Wednesday, August 9, 2023

Die Grünen haben keinen Wirtschaftsplan – nur Floskeln

Berliner Zeitung Die Grünen haben keinen Wirtschaftsplan – nur Floskeln Artikel von Liudmila Kotlyarova • 1 Std. Es gehe darum, Deutschlands wirtschaftliches Fundament zu verteidigen, sagt die Grünen-Chefin Ricarda Lang. Aber wie? Wenn die Grünen-Chefin Ricarda Lang keine Politikerin wäre, wäre sie am liebsten Wissenschaftlerin geworden, sagte die 29-Jährige kürzlich im ARD-Sommerinterview. Für diesen Job braucht man allerdings zumindest ein abgeschlossenes Studium, für die große Politik offensichtlich nicht. Die hohen Erwartungen an ihre Person sind im Zusammenhang mit ihrer politischen Rolle jedoch verständlich: Auch wenn Lang nicht Wirtschaft studiert hat, müsste sie als Parteichefin schon Ahnung von der Wirtschaft haben, um dem Ehrgeiz ihrer Partei Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Man muss den Menschen dieses Landes vermitteln können, man habe für die Energiewende nicht nur ambitiöse Ziele, sondern auch ein groß angelegtes funktionierendes Konzept und für die reale Wirtschaft dieses Landes einen konkreten Plan, der Zuversicht schafft und nicht in abstrakten Formulierungen und Plattitüden versinkt. Sonst verliert man schnell den Anschluss sogar an die eigenen Wähler. Doch was Ricarda Lang den Menschen in Deutschland anbietet, sieht leider nicht wie ein Plan aus. Ganz im Gegenteil: Sie versteckt sich hinter einstudierten Floskeln, die an ihrer Oberflächlichkeit nicht zu überbieten sind. „Dass Deutschlands Wirtschaftswachstum ins Stocken gerät, während es woanders wieder bergauf geht, darf uns alle nicht kaltlassen“, sagt Lang im letzten Interview mit der Bild am Sonntag. Nicht kaltlassen? Die Industrie alarmiert und warnt schon seit vielen Monaten vor einer möglichen Abwanderung ins Ausland wegen der fragwürdigen Standort- und Energiepolitik der alten und der neuen Bundesregierung. Es geht hier längst um mehr als nur eine Warnung vor Teilnahmslosigkeit. „Wir brauchen eine Investitionsagenda für Deutschland, damit Deutschland weiterhin eine Top-Adresse für die Wirtschaft bleibt“, sagt Lang weiter – ohne etwas konkreter zu erläutern, wie diese Investitionsagenda aussehen könnte. Gefragt nach den Maßnahmen gegen die befürchtete Abwanderung, schlägt sie den Industriestrompreis für die energieintensiven Unternehmen vor, was richtig und wichtig ist, – macht aber keine Vorschläge, wie man den Strompreis über die Staatsausgaben hinaus nachhaltig senken könnte. In ihrer Vorstellung wird es nur „noch ein paar Jahre“ dauern, bis der Strompreis automatisch günstig wird, weil wir eben die erneuerbaren Energien „mit Tempo ausbauen“. Sie lässt dabei sowohl die Struktur der Energiemärkte mit deren Merit-Order außer Acht, wodurch sogar Länder mit deutlich mehr Windkraft wie Dänemark im letzten Jahr einen der höchsten Strompreise hatten, noch die Tatsache, dass die Bundesregierung aktuell die Ziele beim Windradausbau deutlich verfehlt. In der Welt einer Ricarda Lang wird alles zügig gemacht, weil die Grünen es so wollen. Auch Robert Habeck hat sich bisher eher als Klimaschutzminister präsentiert. Der Wirtschaftsminister in ihm hat sich dagegen in den Schatten gestellt. Den Industriestrompreis kann er gegen den SPD-Kanzler Olaf Scholz und den FDP-Finanzminister Christian Lindner nicht durchsetzen, aber auch das neue Gebäudeenergiegesetz wollte er bis zur Sommerpause ohne den wichtigsten sozialwirtschaftlichen Bestandteil durchwinken lassen. Es sei immer noch kein Förderkonzept präsentiert worden, kritisierte etwa der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Kein Wunder, dass das Bundesverfassungsgericht das umstrittene Verfahren stoppte und das Gesetz noch nicht verabschiedet werden durfte. Habeck lernt zwar schnell, zeigt sich auf seiner Sommerreise am Wohlbefinden der großen Player sowie der kleinen und mittelständischen Unternehmen interessiert, doch was kann er wirklich unternehmen, damit die systemrelevanten Betriebe in Deutschland weder schließen noch pleitegehen müssten? Omid Nouripour, der mit Ricarda Lang bei den Bundesgrünen den Chefsessel teilt, will nach eigenen Worten in der zweiten Jahreshälfte einen Fokus auf ökonomische Fragen legen. Werden die Grünen dann endlich ihren Rettungsplan für die Wirtschaft vorlegen? Unter den Sammelbegriff „die Grünen“ fallen allerdings nicht nur die Politiker der Regierungspartei, sondern auch viele Klimaschutzbewegungen, die ihre ehrgeizigen Ziele und Wünsche bisher nicht mit einem klaren Plan versehen und diesen nicht ordentlich kommunizieren konnten. Siehe den gescheiterten Volksentscheid über ein klimaneutrales Berlin bis 2030 im März dieses Jahres: Sofort machte die Sprecherin von Fridays for Future, Luisa Neubauer, die ungenannten Gegner der Initiative für deren Scheitern verantwortlich. Es gebe Kräfte in dieser Stadt, beschwerte sich Neubauer, die würden alles dafür geben, noch den letzten Funken Klimazerstörung rauszuholen. Eine gute Ablenkung von der eigenen Panne eigentlich. Die Verfechter der schnellen Klimaneutralität für Berlin sollten nicht nur einfach ein Ziel formulieren, kritisierte der Berliner Unternehmer und Energieexperte Gabor Beyer, sondern müssten auch ein groß angelegtes Konzept erarbeiten und kommunizieren, wie man schon vor 2045 Klimaneutralität schaffen könnte. Stattdessen verweisen die Aktivisten auf diverse externe Studien, ohne diese zu einem klaren Handlungsplan für die Wirtschaft überarbeitet zu haben. Von der Letzten Generation schweigen wir: Sie wollen nur protestieren, nicht argumentieren. Wenn die Zukunft Deutschlands grün aussehen und die Wirtschaft gedeihen, nicht untergehen sollte, müssten die Grünen gemäß ihren Ansprüchen die besten Wirtschaftsköpfe in ihr Team holen und endlich einen Wirtschaftsplan vorlegen. Bisher haben sie leider keinen, und das ist ein echtes Drama des heutigen und des künftigen Deutschlands. Das bedeutet allerdings nicht, dass Lindner, Merz und andere Konservative einen haben. Aber sie haben den Zeitgeist auch nicht für sich beansprucht und haben daher nicht solch einen starken Leistungsdruck.