Friday, March 28, 2025
Bolsonaro vor Gericht: Brasilien schafft das, woran die U.S. gescheitert sind
Tagesspiegel
Bolsonaro vor Gericht: Brasilien schafft das, woran die U.S. gescheitert sind
Laura Dahmer • 15 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Dem rechtsextremen Jair Bolsonaro wird der Prozess gemacht, weil er einen Putsch geplant haben soll. Das entschlossene Vorgehen der brasilianischen Justiz sollte ein Vorbild sein.
Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro muss sich vor Gericht verantworten. Die Anklagepunkte: versuchter Staatsstreich und Planung eines Mordattentats.
Der Blick in Richtung USA verbreitet täglich Weltuntergangsstimmung. Gemeinsam mit Tech-Milliardär Elon Musk legt Präsident Donald Trump die Kettensäge an die demokratischen Institutionen des Landes an.
Immer wieder versucht die US-Justiz, seiner Willkür Einhalt zu gebieten. Doch Trump greift den Rechtsstaat zunehmend an.
Seine Regierung droht Richtern mit Amtsenthebungen, ignoriert richterliche Verfügungen. Schon vor seiner zweiten Amtszeit gab es gegen Trump Anklagen, Verfahren und sogar ein Gerichtsurteil. Doch geschadet hat ihm das alles nicht.
Der staatsgefährdende Krawallmacher hat sich durchgesetzt, konnte sich einer Strafe entziehen. An dieser Stelle lohnt ein Blick nach Brasilien. Dort scheint die Justiz das zu schaffen, was der US-amerikanischen bislang nicht gelingt.
Der Oberste Gerichtshof des Landes leitet einen Prozess gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro ein – wegen Beteiligung an einem Putschversuch und an Mordplänen gegen den amtierenden Präsidenten Lula da Silva. Dem ehemaligen Staatschef könnte das tatsächlich gefährlich werden.
Bolsonaro als „Tropen-Trump“
Bolsonaro und Trump haben einiges gemeinsam. Sie sind Populisten, sie sind rechtsextrem und sie haben ein autokratisches Staatsverständnis. Die beiden sind Brüder im Geiste, ihre Anhängerschaft vergöttert sie wie einen Messias. Der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon nannte Brasiliens Ex-Präsident nicht ohne Grund „Tropen-Trump“.
Ebenso wie Trump wollte Bolsonaro seine Wahlniederlage gegen Lula da Silva 2022 nicht eingestehen. Ebenso wie Trump hetzte er seine Anhänger gegen die demokratischen Institutionen ihres Landes auf. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington, am 8. Januar 2023, stürmten die „Bolsonaristas“ das Regierungsviertel der Hauptstadt Brasilia.
Ebenso wie Trump will auch Bolsonaro bis heute keine Verantwortung dafür tragen. Aber die brasilianische Justiz tut ihm diesen Gefallen nicht. Eine Verurteilung ist denkbar, Bolsonaro könnte sogar ins Gefängnis kommen. Die brasilianische Demokratie beweist in diesen Tagen ihre Stärke.
Dabei ist es nicht nur die Justiz, die Brasilien von den USA unterscheidet. Bereits am Tag nach dem Sturm auf das Regierungsviertel in Brasilia betraten Politiker aus dem ganzen Land gemeinsam mit Präsident Lula und der Präsidentin des Verfassungsgerichts ebenjenen Platz, den die Bolsonaristas am Tag zuvor gestürmt hatten.
Brasilien zeigt, wie man autokratischen Tendenzen mit demokratischen Mitteln Einhalt gebietet – zur Nachahmung empfohlen.
Sie wollten ein Signal senden: Ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit, ungeachtet der Polarisierung im Land, würden sie gemeinsam die Demokratie verteidigen. Bis heute wird diesem Tag als Mahnung gedacht. Ein Signal, das man aus den USA, damals wie heute, vermisst.
Bolsonaro kann bis 2030 nicht zur Wahl antreten
Vielleicht haben die Brasilianer auch aus den Fehlern der USA gelernt. Gerichte schlossen Bolsonaro bereits 2023 für sieben Jahre von allen politischen Ämtern aus, wegen Amtsmissbrauch.
Er hatte sich nach den Wahlen, noch als Präsident, mit ausländischen Diplomaten getroffen, um Zweifel an dem brasilianischen Wahlsystem zu sähen – und dieses Treffen live im Fernsehen übertragen lassen.
Unabhängig davon, wann und wie das Gerichtsurteil über den versuchten Putsch ausfällt, heißt das: Bolsonaro wird bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im Oktober 2026 nicht antreten können. Das ist auch gut so. Denn ein Präsident, der die eigene Demokratie missachtet, sollte nicht weiter ungehindert agieren können.
Die USA hatten die gleiche Chance. Ein Verfassungszusatz verbietet es Menschen, die an einem Aufstand beteiligt waren, öffentliche Ämter zu bekleiden. Aber um das zu verfügen, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Kongress.
In den USA gibt es diese Mehrheit nicht. Weil die Republikaner sich nicht für den Schutz ihrer Demokratie entschieden haben, sondern für Trump. So konnte er wieder antreten – mit den Folgen, die wir nun alle spüren.
Die älteste Demokratie der Welt, die USA, kann von der vergleichsweise jungen Demokratie, Brasilien, die sich erst 1985 von ihrer letzten Militärdiktatur befreien konnte, noch einiges lernen.
Denn das Land zeigt, wie man autokratischen Tendenzen mit demokratischen Mitteln Einhalt gebietet – zur Nachahmung empfohlen.