Wednesday, May 3, 2023
Kommentar zu Boris Palmer: Auch für die Grünen tragisch
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Kommentar zu Boris Palmer: Auch für die Grünen tragisch
Artikel von Tatjana Heid • Gestern um 20:02
Boris Palmer selbst war klar, dass er nach seinen rassistischen Entgleisungen inklusive kruden Judenstern-Vergleichs für die Grünen untragbar geworden ist. Bevor sie ihn rauswerfen konnten, ging er freiwillig.
Allerdings können Parteiausschlussverfahren für die vor Gericht ziehende Partei zum Ärgernis werden – siehe Thilo Sarrazin. Für die Geschassten können sie dagegen eine Bühne zur Selbstvermarktung sein. Darauf hat Palmer verzichtet und seiner Partei im Sturz einen Dienst erwiesen. Entsprechend erleichtert waren die Reaktionen.
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Dreimal zum Oberbürgermeister gewählt
Das sollte aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die Grünen einen lange erfolgreichen Politiker verlieren – auch wenn seine Mitgliedschaft zuletzt ruhte. Tübingen hat Palmer immerhin dreimal zum Oberbürgermeister gewählt. Noch im vergangenen Jahr, als er für viele Grüne längst schon als Rassist galt, wurde er im ersten Wahlgang wiedergewählt. Palmer polarisierte, aber die Wirtschaft wuchs, und die CO2-Emissionen sanken. Bis 2030 wollte Tübingen klimaneutral werden. Das dankten ihm die Wähler.
Es sind Politiker wie Palmer, denen Pragmatismus vor Parteipolitik geht, die die Grünen insbesondere auf kommunaler Ebene brauchen. Hier sind sie nicht so stark vertreten, wie sie es ihrem eigenen Anspruch nach sein sollten. Dass ihn seine Lust an der Provokation und am „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ so hat abgleiten lassen, ist tragisch – für ihn persönlich, aber auch für seine ehemalige Partei.