Friday, September 20, 2024

Habeck erklärt Energiekrise für beendet – Verbände kontern: „Ächzen unter hohen Preisen“

Berliner Zeitung Habeck erklärt Energiekrise für beendet – Verbände kontern: „Ächzen unter hohen Preisen“ Artikel von Flynn Jacobs • 11 Std. • 3 Minuten Lesezeit Märkte heute Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Deutschland in eine tiefe Energiekrise rutschen lassen. Seit über zwei Jahren befindet sich Deutschland offiziell im Gas-Alarmzustand. Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck soll damit allerdings bald Schluss sein. Denn: bei einem Bürgerdialog in Osnabrück erklärte Habeck den Gasmangel für überwunden und die Energiekrise für beendet. „Das russische Gas fehlt nicht mehr“, sagte der Wirtschaftsminister beim Bürgerdialog am Mittwochabend, „also jedenfalls nicht als Menge an Molekülen.“ Die Gasspeicher seien längst gefüllt, alle Vorgaben seien eingehalten. „Es gibt keine Gasmangellage mehr“, versichert Habeck. Allerdings verschweigt er dabei die seit 2022 anhaltende Alarmstufe des Gasnotfallplans, in der sich Deutschland seit dem Wegfall der russischen Gaslieferungen befindet. Bis heute wurde diese Alarmstufe nicht aufgehoben. Trotzdem ist die Krise aus Sicht des Wirtschaftsministers nun endgültig vorbei. Viele Unternehmen und private Gas- und Stromkunden sehen das anders. Die Energie- und Strompreise liegen nach wie vor über dem Vorkriegsniveau. Was sagen Verbände zu den Äußerungen von Habeck? „Die Preise sind höher, das ist so für Gas, aber nicht, weil wir eine Knappheit haben“, betonte Habeck. Zwar habe man eine solche 2022 befürchtet, inzwischen sei sie aber durch LNG und andere Reserven abgewendet worden. Dennoch gibt der Wirtschaftsminister zu: „Es gibt keine Mangelsituation mehr, aber die Gaspreise sind höher als 2017 bis 2019.“ Laut Daten des Vergleichsportals Verivox liegt der Gaspreis für Neukunden derzeit bei knapp 8,75 Cent pro Kilowattstunde, also 50 Prozent höher als zu Beginn des Jahres 2021, als der Preis noch bei 4,32 Cent pro Kilowattstunde lag. Der Gaspreis sei in diesem Sommer stark gestiegen, vor allem wegen der extremen Hitze in Asien und Teilen Europas, die den Einsatz von Klimaanlagen erhöht hat, erklärte Habeck. Die globale Erwärmung führe unerwartet zu Preissteigerungen. Er erwarte zwar einen leichten Rückgang des Gaspreises, da das Angebot an Flüssiggas weltweit zunehmen wird, rechne jedoch damit, dass die Preise moderat über dem Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie bleiben. Das liegt daran, dass Flüssiggas, im Gegensatz zu russischem Pipeline-Gas, „gekühlt und per Schiff transportiert werden muss“, was die Kosten erhöhe. Das betreffe ganz Europa und Unternehmen müssten sich auf diese Preise einstellen. Ist die Energiekrise somit wirklich beendet? Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) teilt die Aussage des Wirtschaftsministers jedenfalls nicht. „Krise ist ein dehnbarer Begriff. Unsere Unternehmen ächzen auch ohne physischen Mangel noch immer unter den im internationalen Vergleich weiterhin sehr hohen Energiepreisen“, erklärt ein Sprecher des VCI auf Anfrage der Berliner Zeitung. Beim Erdgas leiste sich Deutschland staatlich verursachte Preisbestandteile wie die Gasspeicherumlage oder steigende Netzentgelte, die es im europäischen Umfeld nicht oder nicht in der Höhe gebe. „Auch bei den bereits hohen und erwartbar weiter steigenden Stromnetzkosten appellieren wir dringend an die Bundesregierung, für Entlastung zu sorgen.“ Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betont auf Anfrage, dass vor allem die Energieunternehmen mit neuen Lieferbeziehungen und der Errichtung von LNG-Terminals einen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland geleistet hätten. Dank dieser Maßnahmen seien auch in diesem Spätsommer die Gasspeicher gut gefüllt, sodass man optimistisch auf die Versorgungssituation im kommenden Winter blicken könne. „Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Energiemärkte unter dem Einfluss geopolitischer Entwicklungen stehen.“ Die Situation im Nahen Osten, aber auch der Krieg in der Ukraine, würden die Märkte „verunsichern“. Nach einem Ende der Krise klingt das nicht.