Monday, January 29, 2024
Große Haushaltsdebatte im Bundestag: Jetzt gilt’s für die Ampel
Tagesspiegel
Große Haushaltsdebatte im Bundestag: Jetzt gilt’s für die Ampel
Artikel von Albert Funk •
1 Std.
Für die Ampelkoalition beginnt nach der verfahrenen Etataufstellung für 2024 die entscheidende Phase. Geht noch was – oder war’s das?
Drei Parteien haben vor gut zwei Jahren die neue Bundesregierung gebildet. Zwei sind damals nach Jahren der Opposition neu in die Verantwortung gekommen. Eine hatte seit 1998 fast durchgehend regiert. Zwei zeigten ungestümen Veränderungsdrang (in verschiedene Richtungen). Die dritte wirkte ein wenig ausgelaugt und hat seither nicht viel an Frische gewonnen. Die Ampel war vom Start kein einfaches Projekt.
Die SPD durfte sich in der neuen Konstellation natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, und das Fett der SPD ist nun einmal die Sozialpolitik.
Die Grünen wollten nach 16 Jahren Regierungsferne der Gesellschaft so viel klimapolitisches Grünzeug auf den Teller legen wie nur möglich – wer weiß schon, wie lange man regiert.
Dick werden oder Magerkur?
Die FDP wiederum will nach den Jahren des Überflusses (erst Überschüsse im Etat, dann krisenbedingte Schuldenvermehrung) den Haushalt auf Diät setzen.
Daher stellte sich stets die Frage, wie das neue Bündnis wohl haushaltspolitisch klappen kann. Einerseits Gewicht halten (SPD), andererseits Masse zulegen (Grüne), gleichzeitig aber eine Magerkur beginnen (FDP) – eigentlich eine Unmöglichkeit. Der Kompromiss war, ein üppiges Geldpolster durch das Verlängern von Pandemie-Kreditermächtigungen anzulegen, gleichzeitig aber die Schuldenbremse zügig wieder einzuhalten.
Dummerweise hat das Verfassungsgericht nicht mitgemacht. Das haushaltspolitische Überlebensmodell der Ampel ist im November gescheitert. Wobei nach dem ersten Schock immerhin deutlich wurde, dass die Koalition zumindest für 2023 und 2024 mit einem dicken blauen Auge davongekommen ist. Es war und ist genügend Geld vorhanden, um einigermaßen durchzukommen. Erst der Etat 2025, dessen Vorbereitung gerade beginnt, wird richtig schwierig werden.
Etatkritik wäre nötig
Was bedeutet das nun für die Arbeitsteilung in der Koalition? Wenn man davon ausgeht, dass eine Reform der Schuldenbremse angesichts der Zurückhaltung der Union allenfalls sehr moderat ausfallen dürfte, also nicht die großen Summen liefern wird, dann ist es die FDP, deren Ansatz gerade am meisten verspricht.
Die Regierung müsste eigentlich die nächsten Monate nutzen, um über eine nie dagewesene Etatkritik quer durch alle Ressorts deutlich abzuspecken. Nur so haben SPD und Grüne die Möglichkeit, sozialpolitisch und klimapolitisch noch Akzente zu setzen. Nur so lassen sich die Nahtod-Ängste der Freien Demokraten abbauen, die zu unberechenbarem Verhalten führen können. Und nur so ließe sich genügend Druck aufbauen, um die Union in eine zumindest kleine Reform der Schuldenregel im Grundgesetz zu zwingen.
Das anzugehen, müsste also die Aufgabe des Jahres sein. Aber ist das realistisch? Die Koalition muss nach den aktuellen Umfragen befürchten, im kommenden Jahr abgewählt zu werden. Es kann zu einem Vierparteienparlament kommen, mit Fraktionen der Union, AfD, SPD und Grünen. Der CDU/CSU fällt das Kanzleramt zu, sie kann sich zwischen Sozialdemokraten und Grünen entscheiden. Kämpft sich die FDP doch wieder über die Fünfprozentmarke, kann es sein, dass sie für ein von der Union geführtes Dreierbündnis gebraucht wird.
Gut möglich also, dass die Ampel-Parteien ihr Heil jetzt erst recht darin suchen, als möglichst eigenständig wahrgenommen zu werden. Je stärker das der Fall ist, desto mehr wird sich der Eindruck einer Mesalliance verfestigen. Das hilft allerdings nicht so sehr der AfD, es wird vielmehr der Union immer mehr Wählerinnen und Wähler zutreiben.
Die Haushaltspolitik der vergangenen beiden Jahre lässt sich nicht fortsetzen. Das Vorhaben, die Divergenzen der Ansätze über eine Verschuldung auf Vorrat vier Jahre lang überbrücken zu können, ist nicht mehr zu retten. Ein Neustart wäre also nötig. In der Abschlussberatung des verspäteten Haushalts für 2024 im Plenum des Bundestags in dieser Woche, gipfelnd in der Kanzlerdebatte am Mittwoch, wird sich zeigen, was die Ampel noch draufhat.
Mit diesem viertägigen Redemarathon wird der Wahlkampf für 2025 eröffnet. Können SPD, Grüne und FDP sich als funktionierendes Bündnis beweisen? Oder zerfällt die Ampel vor aller Augen, weil sie eine gemeinsame Zukunft nicht mehr darstellen kann? Allein auf den etwas blutleeren Auftritt der Union als führender Oppositionskraft abzuheben, wird der Koalition nicht reichen. An diesem Dienstag um 10 Uhr beginnt der vielleicht spannendste parlamentarische Schlagabtausch in dieser Wahlperiode.