Sunday, October 20, 2024

Um als Künstlerin erfolgreich zu sein, brauchte Leni Riefenstahl Willy Zielke. In ihrem Buch schildert Nina Gladitz, wie Riefenstahl den Fotografen und Regisseur für ihre Zwecke missbrauchte

Neue Studie über Leni Riefenstahl Betrogen um sein Werk: Der Fall Willy Zielke Um als Künstlerin erfolgreich zu sein, brauchte Leni Riefenstahl Willy Zielke. In ihrem Buch schildert Nina Gladitz, wie Riefenstahl den Fotografen und Regisseur für ihre Zwecke missbrauchte. Christiane Fricke 13.02.2021 - 13:06 Uhr Dieses Foto kursiert in Literatur und Handel auch als Bild von Leni Riefenstahl unter dem Titel „Der junge Athlet“ oder „Athlet“. Foto: Schönheit im Olympischen Kampf, Buch 1936 Düsseldorf. Was es mit der tragischen Lebensgeschichte des Fotografen und Regisseurs Willy Zielke (1902 bis 1989) auf sich hat, das wollte kaum jemand genauer wissen. Denn dafür hätte man sich mit der Filmemacherin Leni Riefenstahl (1902 bis 2003) anlegen müssen, die bekanntlich jeden, der an ihrem geborgten Ruhm kratzte, vor Gericht zog. Einen Prozess führte die Hitlerfreundin, die sich selbst bis zuletzt für eine apolitische Ausnahmekünstlerin hielt, auch gegen die Dokumentarfilmerin Nina Gladitz. Riefenstahl hatte Gladitz verklagt, weil sie in ihrem 1982 im WDR ausgestrahlten Film „Zeit des Schweigens und der Dunkelheit“ angeblich fälschlich behauptete, Riefenstahl hätte für ihren 1944 fertiggestellten Film „Tiefland“ internierte Sinti und Roma als Komparsen eingesetzt; und es sei Riefenstahl gleichgültig gewesen, dass sie anschließend nach Auschwitz deportiert wurden, wo die meisten von ihnen ermordet wurden. Gladitz gewann das lange Verfahren in zweiter Instanz in fast allen Punkten und begann weiterzuforschen. Ergebnis ist das spannende, nicht emotionslos geschriebene Publikation „Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin“, kürzlich erschienen bei Orell Füssli. Willy Zielke war von Riefenstahl 1935 als künstlerischer Leiter für den Prolog ihres Olympiafilms rekrutiert worden, weil sie sein künstlerisches Talent brauchte, um ihren Film zu einem Erfolg zu führen. Den hatte sie nötig, „wollte sie das ihr von Hitlers Gnaden überreichte Königreich des Dokumentarfilms auf Dauer behalten“, beschreibt Gladitz den Hintergedanken der Regisseurin. Zielke selbst hielt nicht viel von ihr als Filmemacherin. „Eine Aneinanderreihung langweilig gefilmter Märsche“, notierte er, nachdem er sich ihren Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ angeschaut hatte. Ihr Talent zur Intrige jedoch unterschätzte er. Riefenstahl sorgte laut Gladitz nicht nur dafür, dass er nie wieder selbstständig einen Film im „Dritten Reich“ drehen und für jemand anderen als für sie als Kameramann arbeiten konnte. Sie soll ihn vollkommen von sich abhängig gemacht und indirekt für seine Einweisung in die Psychiatrie gesorgt haben, wo ihn NS-Mediziner dann auch noch entmündigten und zwangssterilisierten. War ein herausragender Fotograf und Filmemacher. Leni Riefenstahl sicherte sich sein Talent auf grausame Weise (Ausschnitt aus einem Hochformat). Foto: Sammlung Dieter Hinrichs/Willy Zielke Gladitz nennt dem Handelsblatt drei Themen, die ihr am wichtigsten sind: ihre Erkenntnisse über den von Hitler protegierten Film „Tiefland“ als ultimativen antisemitischen Film, der den Hetzfilm „Jud Süß“ „weit in den Schatten“ stellen und eine Zukunft ohne Juden in Aussicht stellen sollte, die Lebensgeschichte des von Riefenstahl ausgenutzten, in eine Nervenklinik abgeschobenen und fast umgebrachten Willy Zielke und die Rolle der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), seit 2018 Hüter von 700 Kisten Riefenstahl-Nachlass. Interessant für den Kunstmarkt ist vor allem Gladitz’ Kritik am Umgang mit der Urheberschaft an den Olympia-Fotografien von Zielke. Diese hatte sich Riefenstahl schon zu seinen Lebzeiten mit haarsträubenden Methoden angeeignet und zu den ihren erklärt. Institutionen und Marktteilnehmer hielten diese Legende teilweise wider besseres Wissen aufrecht. So auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die noch bis in jüngste Zeit Aufnahmen wie das Brustbild des Speerwerfers als Riefenstahl-Werke veröffentlicht und über das stiftungseigene Bildportal bpk vermarktete. Inzwischen hat sie in einem Blog über den Riefenstahl-Nachlass die Bildunterschrift korrigiert, nachdem Gladitz zufolge ein Filmproduzent einen geharnischten Brief an den Stiftungspräsidenten Hermann Parzinger geschrieben hatte. „Die Aufnahme stammt sehr wahrscheinlich vom Fotografen, Kameramann und Regisseur Willy Zielke“, heißt es nun im Blog der Stiftung. Dazu würde derzeit geforscht. Außerdem hätte Zielke sämtliche Rechte an seinen Filmen und Fotografien für Riefenstahls Olympia-Projekt vor Beginn seiner Arbeit im Mai 1936 per Vertrag an Riefenstahls Olympiade Film G.m.b.H. abgetreten. Ludger Derenthal, Leiter der Sammlung Fotografie der Staatlichen Museen zu Berlin, ergänzt auf Nachfrage, dass es sich dabei um Bild- und Nutzungsrechte gehandelt habe. Und er halte das fragliche Bild für „ziemlich eindeutig“, zu 99,5 Prozent für ein Zielke-Foto. Die Stiftung lässt mitteilen, sie passe regelmäßig ihre Veröffentlichungen an aktualisierte Erkenntnisse an, so wie in diesem Fall den Blog-Beitrag aus 2018.