Tuesday, October 22, 2024

Wagenknechts Durchgriffsrecht: Wie die Parteichefin die Landesvorstände entmachten könnte

Tagesspiegel Wagenknechts Durchgriffsrecht: Wie die Parteichefin die Landesvorstände entmachten könnte Artikel von Karin Christmann • 14 Std. • 3 Minuten Lesezeit Sollte der Konflikt beim Bündnis Sahra Wagenknecht zwischen der Parteigründerin und Katja Wolf aus Thüringen eskalieren, könnte wichtig werden, was in der Satzung steht. Denn die gibt der BSW-Spitze einige Optionen. In der Wagenknecht-Partei BSW spitzt sich der Konflikt zwischen Katja Wolf, der Landesvorsitzenden in Thüringen, und der Parteigründerin selbst zu. Denn die eine will in die Landesregierung eintreten, auch wenn es politische Geschmeidigkeit erfordert. Die andere hingegen will in Sachen Ukraine keinen Zentimeter nachgeben, um ein solches Bündnis zu ermöglichen. Was, wenn es hart auf hart kommt? Dann könnte noch wichtig werden, was in der BSW-Satzung steht. Dort sind weitgehende Durchgriffsrechte der Bundesebene geregelt. Unter anderem kann der Parteivorstand den Vorstand einer Parteigliederung – also etwa eines Landesverbands – des Amtes entheben, wenn der „gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei“ schwerwiegend verstößt, also zum Beispiel „gegen die politische Zielsetzung der Partei“ handelt. So ließe sich womöglich argumentieren, hat doch Wagenknecht das Thema Ukraine von Anfang an für zentral erklärt. Zwar ist auch die Macht des Parteivorstands begrenzt. So muss eine Ordnungsmaßnahme auf dem nächsten Parteitag bestätigt werden, sonst tritt sie außer Kraft. Auch ein Einspruch beim Schiedsgericht ist möglich. Erst einmal aber könnte ein Parteivorstand, der Wagenknechts Linie folgt, Fakten schaffen. Juristisch unbedenklich, sagt eine Parteienrechtlerin Für juristisch unbedenklich hält das die Parteienrechtlerin Heike Merten. Dass es in Parteien unterschiedliche Gliederungen gebe, berge Konfliktpotential, sagte sie dem Tagesspiegel. Also brauche es Regelungen. Wie die genau aussehen, dürften die Parteien selbst festlegen. Und wie handhaben es die anderen? Auch in der CDU kann der Bundesvorstand Mitglieder eines Landesvorstands ihrer Ämter entheben, wenn diese gegen die Grundsätze der Partei verstoßen. Im Organisationsstatut der SPD ist explizit nur die Auflösung oder der Ausschluss einer Gliederung als Sanktionsmöglichkeit vorgesehen. Die Amtsenthebung etwa eines Landesvorstands sei nicht genannt, als mildere Maßnahme aber wohl mitgedacht, sagt Merten. Entscheiden darf der Parteivorstand aber nur im Einvernehmen mit dem Parteikonvent – und der hat nicht nur einige wenige, sondern 235 Mitglieder, was einsame Entscheidungen erschwert. Bei den Grünen ist die Möglichkeit vorgesehen, einen Vorstand des Amtes zu entheben, wenn er „in wesentlichen Fragen gegen die politische Zielsetzung“ der Partei handelt. Die Entscheidungsgewalt hat aber nicht der Parteivorstand, sondern ein Schiedsgericht. Und auch in der FDP ist die Möglichkeit vorgesehen, ein Mitglied seines Parteiamts zu entheben, wenn es „gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei“ verstößt. Und bei den Liberalen gibt es noch mehr Regeln: Die Landesverbände haben die Pflicht, die Einheit der Partei zu sichern. Tun sie das nicht, kann der Bundesvorstand verlangen, dass ein Landesparteitag einberufen wird, auf dem der Bundesvorstand entsprechende Anträge, etwa auf Abwahl, stellen kann. Außerdem gilt: Bei Verhandlungen über eine Koalition auf Landesebene haben Landesverbände sich „mit dem Bundesvorstand ins Benehmen zu setzen“. Genau darum geht es auch beim BSW: Wird man sich ins Benehmen setzen, sich einig werden können, was die Frage einer Regierungsbeteiligung in Thüringen betrifft? „Das BSW hat sich eine solche Satzung gegeben, da junge Parteien immer Gefahr laufen, von Glücksrittern gekapert zu werden“, sagt eine Sprecherin der Partei. „Landesverbände können sich dann in eine Richtung bewegen, die dem Gründungsanspruch der Partei und dem, wofür sie von den Menschen gewählt wird, zuwider läuft.“ Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung. Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke. Katja Wolf, BSW-Spitzenfrau in Thüringen, bei „Zeit Online“ Einen Konflikt will sie nicht erkennen: „Nach allen Rückmeldungen, die wir bekommen, teilen Mitglieder wie Unterstützer die Position, dass unsere friedenspolitischen Positionen unverhandelbar sind und wir nur dann in eine Regierung eintreten dürfen, wenn unsere Handschrift klar erkennbar ist.“ Das klang allerdings ganz anders, als Thüringens BSW-Spitzenfrau Katja Wolf vor kurzem mit „Zeit online“ sprach. „Frau Wagenknecht ist auf die Bundestagswahl fokussiert und hat Sorge, dass wir durch unseren pragmatischen Thüringer Stil ihr Wahlkampfkonzept einer klaren Abgrenzung zu anderen Parteien kaputtmachen. Aber diese Sorge ist unbegründet.“ So unverblümt sagte es Wolf. Und sie formulierte einen Machtanspruch: „Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung. Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke.“