Sunday, October 13, 2024

Wie der millionenfache Renteneintritt der Babyboomer den Wohlstand bedroht

Wie der millionenfache Renteneintritt der Babyboomer den Wohlstand bedroht Artikel von RP ONLINE • 5 Std. • 3 Minuten Lesezeit Berlin . Eine neue Bevölkerungsprognose macht den dramatischen Verlust von Arbeitskräften in den kommenden Jahren deutlich: 19,5 Millionen Babyboomer gehen bis 2036 in Rente, aber nur 12,5 Millionen Jüngere kommen nach. Experten kritisieren auch deshalb das Rentenpaket der Ampel. Der deutsche Arbeitsmarkt wird in den kommenden zwölf Jahren 19,5 Millionen ältere Arbeitnehmer der Babyboomer-Jahrgänge verlieren. Demgegenüber kommen nach einer neuen Bevölkerungsprognose aber nur 12,5 Millionen jüngere Beschäftigte bis 2036 nach. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Trotz des erwarteten Bevölkerungszuwachses bis 2040 um etwa 2,3 Prozent auf 85 Millionen Menschen bleibe die Alterung der Gesellschaft die zentrale sozialpolitische Herausforderung, so die Ökonomen. Gelinge es nicht, das Arbeitskräftepotenzial durch Zuwanderung und Mehrarbeit der Inländer zu steigern, komme es zu Wohlstandsverlusten. „Somit drohen verschärfte Verteilungskonflikte – nicht zuletzt, weil der Anteil der nicht arbeitenden Bevölkerung deutlich zunimmt.“ Bei der Prognose stützt sich das IW auf den Bevölkerungszensus von 2022, Daten des Statistischen Bundesamts und eigene Berechnungen. Als Babyboomer werden Menschen aus den starken Geburtsjahrgängen 1954 bis 1969 bezeichnet. Erst danach führte die Anti-Baby-Pille zu einem Rückgang der Geburten. Ende 2022 hätten bereits etwa 3,1 Millionen Babyboomer das Renteneintrittsalter erreicht, so das IW. Insbesondere in der zweiten Hälfte der 2020-er Jahre beschleunige sich der Renteneintritt. „2036 werden dann alle verbliebenen etwa 16,5 Millionen Babyboomer das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben“, heißt es in der Studie. „Den 19,5 Millionen Babyboomern aus dem Jahr 2022, die bis 2036 vollständig das Renteneintrittsalter erreicht haben oder verstorben sein werden, steht ein Zugang junger Personen zum Arbeitskräftepotenzial im gleichen Zeitraum in Höhe von etwa 12,5 Millionen gegenüber.“ Dadurch entstehe ein weiter wachsender Kostendruck auf die Sozialsysteme. Dies verdeutlichten auch die Jugend- und Altenquotienten. Diese veranschaulichen wie viele junge (unter 15 Jahre) und ältere (mindestens 67 Jahre) Menschen auf 100 Personen im er-werbsfähigen Alter entfallen. „Zwar bleibt der Jugendquotient zwischen 2022 (21,3) und 2040 (21,8) nahezu konstant, der Altenquotient erhöht sich jedoch von 29,5 auf 41,1 Personen“, schreibt das Institut. Die Regierung habe zwar das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eingeführt, es entfalte aber bisher nicht die erhofften Wirkungen. „Probleme bestehen etwa bei überlangen Wartezeiten für die Vergabe von Visa, bei der zügigen Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse oder der Überlastung von Ausländerbehörden“, so das IW. Weitgehend ungeklärt sei die Frage, wer für die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland verantwortlich sei. „Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind damit überfordert.“ In Osteuropa nehme der Wille nach Deutschland zu ziehen zudem ab, weil auch dort Fachkräfte fehlten. „Fluchtmigration im Kontext von Krisen und Kriegen kann keine tragende Säule einer Zuwanderungsstrategie sein“, zumal die Integration hier schwerer sei, warnt das Institut. Zudem müssten im Inland alle Potenziale gehoben werden. „Ein internationaler Vergleich zeigt, dass in Deutschland vor allem Potenzial bei der Verlängerung der Arbeitszeit besteht“, so das IW. Das Institut bezweifelt jedoch, dass es gelingen würde, in Deutschland die Arbeitszeit auszuweiten. „Erstens haben Arbeitnehmer überwiegend einen Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten und im Lichte zunehmender Arbeitskräfteknappheiten auch die Verhandlungsmacht, um dieses Interesse durchzusetzen.“ Zweitens brauche die Veränderung Zeit, die nicht mehr zur Verfügung stehe. SPD und Grüne wollen jedoch ungeachtet der demografisch bedingten starken Zunahme der Sozialkosten das Rentenpaket II unverändert umsetzen. Durch Festschreibung der Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 verspricht das Paket den über 21 Millionen Rentnern höhere Leistungen. Ökonomen, Arbeitgeber und der Bundesrechnungshof kritisieren in ihren Stellungnahmen für eine Expertenanhörung an diesem Montag im Bundestag vor allem die Überforderung jüngerer Generationen durch das Rentenpaket. Ein Teil der FDP-Bundestagsfraktion teilt diese Kritik und will noch Änderungen durchsetzen. Es wird spekuliert, ob die Ampelkoalition an dieser Frage platzt. Die Haltelinie von 48 Prozent „sollte auf die weniger Verdienenden fokussiert werden, während für die Besserverdienenden, die oft Betriebsrenten erhalten und die es sich erlauben können, eine private Altersvorsorge aufzubauen, der Nachhaltigkeitsfaktor auch in Zukunft für eine generationengerechte Lastenverteilung sorgen sollte“, schlägt der Münchner Rentenexperte Axel Börsch-Supan in seiner Stellungnahme für die Anhörung vor.