Monday, January 1, 2024

Knappe Mehrheit bei FDP-Mitgliederbefragung für Verbleib in der Ampel

WELT Knappe Mehrheit bei FDP-Mitgliederbefragung für Verbleib in der Ampel 12 Min. Bis 13 Uhr am Neujahrstag konnten die FDP-Mitglieder an der Befragung zum Verbleib ihrer Partei in der Ampel-Koalition abstimmen. Das Ergebnis fiel sehr knapp aus, die Beteiligung war relativ gering. Während Wolfgang Kubicki zufrieden ist, drängt einer der Initiatoren weiter auf einen neuen Parteikurs. Aufatmen in der FDP-Führung: Bei der Mitgliederbefragung hat sich eine Mehrheit für den Verbleib in der Koalition mit SPD und Grünen ausgesprochen. 52,24 Prozent der Abstimmenden plädierten dafür, die Regierungsarbeit fortzusetzen, 47,76 Prozent wollten die Koalition beenden, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Parteikreisen erfuhr. An der Befragung, die bis 13 Uhr lief, beteiligten sich demnach allerdings nur 26.058 der rund 72.100 FDP-Mitglieder – also nur etwas mehr als jedes dritte. Das Mitgliedervotum hat keine praktischen Folgen. Denn in der Satzung steht: „Die Organe der Partei sind in ihrer Willensbildung nicht an das Ergebnis der Mitgliederbefragung gebunden.“ Das Ergebnis gilt aber als wichtiges Stimmungsbild. Hätte es eine Mehrheit für ein Verlassen der Ampel gegeben, hätte dies die innerparteiliche Diskussion angeheizt und die Parteiführung unter Druck gesetzt. Für die Ampel-Koalition hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit neue Turbulenzen bedeutet. Das relativ niedrige Interesse der FDP-Basis an der gestellten Frage – eine Beteiligung an der Befragung von rund 36 Prozent – und das Ergebnis stärken nun auch den Parteivorsitzenden Christian Lindner. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat sich zufrieden mit dem Ausgang der Mitgliederbefragung gezeigt. „Es ist ein gutes Ergebnis, denn es zeigt sowohl den Willen zum Verbleib in der Ampel als auch den Veränderungswillen. Ich bin froh und dankbar, dass eine solche Befragung in meiner Partei möglich ist“, sagte Kubicki. „Dieses Ergebnis gibt uns Rückenstärkung für einen selbstbewussten Kurs innerhalb und mit der Ampel. Jetzt muss es darum gehen, alles dafür zu tun, die Freien Demokraten so stark zu machen, dass wir mit breiter Brust 2025 wieder in die Bundestagswahl gehen können. Das geht nur gemeinsam.“ Einer der Initiatoren der Mitgliederbefragung, Matthias Nölke, drängt hingegen weiter auf einen neuen Kurs der Liberalen. „Das Ergebnis ist ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit in der Partei“, sagte der Kasseler FDP-Kreisvorsitzende. Die Parteiführung müsse dies bei ihrem künftigen Agieren in der Ampelregierung berücksichtigen. „Ich respektiere natürlich das Ergebnis durch diese demokratische Entscheidung“, betonte Nölke. Er werde es nutzen, um sich auch zukünftig für eine bessere Politik innerhalb der FDP und der Koalition einzusetzen, „damit wir Glaubwürdigkeit und Wählerstimmen zurückgewinnen können und es auch nach (der Bundestagswahl) 2025 noch eine FDP im Deutschen Bundestag gibt.“ Initiative für Mitgliedervotum folgte auf offenen Brief von der Basis Der FDP-Bundesvorstand hatte die Befragung am 18. Dezember gestartet, nachdem 598 Mitglieder dies beantragt hatten. Zwei Wochen lang konnten sich die Mitglieder online daran beteiligen. Die Fragestellung lautete: „Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?“ Geantwortet werden konnte mit „Ja“ oder „Nein“. Nach der Satzung der FDP ist eine Befragung unter anderem dann durchzuführen, wenn 500 Mitglieder dies beantragen. Geschehen kann das durch geheime Briefabstimmung, eine dezentrale Präsenzwahl, eine Online-Abstimmung oder durch eine Kombination der drei Verfahren. In diesem Fall entschied sich die Parteispitze für das Online-Verfahren. Teilnehmen konnten nur Mitglieder, die mit einer E-Mail-Adresse im Mitgliederverzeichnis verzeichnet sind. Die Initiative für das Mitgliedervotum folgte auf einen offenen Brief von 26 Landes- und Kommunalpolitikern der FDP. Sie hatten nach den schlechten Wahlergebnissen in Hessen und Bayern gefordert, die FDP müsse ihre Koalitionspartner überdenken. In Bayern hatte die FDP im vergangenen Oktober den Einzug in den Landtag verpasst. In Hessen schaffte sie es nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. Zuvor hatte die FDP seit dem Eintreten in die Ampel-Koalition bei fünf weiteren Landtagswahlen Misserfolge eingefahren. Bei Wahlen in Berlin, Niedersachsen und im Saarland scheiterte sie ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen blieb sie im Landtag, flog aber aus der Regierung. Die Beteiligung an der Ampel-Koalition im Bund war in Teilen der Partei von Anfang an umstritten. Auch das Wahljahr 2024 verspricht für die FDP schwer zu werden. Die Umfragen für die drei Landtagswahlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sehen die Liberalen bei drei bis fünf Prozent. Sie sind allerdings schon mehrere Wochen alt. In Sachsen und Brandenburg sitzt die FDP schon jetzt nicht im Landtag. Für die Europawahl im Juni gibt es noch keine nationalen Umfragen – 2019 hatte die FDP nicht gerade berauschende 5,4 Prozent geholt. FDP-Chef Lindner hatte sich zum Mitgliedervotum betont gelassen gezeigt. Es stresse ihn nicht, sagte er. „Denn es ist eine Gelegenheit, deutlich zu machen, dass die FDP die Richtung der Regierung mitprägt.“