Tuesday, October 8, 2024

Wagenknecht vs. Weidel – Das ambivalente Verhältnis der Kontrahentinnen

WELT Wagenknecht vs. Weidel – Das ambivalente Verhältnis der Kontrahentinnen Artikel von Frederik Schindler, Kevin Culina • 20 Std. • 5 Minuten Lesezeit Am Mittwochabend treffen die Chefinnen von BSW und AfD bei WELT TV aufeinander. Das Verhältnis von Alice Weidel und Sahra Wagenknecht ist von Ambivalenzen geprägt. Inhaltliche Schnittmengen gibt es mehrere. Interne Chats zeigen, wie kontrovers in der AfD über Wagenknecht diskutiert wird. Wagenknecht vs. Weidel – Das ambivalente Verhältnis der Kontrahentinnen Alice Weidel und Sahra Wagenknecht haben zuletzt große Erfolge eingefahren. Bei den Landtagswahlen landete Weidels AfD in Thüringen auf dem ersten Platz, in Sachsen und Brandenburg auf dem zweiten. Das im Januar gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) konnte in alle drei Landesparlamente aus dem Stand jeweils als drittstärkste Kraft einziehen. Am Mittwoch um 18 Uhr treffen Wagenknecht und Weidel im Duell bei WELT TV aufeinander. Das wirft die Frage auf, welche inhaltlichen Schnittmengen zwischen den Politikerinnen und Wirtschaftswissenschaftlerinnen festzustellen sind und wie beide zueinander stehen. Hier fällt auf: Wagenknecht verteidigte Weidel wiederholt gegen den Vorwurf des Radikalismus. Die AfD-Chefin vertrete „keine rechtsextremen Positionen, sondern konservativ-wirtschaftsliberale“, behauptet die BSW-Chefin immer wieder. Dies wiederum ist nach WELT-Informationen der Grund für die Antragsteller eines Gruppenantrags für ein AfD-Verbotsverfahren, in den Reihen des BSW nicht nach Unterstützern zu suchen. Wagenknecht hält man dort für eine „AfD-Verharmloserin“. Und auch Weidel fand bereits durchaus freundliche Worte für die BSW-Chefin. „Ich schätze Sahra Wagenknecht persönlich sehr“, sagte Weidel in einer ZDF-Reportage, sie wünsche ihr Glück. Doch Weidel ging gleich in die Offensive: Wagenknecht mache sich zum „nützlichen Idioten der Ampel und der CDU, wenn sie die AfD von der Regierungsverantwortung, vor allem in Ostdeutschland, abhält“. Während das BSW derzeit in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Möglichkeiten für Regierungsbeteiligungen auslotet, bleibt der AfD nur die Opposition. Auch das BSW will nicht mit der Rechtsaußen-Partei koalieren. Dabei ist die Wagenknecht-Partei mit dem Versprechen angetreten, einen neuen Umgang mit der AfD zu versuchen. Die Brandmauer-Politik der größtmöglichen Abgrenzung sei gescheitert, heißt es im BSW – schließlich sei die AfD immer stärker geworden. Wenn es künftig also einen inhaltlich „vernünftigen“ AfD-Antrag gebe, werde man ihm im Parlament zustimmen, sagte etwa die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf. In der Corona-Politik könnte es nun zu ersten informellen Kooperationen kommen. Weitere Schnittmengen gibt es in der Ablehnung der militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine und der Forderung nach einer restriktiveren Migrationspolitik. Die Forderungen der AfD gehen allerdings weit über die des BSW hinaus. Beide Parteien bedienen sich des Populismus. „Roter als Frau Wagenknecht geht es nicht“ Innerhalb der AfD begann bereits im November 2022 eine Diskussion über Wagenknecht. Weidel autorisierte damals auf Anfrage von „t-online“ Aussagen, die sie zuvor in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten tätigte, unter anderem auf Fragen von WELT. Wagenknecht liebäugelte damals bereits mit einer Parteigründung. „Selbstverständlich ist da eine gewisse Konkurrenz entstanden“, sagte Weidel. „Wagenknecht ist wahnsinnig populär und spricht besonders im Osten dieselben Wähler an wie wir.“ In der AfD waren nicht alle begeistert, dass sich Weidel derart äußerte – wohlgemerkt noch lange vor der tatsächlichen Parteigründung. „Roter als Frau Wagenknecht geht nicht“, hieß es etwa in einer WELT vorliegenden Online-Diskussion, an der sich mehrere AfD-Mitglieder beteiligten. Kontrovers wurde auch über Weidels Aussage diskutiert, dass die AfD „ihr sozialpolitisches Profil schärfen“ müsse, um nicht zu viele Wähler an Wagenknecht zu verlieren. Der heutige bayerische Landtagsabgeordnete Rene Dierkes aus der völkisch-nationalistischen Parteiströmung lobte dies als „richtige Erkenntnis“ und schrieb vom „Erfolgsrezept der Ostverbände“. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Florian Jäger, mittlerweile zur Werteunion gewechselt, schrieb hingegen: „Vertreter der Ost-AfD fabulieren davon, wie toll es wäre, Wagenknecht für die AfD zu gewinnen. Diese Orientierungslosigkeit metastasiert auch in den Westen hinein. Sozialismus hat bei uns keinen Platz.