Tuesday, March 25, 2025
Kommentar zum Chatgruppen-Skandal: Trumps naive Truppe
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kommentar zum Chatgruppen-Skandal: Trumps naive Truppe
Nikolas Busse • 7 Std. • 2 Minuten Lesezeit
Fehler macht jeder mal, aber so einen Vorfall kann man kaum glauben: dass das außenpolitische Team von Präsident Trump militärische Einsätze in einer Chatgruppe eines kommerziellen Anbieters bespricht, ist schon äußerst ungewöhnlich und hat nichts mit der landläufigen Vorstellung von Geheimhaltung zu tun. Dass daran noch ein Journalist teilnehmen kann, ist eine schwere Missachtung der Sorgfaltspflicht. Bei der führenden Militärmacht versetzt einen das dann doch mehr in Erstaunen, als wenn sich deutsche Luftwaffenoffiziere abhören lassen.
Leider vorhersehbar, aber deswegen kein bisschen besser ist die schmallippige Reaktion der Republikaner auf den Skandal. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, bezweifelt sogar, dass eigene Untersuchungen des Kongresses überhaupt notwendig seien. Das passt in das Bild der republikanischen Mehrheit in beiden Häusern, die das Parlament zu einem Abnickverein für Trump macht. Während die Justiz sich mit dem übergriffigen Präsidenten herumschlägt, fällt der legislative Arm der Gewaltenteilung in Amerika derzeit aus.
Skandal um Clintons Mails
Was hatten Trump und die Republikaner für einen Skandal daraus gemacht, als die frühere Außenministerin Clinton einst einen privaten Mailserver für dienstliche Kommunikation nutzte. Die Forderung, sie dafür einzusperren („Lock her up“) war ein entscheidender Schritt zur Radikalisierung der MAGA-Bewegung, und er trug einiges zur Vergiftung und Tribalisierung der politischen Kultur bei, die das neue Normal der amerikanischen Politik geworden ist. Das gilt nun selbstredend auch für Skandale: Die Mails oder Chats des anderen sind stets große Verbrechen, die eigenen Verfehlungen lässliche Sünden.
Der konkrete operationelle Schaden der Chatgruppe dürfte gering sein, sofern es ein Einzelfall war. Bemerkenswert ist allerdings der nachrichtliche Beifang über die Europäer. Dass Vizepräsident Vance Bedenken gegen die Operation hatte, weil sie auch Europa zugute käme, sagt viel über das verdrehte Denken in dieser Administration. Leute wie Vance sind allen Ernstes bereit, eine akute Bedrohung der freien Seefahrt, der amerikanischen Flotte und Israels hinzunehmen, damit nicht das falsche Signal nach Europa geschickt wird. Gerade im Roten Meer kann man den Europäern keine Untätigkeit vorwerfen, die EU hat ihr maritime Mission in der Region eben erst um ein Jahr verlängert. Weiß Amerika noch, wer Freund und wer Feind ist?
Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren sagte, die amerikanische Außenpolitik befinde sich in den Händen „kompletter Amateure“. Das stimmt nicht einmal. Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio oder Sicherheitsberater Mike Waltz haben genug militärische oder politische Erfahrung für ihre Ämter.
Das wahre Problem ist die Weltsicht, die Trump ihnen vorgibt. Sie hat nicht nur in technischen, sondern auch in viel größeren Fragen zu einer Arglosigkeit der amerikanischen Außenpolitik geführt, wie man sie lange nicht gesehen hat. Der Unterhändler, den der Präsident zu Putin geschickt hat, redet mittlerweile wie ein Kremlsprecher. Es ist wirklich höchste Zeit, dass die Europäer ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.