Monday, March 24, 2025

Mit der Logik von 2017: Die unwahrscheinlichste Geschichte des irren Duells zwischen Deutschland und Italien

SPOX Mit der Logik von 2017: Die unwahrscheinlichste Geschichte des irren Duells zwischen Deutschland und Italien Nino Duit • 3 Std. • 4 Minuten Lesezeit Selten wirkte ein Fußballspiel dichter als dieses 3:3 zwischen Deutschland und Italien, es triefte nur so vor Geschichten und historischen Dimensionen. Joshua Kimmich und Jamal Musiala schossen mit einer schnell ausgeführten Ecke eines der kuriosesten Tore der DFB-Historie. Und erinnerten damit an einen berühmten Treffer des FC Liverpool. 2019 tricksten Trent Alexander-Arnold und Divock Origi den FC Barcelona im Halbfinale der Champion League in ähnlicher Manier aus. Der Spielverlauf weckte unterdessen Erinnerungen an das legendäre 4:4 nach zwischenzeitlicher 4:0-Führung gegen Schweden 2012. Vor der Pause zeigte Deutschland gegen Italien "die beste Halbzeit" der Amtszeit von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Laut Bundestrainer Julian Nagelsmann. 3:0. Und brach danach besorgniserregend ein. 3:3. Dank des 2:1-Sieges im Hinspiel reichte das Remis gerade noch so zum Einzug ins Final Four der Nations League, das im Juni in München und Stuttgart ausgetragen wird. Im Halbfinale wartet Portugal. In einem möglichen Finale gegen Spanien könnte Deutschland Revanche nehmen für das Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM und gleichzeitig den ersten Titel seit dem Confed Cup 2017 gewinnen. Joshua Kimmich und Leon Goretzka überragten gegen Italien Die damalige Sieger-Mannschaft wurde von der vermeintlich goldenen 95/96er-Generation getragen. Als ihre prägendsten Gesichter galten Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Kimmich machte im Finale gegen Chile sein 20. Länderspiel (von mittlerweile 99) und bearbeitete die rechte Außenbahn. Goretzka gab in seinem neunten (von mittlerweile 59) einen zentralen Mittelfeldspieler mit Offensivdrang. All das in einem 3-4-3-System und somit genau so wie nun acht Jahre später gegen Italien. Außer, dass die beiden diesmal entscheidenden Anteil an Toren hatten. Kimmich verwandelte den Elfmeter zum 1:0, spielte die geniale Ecke zum 2:0 und flankte zum 3:0. Goretzka leitete die Elfmeter-Szene ein und spielte Kimmich vor dem dritten Treffer stark frei. Einmal peitschte er das Publikum gestenreich ein - und wurde dafür abgefeiert. Im Dortmunder Signal-Iduna-Park. Als gebürtiger Bochumer, ehemaliger Schalker und aktueller Münchner. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Zum Zeitpunkt seiner Auswechslung führte Deutschland komfortabel mit 3:1. Beim Hinspiel in Mailand hatte Goretzka das Siegtor zum 2:1 markiert, Nagelsmann kürte ihn anschließend zum "MVP des Spiels". Kimmich hatte beide Treffer mit Flanken vorbereitet, war somit tatsächlich an allen fünf Toren gegen Italien direkt beteiligt. "Ich glaube nicht, dass es in Europa einen zweiten Spieler gibt, der aus dem Stand so scharfe und präzise Flanken schlägt", lobte Nagelsmann. Kurz: Kimmich und Goretzka waren die Architekten des Weiterkommens gegen Italien. Und schrieben damit wahrscheinlich die unwahrscheinlichste Geschichte dieses unwahrscheinlichen Schlagabtauschs. Es ist schließlich nicht lange her, da dienten sie noch als Prügelknaben der Nation. Kaum andere deutsche Fußballer mussten in der Zeit seit dem letzten Titelgewinn 2017 mehr einstecken als Kimmich und Goretzka. Kimmich und Goretzka: Plötzlich Gesichter des Scheiterns Nach dem Confed-Cup-Sieg galten sie als prädestinierte Anführer der Zukunft. Kimmich drängte von rechts hinten ins Zentrum neben Goretzka. Gemeinsam feierten sie beim FC Bayern schnell gemeinsame Erfolge, 2020 gelang sogar das Triple. Dann begann ihr Zusammenspiel in München zu stottern, vor allem auch in der Phase unter dem jetzigen Bundestrainer Nagelsmann. In der Nationalmannschaft hatten sich die Gesichter der vermeintlich goldenen Generation da schon längst in Gesichter des Scheiterns verwandelt. Vorrunden-Aus bei den Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar, dazwischen eine enttäuschende Europameisterschaft. Den Tränen nahe verkündete Kimmich in Katar: "Ich habe Angst, in ein Loch zu fallen." Als meinungsstarke, redegewandte Typen polarisieren Kimmich und Goretzka grundsätzlich mehr als andere. Ihre Auftritte und Aussagen sorgen für größere Ausschläge. Nach unten wie nach oben. Irgendwann gab es bei beiden nur noch eine Richtung: nach unten. Holding Six und Corona-Impfung bei Kimmich, politische Stellungnahmen bei Goretzka. Dazu sportliche Rückschläge. Vor genau einem Jahr strich Nagelsmann Goretzka aus der Nationalmannschaft und degradierte Kimmich zum Rechtsverteidiger, so dürfte es sich zumindest für ihn zunächst angefühlt haben. Wie sich Joshua Kimmich und Leon Goretzka zurückkämpften Beide akzeptierten ihre Situation aber und übten keine öffentliche Kritik. Was für Kimmich selbstredend einfacher war. Wenn auch nur am Rande, so durfte er ja immerhin noch mitspielen. Bei der Heim-EM glänzte Kimmich in seiner alten, neuen Rolle. Nach den Rücktritten einiger Veteranen berief ihn Nagelsmann anschließend zum neuen Kapitän. Kimmichs Zukunft beim FC Bayern erschien nach dem Ende der Meisterserie vergangenen Sommer und mit Blick auf seinen damals nur bis 2025 datierten Vertrag derweil unklar. Nicht ganz so brachial kommuniziert wie bei Goretzka, aber tatsächlich galt auch er als potentieller Verkaufskandidat. Beide entschieden sich für einen Verbleib - und sollten es nicht bereuen. Kimmich avancierte unter dem neuen Trainer Vincent Kompany schnell zum unumstrittenen Mittelfeldchef. Nach einer Charmeoffensive von Sportvorstand Max Eberl verlängerte er kürzlich bis 2029. Goretzka schaffte es zu Saisonbeginn zwar mehrmals nicht in den Kader, profitierte dann aber von Verletzungsproblemen der Konkurrenz und erkämpfte sich einen Stammplatz. Dank angepasster Positionierungen funktioniert unter Kompany plötzlich auch eine Doppelsechs bestehend aus Kimmich und Goretzka. Folgerichtig kehrte Goretzka in die Nationalmannschaft zurück. Möglich war das auch deshalb, weil er sich nach der Ausbootung nicht kritisch geäußert hatte. "Das war sein cleverster Move", betonte Nagelsmann. Und plötzlich dominieren Kimmich und Goretzka das DFB-Team. Kimmich ist als Kapitän unumstritten, Goretzka dürfte nach diesen beiden Gala-Auftritten erstmal gesetzt sein. So logisch dieser Umstand 2017 mit Blick auf das Jahr 2025 erschien, so unerwartet erscheint er nach den Entwicklungen in der Zwischenzeit jetzt im Jahr 2025.