Sunday, January 14, 2024

Steinmeier und Merz: Moralpredigt und Frontalangriff auf die Ampel

Berliner Kurier Steinmeier und Merz: Moralpredigt und Frontalangriff auf die Ampel Artikel von BK/dpa • 4 Std. Bundeskanzler Olaf Scholz stützt den Kopf, legt die Stirn in Falten. Ob das bei all dem Gegenwind reicht? Grauenvolle Umfrage-Zeiten für die deutsche Regierung. Nur 17 Prozent der Menschen sind mit der Arbeit der Ampel noch zufrieden, 76 Prozent nicht. Das ist der schlechteste Wert seit Amtsantritt im Dezember 2021 und die klare Botschaft: Setzen sechs. Das haben Frank-Walter Steinmeier und die CDU auch gehört. Der Bundespräsident wäscht der Regierung den Kopf, die CDU startet den Frontalangriff aufs Kanzleramt. „Die vielen aufeinanderfolgenden Krisen schaffen Verunsicherung. Klar ist aber auch: Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind oder von internem Streit, der nach außen dringt, überlagert werden. Die Regierung muss ein Interesse daran haben, das zu verbessern“, sagte das Staatsoberhaupt. Die Debatten in Deutschland seien hitziger geworden und es gebe eine wachsende Akzeptanz populistischer Positionen, die das Regieren schwerer machten, räumte Steinmeier ein. „Das löst Unruhe aus, auch bei den politischen Verantwortlichen. Umso wichtiger ist es, die Kraft zur Zusammenarbeit zu finden.“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier liest der Regierung die Leviten. Der Bundespräsident betonte: „Die Bürger haben die Erwartung, dass die Verantwortlichen in den Parlamenten erkennen, wenn es wirklich ums Ganze geht.“ Es habe in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Situationen gegeben, wo Regierung und Opposition auch nach schärfsten Auseinandersetzungen zusammengekommen seien – etwa bei den Fragen der Westbindung, der Ostverträge oder beim Asylkompromiss 1993. „Ich hoffe, dass das auch jetzt nicht ausgeschlossen ist.“ CDU-Chef Friedrich Merz beklagt seit langem, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf Angebote zur Zusammenarbeit etwa für einen parteiübergreifenden Kompromiss zur Begrenzung der ungeordneten Zuwanderung nach Deutschland nicht eingehe. Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten monieren, dass das Verhältnis zwischen Bund und Ländern so schlecht sei wie seit langem nicht mehr. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt kritisiert: „Die Ampel in Berlin wirkt als Brandbeschleuniger für den Protest und für die Sorgen der Menschen.“ Auf der Klausur des CDU-Bundesvorstandes in Heidelberg signalisierte Merz erneut Bereitschaft zur Zusammenarbeit, was die Ampel mit ihrem Umgang aber außergewöhnlich schwer mache. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schlug eine „Allianz der Mitte“ und ein baldiges Treffen von Scholz mit den Länderchefs vor, um über die Migrationspolitik zu sprechen. Oppositions-Chef Friedrich Merz startet mit seiner CDU den Frontalangriff auf das Kanzleramt. Bei aller Kooperationsbereitschaft – schließlich sind die Bundestagswahlen erst im September 2025 – bereitet sich Merz auf eben jene bereits akribisch vor und positioniert die CDU ganz klar. Die CDU zieht mit einer Kampfansage an die AfD ins wichtige Wahljahr 2024 und will mit einem erneuerten Programm wieder Regierungspartei werden. Merz: „Wir werden in diese Wahlen gehen mit einer sehr klaren, sehr harten Auseinandersetzung insbesondere gegen die AfD.“ Er rief auch SPD, Grüne und FDP dazu auf, den „politischen Meinungskampf“ gegen die AfD zu intensivieren. Merz grenzte die CDU zugleich scharf gegen die konservative Gruppe der Werteunion und jegliche Verbindungen zu einem Treffen rechter Aktivisten in Potsdam ab. Angesichts der aufgewühlten Stimmung und hoher Umfragewerte der AfD ist der CDU die Brisanz des Wahljahres bewusst – erst am 9. Juni die bundesweite Europawahl und dann im September die drei Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. „Alle demokratischen Parteien der politischen Mitte haben die Aufgabe, sich mit dieser Partei jetzt sehr hart auseinanderzusetzen“, sagte Merz mit Blick auf die AfD. Das sei kein spezifisch ostdeutsches, sondern ein gesamtdeutsches Thema. Stellen will die CDU die AfD etwa in der Europapolitik, bei ihrer Nähe zu Russland und Wirtschaftsthemen. Er höre, viele Mittelständler und Handwerker hätten Sympathien für die AfD, sagte Merz. Denen werde man sagen: „Schaut bitte genau hin, wen Ihr da möglicherweise wählt. Das ist keine Partei, die dieses Land wirtschaftlich voranbringt.“ Bundeskanzler Olaf Scholz räumte Verbesserungsbedarf beim Erscheinungsbild der Koalition aus SPD, Grünen und FDP ein. „Auch innerhalb der Regierung lief es nicht immer so, wie ich es für richtig halte. Da müssen wir in diesem Jahr besser werden“, sagte der SPD-Politiker in der Video-Botschaft „Kanzler kompakt“. Er mahnte zugleich Kompromissfähigkeit an. „Demokratie lebt vom Kompromiss.“ In der Sonntagsfrage kommt die SPD nur auf 15 Prozent (-1), die Union wäre mit 30 Prozent doppelt so stark. Grüne (12 Prozent) und FDP (5 Prozent) verharren bei ihren Werten. Die AfD verliert einen Punkt auf 22 Prozent, Linke (4 Prozent) und Freie Wähler (3 Prozent) würden den Einzug in den Bundestag verfehlen.