Sunday, August 11, 2024

Nach Vatikan-Verbannung: Jetzt spricht Ex-Benedikt-Vertrauter Gänswein über „bitterste Erfahrung“

Merkur Nach Vatikan-Verbannung: Jetzt spricht Ex-Benedikt-Vertrauter Gänswein über „bitterste Erfahrung“ Fabian Hartmann • 3 Std. • 4 Minuten Lesezeit Amtsenthebung durch den Papst Ein Jahr lebte Gänswein in seinem Heimatbistum Freiburg. Nun wird er Vatikan-Botschafter in Vilnius. Erstmals gibt er Einblicke in die schwierige Zeit nach seiner Amtsenthebung durch Franziskus. Vatikanstadt/Freiburg – Im Sommer 2023 (2. Juni 2023) war bekannt geworden, dass Papst Franziskus den langjährigen Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. (bürgerlich Joseph Alois Ratzinger) – Erzbischof Georg Gänswein –, von sämtlichen seiner Aufgaben im Vatikan entbindet. Im Anschluss kehrte Gänswein in sein Heimatbistum Freiburg zurück – völlig ohne kirchlichen Amtsauftrag. In einem Interview mit der Badischen Zeitung erklärte Gänswein nun, wie er die Nachricht seiner Entlassung aus dem Vatikan aufnahm, wie er infolgedessen mit ihr umging und wie er nun in die Zukunft blickt. Ex-Erzbischof Gänswein zur Verbannung aus dem Vatikan: „Unsicherheit und Ungewissheit nagten an mir“ Nach der Verbannung durch Franziskus amtslos in seine Heimat Freiburg zurückzukehren, sei für den 68-Jährigen eine überaus schwierige Aufgabe gewesen. Die Entlassung aus dem Vatikan habe ihn in eine „tiefe Krise“ gestürzt. „Ich fühlte mich trostlos, wie abgeparkt. Unsicherheit und Ungewissheit nagten an mir“, erklärte Gänswein der Badischen Zeitung am Mittwoch (7. August). Im Juni 2023 hatte Papst Franziskus den Erzbischof Georg Gänswein von seinen Ämtern im Vatikan enthoben. Amtslos ging Gänswein danach zurück in sein Heimatbistum Freiburg. Nun wird Gänswein Vatikan-Botschafter im litauischen Vilnius. Als „bitterste Erfahrung“ seiner Freiburger Zeit beschreibt Gänswein den Umstand, „keine Aufgabe, kein Amt“ mehr gehabt zu haben – und das, obwohl er zuvor über viele Jahre hinweg intensive und verantwortungsvolle Aufgaben im Vatikan ausführte und Papst Benedikt dem XVI. so nahe stand wie kaum jemand sonst. „Nicht zu wissen, was die Zukunft bringe, macht unsicher und lähmt“, führte Gänswein aus. Ex-Erzbischof Gänswein stand zeitweise in einem schwierigen Verhältnis zu Papst Franziskus 19 Jahre lang war Gänswein zuvor als Privatsekretär des 2022 verstorbenen Papst Benedikts tätig gewesen. Seine Beziehung zu Franziskus gilt jedoch schon länger als belastet. Als Grund hierfür sehen Experten mitunter, dass sich Benedikt nach seinem Rücktritt als Kirchenoberhaupt der katholischen Kirche (28. Februar 2013) häufiger öffentlich bezüglich kirchenpolitischer Fragen zu Wort meldete und den Kurs seines Nachfolgers Franziskus mitunter scharf kritisierte. Die Beobachter vermuteten hier hinter den Einfluss Gänsweins, was dieser jedoch entschlossen zurückwies. Nach dem Tod Ratzingers 2022 (31. Dezember 2022) rückte Gänswein wieder stärker in die Öffentlichkeit. So sorgte sein im Juli 2023 veröffentlichtes Buch „Nichts als die Wahrheit“, in der er über sein Amt im Vatikan schreibt, für Schlagzeilen, da es Details über inhaltliche Unstimmigkeiten zwischen Franziskus und Benedikt enthält. Franziskus kritisierte die Veröffentlichung des Buches scharf. Er warf Gänswein einen „Mangel an Anstand und Menschlichkeit“ vor. Nach der Verbannung aus dem Vatikan fand Gänswein Hoffnung im christlichen Glauben Nach der Rückkehr in sein Heimatbistum Freiburg ohne kirchlichen Amtsauftrag bezog Gänswein eine Wohnung im Priesterseminar und feierte regelmäßig Gottesdienste im Freiburger Münster, wie das ZDF mitteilte. Doch auch in diesem schwierigen Lebensabschnitt fand Gänswein Trost und Hoffnung im christlichen Glauben. So habe er „immer kräftig gebetet und nie die Hoffnung aufgegeben, dass Gott noch eine neue Aufgabe für ihn aufzeigt“, wie er nun vom Nachrichten- und Informationsportal der katholischen Kirche in Deutschland, katholisch.de, zitiert wurde. Allzu lang sollte es jedoch nicht dauern, bis Gänsweins Hoffnungen ihre Entsprechung in der Realität finden sollten. Ende Juni (24. Juni) wurde bekannt, dass Papst Franziskus ein neues internationales Kirchenamt für den 68-Jährigen bereithält: Franziskus schickt den ehemaligen engen Vertrauten Benedikts des XVI. ins Baltikum. In Litauens Hauptstadt Vilnius wird Gänswein die Werte des Vatikans als „Apostolischer Nuntius“ vertreten und damit die Funktion eines Botschafters des Heiligen Stuhls bekleiden. Als „Rom des Ostens“ gilt die neue Heimat Gänsweins, mehr als 50 Kirchen prägen das Stadtbild der litauischen Hauptstadt. Neben barocken Glockentürmen finden sich in Vilnius zahlreiche Bauten aus der Zeit der Gotik und der Renaissance. Ansässig ist hier auch die Botschaft des Heiligen Stuhls, die sogenannte Apostolische Nuntiatur. Neben Litauen gehören die baltischen Staaten Estland und Lettland zu Gänsweins neuem Verantwortungsgebiet. Gänswein wird Vatikan-Botschafter in Vilnius und blickt zuversichtlich auf seine Zeit im Baltikum Seine künftige Aufgabe in Vilnius sieht Gänswein als große Herausforderung, die ihm frischen Auftrieb verleihe. Mit dem neuen Amt im Baltikum erwarte der 68-Jährige eine „eminent politische Rolle“, wie er vom katholischen Kölner Medium Domradio zitiert wurde. Vor seiner Abreise ins Baltikum bezog Gänswein auch noch einmal Stellung zu aktuellen Reform- und Strukturdebatten innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. „Zu oft wird nur ein gewisses kirchliches Establishment wahrgenommen, das immer wieder die gleichen Strukturdebatten führt. Das ist frucht-, saft- und kraftlos“, betonte er. Auch sagte Gänswein nun, er habe zu Papst Franziskus immer ein „entspanntes, gesundes Verhältnis“ gehabt. Als er Franziskus geschildert habe, dass ihm seine Verbannung ins Freiburger Heimatbistum physisch und psychisch schade, habe Franziskus bewegt reagiert. Einige Zeit danach habe der Vatikan dann gefragt, ob Gänswein Botschafter im Baltikum werden wolle. (fh)