Wednesday, October 9, 2024

„Jeden Tag sterben Menschen“ – Vater von Brokstedt-Opfer konfrontiert Scholz

WELT „Jeden Tag sterben Menschen“ – Vater von Brokstedt-Opfer konfrontiert Scholz 2 Std. • 3 Minuten Lesezeit Anfang 2023 wird Michael Kyraths 17-jährige Tochter Ann-Marie bei der Messerattacke von Brokstedt getötet. Eineinhalb Jahre später sitzt Kyrath bei RTL zusammen mit Olaf Scholz an einem Tisch – und teilt dem Kanzler eindrücklich mit, was er von dessen Migrationspolitik hält. 20 Monate danach, sagt Michael Kyrath, sichtlich bewegt, habe er das Gefühl „immer noch in den Fingern“ – die „eiskalte“ Hand seiner Tochter, tot vor ihm in einem Sarg. Das sei „das Schlimmste, das Sie jemandem antun können“, sagt der 49-Jährige. Er sitzt am Dienstagabend bei „RTL Direkt“ in einer Runde, in der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dabei ist. Thema ist unter anderem die Migrationspolitik. Deren Scheitern, so sieht es Kyrath, hat ihm seine Tochter genommen. Kyrath bekam am 25. Januar 2023 jenen Anruf, vor dem sich wohl alle Eltern fürchten. In einem Regionalzug bei Brokstedt in Schleswig-Holstein hatte an diesem Tag der staatenlose Palästinenser Ibrahim A., der zuvor bereits wegen zahlreicher Gewaltdelikte aufgefallen war, offenbar wie von Sinnen auf Menschen eingestochen. Darunter Kyraths Tochter Ann-Marie (17) und deren Freund Danny P. (19). Beide starben. Der Fall schlug Wellen, auch wegen der offensichtlichen behördlichen Fehler. Im Mai wurde A. vom Landgericht Itzehoe zu lebenslanger Haft verurteilt, samt Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Scholz‘ Aussagen überzeugen den Vater nicht Scholz drückt Kyrath in der RTL-Sendung sein Beileid aus: „Ich will Ihnen gerne sagen, dass ich total erschüttert war über das Verbrechen“. Die Trauerveranstaltung sei „dramatisch“ gewesen. Jedes Mal, wenn er daran denke oder darüber spreche, könne er sagen, „dass es auch in mir hochkommt“. Man könne für eine solche Tat „überhaupt keine Verzeihung aussprechen“, es brauche harte Strafen. Er „und viele andere“ fühlten mit den Hinterbliebenen, „und das hört nicht auf“. Kyrath überzeugt das offenbar wenig: „Ein Punkt, der mich wirklich ärgert, Herr Bundeskanzler, ist: Es geht hier nicht um Leute, es geht um Menschen. Und diese Menschen hießen Ann-Marie und Danny, in unserem Fall. Das sind nicht Leute, irgendwelche Leute.“ Und auch die deutsche Migrationspolitik überzeugt ihn offensichtlich nicht – darüber diskutiere man „seit Jahren“, ohne, dass sich etwas Grundlegendes ändere „Mit reden kommen wir nicht mehr weiter“, sagt Kyrath. „Es wird Zeit, dass wir anfangen zu handeln – dringend.“ „Jeden Tag, wo wir weiter diskutieren, sterben Menschen” Und weiter: „Herr Scholz, wir haben jeden Tag zwischen 24 und 32 Messerattentate in Deutschland.“ Scholz nickt dazu. „Viele davon enden tödlich, und jeden Tag, wo wir weiter diskutieren, sterben Menschen, es sterben Kinder.” Es gehe weniger darum, Menschen abzuschieben, sondern um die Frage, ob sie „überhaupt ins Land“ dürften. „Es ist immer dasselbe Täterprofil, es ist dasselbe Tatwerkzeug, es ist nahezu derselbe Tathergang, es sind nahezu dieselben Tatmotive“, so Kyrath, der sich in einer Gruppe mit 300 Eltern engagiert, die Ähnliches durchlebt haben. „Und es sind am Ende jeder Tat dieselben Floskeln, die wir von der Politik hören – seit Jahren, und es ändert sich gar nichts.” Scholz weist in der Sendung darauf hin, dass aus seiner Sicht bei der Regulierung von Migration bereits viel getan worden sei, es aber dennoch weitere Anstrengungen brauche. Straftäter ohne deutsche Staatsangehörigkeit etwa müssten schneller und zuverlässiger abgeschoben werden, dafür gebe es viele neue Gesetzesvorschläge. Es brauche zudem einen verbesserten Austausch zwischen den Behörden, da es etwa auch in diesem Fall „große Informationsdefizite“ gegeben habe. Auch müsse man „mutiger sein bei der Rechtssprechung, auf bestimmte Straftaten hart zu reagieren“.