, die ihre Verfassungen modernisierten, sind die überkommenen Maßgaben der US-Constitution in Kraft. So unterläuft die Besetzung des Oberhauses mit je zwei Senatoren pro Bundesstaat ungeachtet der Bevölkerungsgröße, ebenso wie die Wahl des Präsidenten durch das berüchtigte Electoral College, das Wahlmännerkollegium, die tatsächliche politische Repräsentation der Bürger. Dies machte möglich, dass Donald Trump 2016 die Präsidentschaftswahl gegen Hillary Clinton gewann, obwohl diese fast drei Millionen Wählerstimmen mehr erhielt als er – weil ihm ein Stimmenvorsprung von weniger als einem Prozent in drei entscheidenden Bundesstaaten sämtliche Wahlmännerstimmen sicherte. Trumps Aufstieg wird hier auch in anderer Hinsicht als Konsequenz dieser systemischen Mängel ins Auge gefasst. Nix skizziert, wie ihm die Vormachtstellung weißer, christlicher Männer zupasskommt, ebenso die Struktur und politische Reichweite des Obersten Gerichtshofs, und auch eine Kongressstruktur, die die Blockade von in der Bevölkerung mehrheitlich unterstützten Gesetzen – etwa zum Klimaschutz, zum Abtreibungsrecht und zur Waffenkontrolle – ermöglicht. Nicht immer bleibt ihr Blick distanziert genug, und oft droht das umfangreiche Material, das Nix zusammengetragen hat, den Rahmen der Doku zu sprengen. Bisweilen wünscht man sich Erläuterungen, zum Beispiel, wenn es um die Schwächung von Passagen des Voting Rights Act durch den Supreme Court geht. Die Konsequenzen dieser Entscheidung – sie erschweren die Wahlbeteiligung indigener und farbiger Amerikaner mit dem Argument möglichen Wahlbetrugs – sind immerhin erneut frustrierend aktuell. Dass Laura Nix hier auch noch ein Schlaglicht auf die Rolle der Medien, der konservativen Wirtschaftspolitik seit Reagan und den Einfluss evangelikaler Christen wirft, ist ein wenig zu viel des Guten. Sich mit der Reformbedürftigkeit der 237 Jahre alten amerikanischen Verfassung zu beschäftigen hätte gereicht. Deren Mängel wissen die Republikaner um Donald Trump zu nutzen. Sie wissen, wie sie die Macht erlangen können – auf undemokratische, wiewohl verfassungsrechtlich verbriefte Weise. USA: Demokratie unter Beschuss läuft um 20.15 Uhr bei Arte und in der Mediathek.