“ Im Februar 2023 nahmen die AfD-internen Diskussionen dann Fahrt auf. Die damalige Linke-Politikerin hatte gemeinsam mit der Publizistin Alice Schwarzer zu einer Friedensdemonstration in Berlin aufgerufen. AfD-Parteichef Tino Chrupalla teilte den Aufruf damals auf Twitter (heute X) und gab bekannt, dass er das „Manifest für den Frieden“ von Wagenknecht und Schwarzer unterzeichnet habe. Wagenknecht sagte dem „Spiegel“: „Herr Chrupalla gehört aus gutem Grund nicht zu den Erstunterzeichnern.“ Auf der Kundgebung sei allerdings „jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden demonstrieren möchte“. In der AfD sorgte die Abgrenzung zu Chrupalla damals für Enttäuschung. Innerhalb der Anhängerschaft flaute die Begeisterung für Wagenknecht in der Folge etwas ab. Weidel und Wagenknecht haben allerdings bis heute eine gemeinsame Fangemeinschaft, die sich eine Zusammenarbeit der beiden Politikerinnen wünscht. Für einige Diskussionen sorgte innerhalb der AfD außerdem, dass der Thüringer Landeschef Björn Höcke Wagenknecht einen Tag vor der Friedensdemonstration in seine Partei einlud. „Ich bitte Sie, kommen Sie zu uns“, sagte er damals in einer Rede. WELT hat Einsicht in eine Diskussion, die zahlreiche Mitglieder damals in einem sozialen Netzwerk führten. Ein früheres Landesvorstandsmitglied aus Sachsen-Anhalt nannte Höckes Einladung etwa „taktisch klug“; ein Hamburger Kommunalpolitiker sprach von einer „Win-win-Situation“ für seine Partei. Der frühere Bundestagsabgeordnete Jens Maier widersprach hingegen: „Kommunisten hofiert man nicht, die bekämpft man“, schrieb er damals. AfD-Parteivize Peter Boehringer nahm ebenfalls eine kritische Position ein. „Es ist SEHR (zu?) taktisch gespielt“, schrieb er am Tag der Friedensdemonstration (Hervorhebungen im Original). „In der SACHE ist es auch heikel, weil dadurch natürlich der Friedenswunsch und die Demo voll parteipolitisiert werden. Also: Hart am Wind. Ich hätte es nicht so gesagt. Da es langfristig gegen uns verwendet werden kann: ‚AfD als letztlich sozialistische Partei‘, auch wenn es Björn so natürlich nicht meinte.“ Wagenknecht könne der AfD aber helfen, schrieb der Bundestagsabgeordnete damals weiter. Sie erweitere „das Sagbare“ und gebe „den richtigen Themen mehr Verbreitung als wir alleine generieren könnten“. Man könne sie „zwangsumarmen“. „Da stimmt doch was nicht“ Nach der BSW-Gründung in diesem Jahr wurde intern etwa aus Höckes Thüringer Landesvorstand gewarnt, „zu früh den Stab über Wagenknecht zu brechen“. Die BSW-Chefin spreche eine „gewisse Stimmungslage“ an, die vor allem der Linkspartei schade, hieß es damals. Später kündigte Höcke dann allerdings einen „harten Anti-BSW-Wahlkampf“ an: Wagenknecht produziere „nur dünne Suppe“ und gehe es um „Befriedigung ihres Machttriebes“. Das BSW gab früh das Ziel vor, die AfD schwächen zu wollen. Die Thüringer BSW-Chefin Wolf begründete ihren Übertritt aus der Linken in die Wagenknecht-Partei mit dem Ziel, einen Ministerpräsidenten Höcke verhindern zu wollen. Tatsächlich wanderten dann bei der Europawahl und den Landtagswahlen allerdings deutlich mehr Wähler von SPD, Linke und Union zum BSW als von der AfD. In der Parteispitze hatte es zuvor unterschiedliche Einschätzungen zum BSW gegeben. Während Weidel vor der „Beinfreiheit“ Wagenknechts warnte, wies Chrupalla auf das fehlende Personal der neuen Partei hin. Seine Devise: Wagenknecht in Ruhe lassen. Weidel gab intern und später öffentlich das Wording vor, dass das BSW ein „Steigbügelhalter“ für die Regierung sei und die Opposition spalte. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland dokumentierte dann im Brandenburger Landtagswahlkampf eine Aussage Weidels im Stil einer Verschwörungserzählung. Mit Bezug auf das BSW sagte sie Mitte September in Forst: „Wir haben in der Geschichte schon sehr oft gesehen, dass zur Ausschaltung der Opposition die Regierung sich ihre eigene Opposition schafft.“ Zum schnellen Aufbau der neuen Partei raunte sie: „Da stimmt doch was nicht.“ WELT TV überträgt am Mittwoch, dem 9. Oktober, um 18 Uhr live das , moderiert von WELT-TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard. Zu sehen auf WELT TV, im Livestream auf WELT.de sowie im Anschluss in der Mediathek & TV-App. Politikredakteur Kevin Culina ist bei WELT zuständig für die Berichterstattung über das Bündnis Sahra Wagenknecht und die Linkspartei. Er berichtet zudem regelmäßig über Antisemitismus und jüdisches Leben. Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen.