Thursday, June 1, 2023
Habeck im freien Fall – AfD zieht mit Kanzlerpartei SPD gleich
WELT
Habeck im freien Fall – AfD zieht mit Kanzlerpartei SPD gleich
Artikel von Johannes Wiedemann • Gestern um 18:00
Der grüne Wirtschaftsminister stürzt im Deutschlandtrend auf den schlechtesten Wert seiner Amtszeit ab. Die AfD erreicht in der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl hingegen einen neuen Höchstwert. Die AfD-Wähler geben für ihre Entscheidung mehrheitlich eine Motivation an.
Es geht steil bergab für den Wirtschaftsminister: Seit Ende Februar, als die Heizungstauschpläne von Robert Habeck (Grüne) der Öffentlichkeit bekannt wurden, fallen seine Beliebtheitswerte im Deutschlandtrend ungebremst. Im Juni bricht der Zuspruch regelrecht ein: Habeck stürzt im Vergleich zum Vormonat um sieben Punkte auf 23 Prozent ab – ein neuer persönlicher Tiefstwert in seiner Amtszeit.
Damit liegt Habeck in der repräsentativen Erhebung von Infratest Dimap im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und WELT 30 Punkte hinter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der das Ranking weiterhin anführt. Auf den Plätzen hinter dem Spitzenreiter: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne, 39 Prozent), Kanzler Olaf Scholz (SPD, 32) und Finanzminister Christian Lindner (FDP, 28) – die alle jeweils mehrere Punkte abgeben. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz büßt ebenfalls an Beliebtheit ein und kommt auf 26 Prozent. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bleibt bei 19 Prozent.
Die maßgeblich von Habeck vorangetriebene Umstellung auf klimaschonende Heizungsanlagen ab 2024 – im Rahmen der Novelle des Gebäude-Energie-Gesetzes – lässt auch die Ampel-Koalition insgesamt ausgesprochen schlecht dastehen: 47 Prozent der Befragten finden, keine der drei Parteien überzeuge dabei. 19 Prozent würden das der FDP zugestehen, 14 Prozent den Grünen – und gerade mal zehn Prozent der SPD.
Zudem geben 74 Prozent an, sie fühlten sich „weniger gut“ oder „gar nicht“ über die Heizungspläne der Regierung informiert. Nach Parteianhängern betrachtet, hält sich die Hälfte der Grünen-Unterstützer für „sehr gut“ oder „gut“ informiert. Bei Unterstützern aller anderen Parteien überwiegt der Anteil derer, die sich „weniger gut“ oder „gar nicht“ informiert fühlen, deutlich.
67 Prozent aller Befragten machen sich zudem Sorgen, dass die Pläne sie „finanziell überfordern werden“. Immerhin 45 Prozent geben aber an, dass es richtig sei, dass „der Staat klimaschädliche Heizungen in absehbarer Zeit verbieten will“; 49 Prozent sind gegensätzlicher Ansicht.
Der schlechte Beliebtheitswert des Wirtschaftsministers geht außerdem einher mit einer überwiegend negativen Bewertung der ökonomischen Lage hierzulande – 69 Prozent der Befragten erklären diese für „weniger gut“ oder „schlecht“. Gleichwohl war die Stimmung bei der Abfrage im Oktober 2022 deutlich schlechter.
Auffällig ist das Bild, das sich bei der Betrachtung der Stimmung nach Parteianhängern ergibt: Nur Unterstützer der Grünen befinden mehrheitlich (56 Prozent), die wirtschaftliche Lage des Landes sei „sehr gut“ oder „gut“.
Und auch bei der Bewertung der persönlichen ökonomischen Situation stechen die Grünen-Anhänger hervor: Während nur 65 Prozent der Befragten insgesamt ihre „eigene wirtschaftliche Lage“ für „sehr gut“ oder „gut“ halten, sind es bei den Anhängern der Ökopartei immerhin 86 Prozent. Am schwächsten ist diese Auffassung bei AfD-Unterstützern (53 Prozent) ausgeprägt.
Von der AfD „überzeugt“ – oder „enttäuscht“ von anderen?
Insgesamt büßt die Bundesregierung im Vergleich mit dem Vormonat stark an Ansehen ein: Gerade noch ein Fünftel aller Befragten ist „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit ihr (minus acht Punkte). Dagegen steigt der Anteil derjenigen, die „weniger“ oder „gar nicht“ zufrieden mit der Ampel sind, um zehn Punkte auf 79 Prozent. Nach Parteianhängern betrachtet, äußern sich nur die der Grünen mehrheitlich zufrieden (54 Prozent). Am geringsten ist dieser Wert bei Unterstützern von Union (15 Prozent) und AfD (zwei) ausgeprägt.
Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, könnte die AfD zwei Punkte zulegen und ihren bisher höchsten Wert in dieser Befragung verzeichnen – 18 Prozent. Damit zieht sie mit der Kanzlerpartei SPD gleich, die einen Punkt hinzugewinnt, und liegt drei Punkte vor den Grünen (minus ein Punkt). Die FDP kommt unverändert auf sieben Prozent. Weit vorne liegt weiterhin die Union mit 29 Prozent, die einen Punkt abgibt. Die Linke verliert ebenfalls einen Punkt und zöge mit vier Prozent nicht mehr in den Bundestag ein.
Ausgehend von der Sonntagsfrage wollten die Demoskopen von denjenigen Bürgern, die ihre Stimme der AfD geben, Gründe für diese Wahlentscheidung wissen. Demnach wählen 32 Prozent dieser Gruppe die rechtsnationale Partei, weil sie „von der AfD überzeugt“ seien – und 67 Prozent, weil sie „von den anderen Parteien enttäuscht“ seien.
Danach gefragt, welche Themen für die AfD-Wahlentscheidung die größte Rolle spielen – bis zu drei Themen-Nennungen waren möglich –, geben 65 Prozent den Bereich Zuwanderung und Migrationspolitik an. Für 47 Prozent sind Energie, Umwelt- und Klimapolitik dafür mit ausschlaggebend, für 43 Prozent die Wirtschaft. Viel weniger bedeutend sind Themen wie „Diskussion um Gleichstellung von Frauen und Minderheiten“ (zehn Prozent) sowie der grundlegende Wunsch nach „Opposition zur Bundesregierung“ (fünf).