Tuesday, August 13, 2024

Der zischelnde Ex-Präsident und sein giggelnder Stichwortgeber

FR Der zischelnde Ex-Präsident und sein giggelnder Stichwortgeber Artikel von Karl Doemens • 16 Std. • 5 Minuten Lesezeit US-Wahlkampf Das Online-Gespräch der Milliardäre Donald Trump und Elon Musk leidet erst unter massiven technischen Problemen und dann unter kompletter Distanzlosigkeit. Der Tech-Investor und Twitter-Boss bettelt auch noch um einen Posten Am Ende, nach drei quälend langen Stunden, waren zumindest zwei Männer zufrieden. „Ich möchte Ihnen gratulieren. Es ist beeindruckend, was Sie geschafft haben“, lobte Donald Trump den Gastgeber Elon Musk. Und auch der zweitreichste Mann der Welt war von dem Abend beeindruckt: „Mit Ihnen kann man so ein Gespräch führen. Man könnte es nicht mit Kamala Harris oder Joe Biden führen.“ Da hatte der Eigentümer der Twitter-Nachfolgeplattform X wahrscheinlich recht. Ob das aber gegen die erwähnten Politiker:innen der Demokraten spricht, ist nach Musks bizarrer Konversation mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten höchst fraglich. Das von den beiden Teilnehmern zuvor gewaltig gehypte Ereignis am US-amerikanischen Montagabend beim Audiodienst X Spaces dürfte weniger wegen inhaltlicher Erkenntnisse als wegen massiver technischer Pannen, einer peinlich-unterwürfigen Gesprächsführung, unzähliger Ausfälle des Gastes und schwer ermüdender Wiederholungen in Erinnerung bleiben. Eine Dreiviertelstunde lang mussten die Zuhörerinnen und Zuhörer zunächst nervige Aufzugmusik ertragen, bevor sich Musk zu Wort meldete. Tausende versuchten derweil vergeblich, der Diskussion beizutreten. Ihnen wurde eine Fehlermeldung angezeigt. Der X-Chef, der vor einem Jahr bei der Präsentation des damaligen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis ein ähnliches Desaster erlebt hatte, machte dafür eilig eine angebliche Cyber-Attacke verantwortlich. Als die technischen Probleme endlich gelöst waren, schalteten sich rund eine Millionen Zuhörer und Zuhörerinnen zu. Das ist rund ein Drittel der abendlichen Zuschauerzahl beim rechten Sender Fox News und weit von einem Rekord entfernt. Rasch wurde klar, dass Musk, der sich zu einem ultrarechten Aktivisten gewandelt hat und immer aggressiver alarmistische Botschaften und Verschwörungsmythen verbreitet, kein kritischer Interviewer, sondern bestenfalls Stichwortgeber des Ex-Präsidenten sein wollte. Selbst diese Rolle überforderte erkennbar sein rhetorisches Vermögen, das sich in stammelnden Ausführungen, unkritischen Akklamationen („Sure“, „Yeah“) und einem unmotiviert giggelnden Lachen ausdrückte. Musk war erkennbar mächtig stolz, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf seiner Plattform zu haben. Und Trump zögerte keine Minute, das ihm hingehaltene Megafon für seine Zwecke zu nutzen. Gleich zu Beginn eröffnete ihm Musk die Möglichkeit, über den Attentatsversuch zu reden. Und obwohl der 78-Jährige vor gerade mal drei Wochen beim republikanischen Parteitag erklärt hatte, er werde den Vorfall nur einmal schildern und dann nie wieder, „weil es zu schmerzhaft ist“, breitete er nun eine halbe Stunde lang alle Details seines heroischen Momentes und des „Wunders“ aus, das ihm das Leben rettete. Wie ein Messdiener schwenkte Musk dabei das verbale Weihrauchfass und versicherte: „Viele Menschen bewundern Ihren Mut“. Dann folgte inhaltlich eine übliche Trump-Kundgebung zu Inflation, Migration und der angeblichen eigenen politischen Verfolgung durch die Justiz. Ohne von Musk hinterfragt oder gar zurechtgewiesen zu werden, konnte Trump Migrant:innen pauschal als „entlaufene Häftlinge“, „Terroristen“ und „Vergewaltiger“ verunglimpfen. Er schwadronierte, die Ukraine sei „Putins Augapfel“ und attestierte den Diktatoren dieser Welt, sie seien „in Bestform“. Über die Klimakrise machte er sich mit der Bemerkung lustig, durch den Anstieg des Meeresspiegels werde es bald mehr Küstengrundstücke geben. Unwidersprochen verbreitete er auch seine Lüge vom Wahlbetrug und behauptete, er werde von der Staatsanwaltschaft verfolgt, weil er eine Manipulation der Abstimmung habe verhindern wollen. Faktencheck Donald Trump und Fakten halten sich normalerweise in getrennten Universen auf. Sollte jemand während des Gesprächs zwischen dem Präsidentschaftskandidaten und dem Tech-Investor Elon Musk auf das Gegenteil gewartet haben ... Einige Aussagen wurden von Trump getätigt, die aber vielleicht trotzdem einer Prüfung ihres Wahrheitsgehalts bedürfen. „Hier hören gerade viele Menschen zu, so was wie 60 Millionen oder so.