Friday, October 25, 2024

Angela Merkel: »The Economist« gibt Ex-Kanzlerin Mitschuld an einem Abstieg Deutschlands und der EU

DER SPIEGEL Angela Merkel: »The Economist« gibt Ex-Kanzlerin Mitschuld an einem Abstieg Deutschlands und der EU 36 Minuten • 2 Minuten Lesezeit Noch vor dem Erscheinen der Memoiren von Angela Merkel fällt der »Economist« ein scharfes Urteil: Nach ihrer Kanzlerschaft sei Deutschland einmal mehr der wirtschaftlich »kranke Mann Europas«. Ende November stellt Ex-Kanzlerin Angela Merkel ihr neues Buch »Freiheit. Erinnerungen 1954–2021« vor. Für das Magazin »The Economist« mit Sitz in London steht schon vorher fest, dass der Tonfall der Memoiren »eher defensiv« ausfallen muss. Denn: Merkels Kanzlerschaft mit »16 Jahren des Durchwurstelns ohne Reformen« hätten Deutschland »einmal mehr zum wirtschaftlich kranken Mann Europas« gemacht. So heißt es in einer neuen »Charlemagne«-Kolumne. Als »kranken Mann Europas« betitelte das Wirtschaftsleitmedium Deutschland bereits vor 25 Jahren. Zwar kam es in den Jahren danach auch zu versöhnlichen Einschätzungen. In einem Deutschland-Spezial über die Rolle als Wirtschaftsmacht in Europa setzte das Magazin im Jahr 2013 gar große Hoffnungen auf einen erneuten Wahlsieg Merkels. »Iron Frau« Doch das Fazit von Merkels Amtszeit fällt nun drastisch aus. Demnach erinnere jeder Monat, der vergehe, daran, wie ihre Regentschaft Deutschland in den Abgrund gestürzt habe. Nahezu jede Entscheidung der »Iron Frau« – der »eisernen Frau« – habe dazu geführt, dass es Deutschland und oft auch der Europäischen Union schlechter gehe. Neben dem schlechten wirtschaftlichen Zustand – wie etwa durch chronisch unzureichende Investitionen im öffentlichen Sektor – habe Merkel Deutschland geopolitisch drei gefährliche Abhängigkeiten hinterlassen. Das Land sei erstens ohne die USA nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Zweitens habe Deutschland Schwierigkeiten, ohne Exporte nach China zu wachsen. Und drittens sei es von russischem Gas abhängig, um seine Industrie am Laufen zu halten. Merkel habe Russlands Präsidenten Wladimir Putin in ihrer Amtszeit regelmäßig zu Gesprächen getroffen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe Deutschlands »mangelnde Vorbereitung« dann einmal mehr gezeigt. Auch habe Merkel Schuld auf sich geladen, was den Demokratiezerfall in einigen Ländern der Europäischen Union angehe, wie zum Beispiel in Ungarn. Deutschland habe von Geschäften mit Budapest profitiert – und Merkel habe den »aufstrebenden Autokraten« Viktor Orbán »aus Bequemlichkeit« vor Kritik geschützt. Außerdem habe ihre »Freundlichkeit« gegenüber Geflüchteten im Jahr 2015 – »obwohl lobenswert« – zu einer politischen Gegenreaktion geführt, die den Aufstieg der extremen Rechten in Deutschland und auch anderswo begünstigt habe. Der Text wirft Merkel dabei in erster Linie eines vor: »Merkeln«, das vermeintliche Aussitzen von Krisen, eine oftmals monatelange Untätigkeit. Abschließend heißt es: »Frau Merkel hat Deutschland wie in einer Scheinwelt geführt und es in ein langes geopolitisches und wirtschaftliches Nickerchen versetzt, aus dem es erst wieder erwachen muss.«