Monday, August 21, 2023

„Spielen denen in die Hände, die gegen unsere Demokratie in Deutschland kämpfen“

WELT „Spielen denen in die Hände, die gegen unsere Demokratie in Deutschland kämpfen“ Artikel von Marcel Leubecher • 15 Std. CDU-Politiker Spahn fordert, illegale Zuwanderung durch legale zu ersetzen – und stößt damit links und rechts der Union auf Ablehnung. Abschottung und eine Aufnahme von Kontingenten seien keine Alternative, so die SPD. Die Grünen warnen davor, rassistische Erzählungen salonfähig zu machen. „Spielen denen in die Hände, die gegen unsere Demokratie in Deutschland kämpfen“ In der Ampel-Koalition und in der Linkspartei stößt die Forderung von Jens Spahn (CDU) nach einer Beendigung der Asylmigration über die EU-Außengrenzen auf Ablehnung. Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte WELT: „Nationale Abschottung und ungeregelte Verhältnisse an den EU-Außengrenzen sind, ebenso wie eine Kontingentierung, keine Alternative.“ Eine Kontingentierung des individuellen Rechts auf Asyl sei nicht dazu geeignet, die Herausforderungen der Migration zu lösen. „Auch wenn die Union mit dem Vorschlag erneut um die Ecke kommt, macht es ihn nicht richtiger. Darum machen wir es besser: mit dem pragmatischen Neustart in der europäischen Asylpolitik haben wir erstmals einen gerechten Verteilmechanismus in der ganzen Europäischen Union“. CDU-Präsidiumsmitglied Spahn hatte eine Verhinderung illegaler Einreisen an der EU-Außengrenze samt anschließender Aufnahme großer Migranten-Kontingente gefordert. „Deutschland braucht eine Pause von dieser völlig ungesteuerten Asylmigration“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Die Erfahrung zeige: „Wir können die Zahlen nicht nennenswert über Abschiebungen reduzieren. Daher braucht es ein klares Signal an der EU-Außengrenze: Auf diesem Weg geht es für niemanden weiter.“ Europa könne, sobald der Grenzschutz funktioniere, aber „über Kontingente sicher auch 300.000 bis 500.000 Flüchtlinge im Jahr aufnehmen und verteilen“. Grüne sprechen von populistischen Forderungen Für die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, „kann es keine Lösung sein, Menschenrechte auszusetzen, um Migration zu begrenzen“. Populistische Forderungen verminderten weder Migration noch verbesserten sie die Integration oder beseitigten Fluchtursachen. „Stattdessen machen sie migrationsfeindliche und rassistische Erzählungen von rechts salonfähig und spielen denen in die Hände, die gegen unsere Demokratie in Deutschland kämpfen.“ Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, hält einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen samt dortiger Asylprüfung für erforderlich, „um ein Europa der offenen Binnengrenzen zu bewahren und die Kommunen wieder zu entlasten“. Nach jahrelangem Stillstand sei „auch dank der Bundesregierung wieder Bewegung in die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gekommen“. Clara Bünger, die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte: „Wer Migration vollständig beenden möchte, nimmt in Kauf, dass viele Menschen unter Anwendung von brutaler Gewalt sterben werden. Diese Gewalt, auch in Form illegaler Pushbacks, ist heute schon an den europäischen Außengrenzen zu beobachten und es ist zu befürchten, dass sie durch die aktuelle Politik der Bundesregierung weiter zunehmen wird. Spahn möchte das jetzt noch verschärfen.“ Wer den Eindruck erwecke, alle Geflüchteten seien illegal hier, stärke Desinformationskampagnen von rechts. AfD geht Spahns Forderung nicht weit genug Zustimmung gab es aus Spahns Union. Der innenpolitische Sprecher, Alexander Throm (CDU), sagte WELT: „Deutschland braucht dringend eine Atempause bei der Migration.“ Dazu müssten Stoppsignale an irreguläre Migranten und an die anderen europäischen Länder gesendet werden. „Wir müssen unseren EU-Partnern deutlich machen, dass sie Flüchtlinge lückenlos registrieren müssen und nicht einfach nach Deutschland weiterreisen lassen dürfen. Bis dahin brauchen wir konsequente Binnengrenzkontrollen.“ Auch müsse „die Ampel endlich aufhören, weitere Anreize zu setzen mit hohen Sozialleistungen und neuen Bleiberechten“, so Throm. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sagte, sie unterstütze die Forderung nach einer besseren Sicherung der EU-Außengrenzen. Aber man müsse „bei der Merkel-Partei schon genau hinhören: Spahn fordert nicht ein Ende der illegalen Asylzuwanderung, sondern nur eine ‚Pause‘.“ Die Union wolle „weiter Massenzuwanderung nach Deutschland, nur eben etwas langsamer. Statt bloß einer Pause, brauchen wir einen dauerhaften Stopp und darüber hinaus die konsequente Rückabwicklung der massenhaften illegalen Einwanderung in unser Land.“ Spahns Forderung schließt an ein Konzept an, dass der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), kürzlich präsentierte. Er schlug vor, dass die EU ihre Asylpolitik fundamental reformieren solle. „Aus dem Individualrecht auf Asyl muss eine Institutsgarantie werden. Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen“, schrieb Frei in einem „FAZ“-Gastbeitrag. „Ein solcher Ansatz würde Europa etwas ermöglichen, was es in der Vergangenheit nie in großem Stil gewagt hat: jährlich ein Kontingent von 300.000 oder 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufzunehmen und auf die teilnehmenden Staaten zu verteilen.“ Im laufenden Jahr wurden bis Ende Juli bereits 175.000 Asylerstanträge in Deutschland gestellt, 78 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.