“ Das ist maximal übertrieben: Die 60 Millionen waren die Page Impressions des Gesprächs – also die Zahl derer, die den sogenannten Space sahen, in dem sie die Unterhaltung hätten anhören können. Musks Netzwerk selbst zeigte an, dass 15,5 Millionen Menschen zugehört hätten – was wiederum alle umfasst, die irgendwann einmal einschalteten. Während der Unterhaltung wurde die Zahl der Zuhörenden meist mit rund einer bis 1,2 Millionen angezeigt. „Ich glaube, es sind über 20 Millionen Menschen in unser Land gekommen.“ Auch da greift Trump eine Zahl aus sehr dünner Luft. Laut Schätzungen des renommierten Pew Research Center waren 2022 rund elf Millionen Menschen ohne die nötigen Aufenthaltserlaubnisse in den USA – der gleiche Wert wie vor rund 20 Jahren. Durch den von Joe Biden verschärften Grenzschutz ist die Zahl illegaler Grenzübertritte sogar deutlich zurückgegangen. Trumps wüste Behauptung, andere Länder „leerten ihre Gefängnisse und Irrenhäuser“, um Migrant:innen in die USA einzuschleusen, ist Quatsch. rut/rnd Auffällig war freilich Trumps seltsame Stimme, die klang, als habe er vergessen, sein Gebiss einzusetzen. Immer wieder verwischte er „sch“-Laute, und aus „San Francisco“ wurde „Than Franthisco“. Schnell verbreiteten sich im Netz Gerüchte über einen gesundheitlichen Hintergrund. Doch könnte ein defektes Mikrofon für die penetrante Zisch-Störung verantwortlich sein. Wenig glücklich dürfte Trumps Beraterteam auch mit dessen wiederholten persönlichen Ausfällen gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und den scheidenen Präsidenten Joe Biden sein, den er offenbar nicht aus dem Kopf bekommt. Republikanische Wahlstrateg:innen haben erhoben, dass Trumps Beleidigungen vor allem unentschlossene Wählerinnen und Wähler abstoßen und den 78-Jährigen ermahnt, auf Sachthemen zu setzen. Stattdessen karikierte Trump Biden als inkompetenten, senilen Greis und nannte Harris eine „linksradikale Verrückte“. „Es ist, als ob wir keinen Präsidenten hätten“, stimmte Musk in die Suada ein. „Wir haben keinen Präsidenten, und sie ist noch schlimmer“, polterte Trump. Erst am späteren Abend konnte man erahnen, welche Interessen den Unternehmer Musk bei seiner Unterstützung für Trump leiten. Nicht nur hofft er bei dessen Wahlsieg auf neue Aufträge für seine Raketenfirma Space X und die Satellitenfirma Starlink. Auch behördliche Untersuchungen wegen der Belästigung von Mitarbeitenden bei Space X könnten wohl eingestellt werden. Vor allem aber erwartet Musk regulatorische Erleichterungen für das autonome Fahren seiner Tesla-Autos. Einige Male versuchte er in dem Gespräch auffällig, Trump einen Gedanken nahezubringen. Das Land brauche unbedingt eine Kommission zur Effizienzsteigerung der Regierung, wiederholte er mehrfach: „Und ich würde da gerne mitarbeiten.“ „Das gefällt mir. Sie sind ein interessanter Charakter“, erwiderte Trump, um dann gleich zum nächsten Thema zu wechseln. Ähnlich auffällig plädierte Musk für eine Haushaltssanierung und Deregulierung. Trump zeigte sich daran freilich ähnlich desinteressiert wie an einer sanften Mahnung, dass der Kohlendioxid-Verbrauch nicht endlos fortgesetzt werden könne. „Ich warte darauf, dass Sie Solar-Panel auf die Dächer ihrer Autos montieren“, alberte Trump herum. Der Zweisamkeit der beiden Männer, die über ähnlich großes Selbstbewusstsein, PR-Gier und Vorliebe für kontrafaktische Erzählungen verfügen, tat dies keinen Abbruch. „Es ist wichtig für das Land, dass Sie die Wahl gewinnen“, verabschiedete Elon Musk seinen Gast. Und Donald Trump fantasierte über eine gigantische Zuhörerschaft von „60 bis 70 Millionen Menschen“ bei seiner Konversation. Dummerweise zeigt die X-App die Zahl der Zugeschalteten genau an. Es waren 1,1 Millionen.