Friday, May 19, 2023

Deutschland hat die Abgeordneten, die es verdient

RP ONLINE Deutschland hat die Abgeordneten, die es verdient Artikel von RP ONLINE • Gestern um 19:23 Düsseldorf/Berlin. Ein scheinbar harmloses Geschichtsquiz zeigt, wie es um das Allgemeinwissen vieler Politiker steht: Der eine kennt das Gründungsjahr der Bundesrepublik nicht; der andere kommt nicht darauf, was am 30. Januar 1933 geschah. Die Bildungsmisere hat auch den Bundestag erreicht. „Der Bismarck? Ach was, wirklich? Der war Kanzler? Witzig!“: Emilia Fester. Manche Volksvertreter würden selbst gern Geschichte schreiben. Doch beim Test ihrer historischen Kenntnisse klaffen zumindest bei einigen Bundestagsabgeordneten erschreckende Lücken. So ist sich die CDU-Parlamentarierin Franziska Hoppermann nicht sicher, wo die erste frei gewählte Volksvertretung in Deutschland zusammentrat. Die Grünen-Politikerin Emilia Fester verlegt die Gründung der Bundesrepublik auf das Jahr 1945 (oder war es 1946?). Auch von Bismarcks Kanzlerschaft hat sie nie gehört. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kann das genaue Gründungsdatum der BRD nicht nennen, dafür das der DDR. Und CDU-Vertreter Philipp Amthor hat erhebliche Schwierigkeiten, den 30. Januar 1933 zuzuordnen - immerhin der Tag, an dem Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Es war der Beginn des NS-Staats. Zutage gefördert hat diese erstaunlichen Wissenslücken der Youtuber Mirko Drotschmann ("MrWissen2Go"): Zufällig ausgewählten Volksvertretern und Volksvertreterinnen legte er ein Geschichtsquiz vor. Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden, dass einzelne Abgeordnete wie der SPD-Parlamentarier Daniel Baldy die meisten Fragen wie aus der Pistole geschossen beantworteten. Auch der AfD-Vertreter Götz Frömming, der Linken-Politiker Ates Gürpinar oder der Liberale Nils Gründer konnten sich halbwegs unbeschadet aus der Affäre ziehen. Bei einigen anderen kann davon keine Rede sein. Vor allem Grünen-Politikerin Emilia Fester muss in den sozialen Medien nun viel Spott ertragen. Sicher nicht. Hier reichen Fachkenntnisse und Urteilsvermögen. Aber die Hauptdaten der deutschen Geschichte sollten einem gewählten Vertreter des deutschen Volkes schon geläufig sein. Nationalversammlung, Bismarcks Reichsgründung, Frauenwahlrecht, Hitlers Machtübernahme oder die Gründung unseres Staates gehören zur Allgemeinbildung und damit zur Grundausstattung eines jeden Abgeordneten. Im Zweifel wäre es günstig, noch mal einen Nachholkurs in Geschichte zu belegen. Wer für Deutschland Gesetze macht, sollte sich bei den großen Fragen, die in den vergangenen 175 Jahren die Menschen hierzulande bewegten, schon auskennen. Von einem Skandal zu reden, wäre zu viel. Aber es ist schon ein Armutszeugnis, wenn ein aufstrebender Abgeordneter wie Amthor bei einem der wichtigsten Daten der deutschen Geschichte erstmal ins Grübeln kommt. Auch der Linken-Fraktionschef Bartsch sollte um das Gründungsdatum der Bundesrepublik wissen, auch wenn er in der DDR sozialisiert wurde. Umgekehrt ist es ein Muss, die Anfänge der deutschen Demokratie in der Frankfurter Paulskirche nachvollziehen zu können. Vielleicht sind die mangelnden Geschichtskenntnisse etlicher Abgeordneter nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Denn bei Umfragen zeigen sich auch viele Bürgerinnen und Bürger oft wenig kenntnisreich, wenn es um die jüngere Geschichte ihres Landes geht. Die Erinnerung an wichtige historische Daten spielt offensichtlich im Bewusstsein vieler Deutscher nur noch eine untergeordnete Rolle. Damit haben die Deutschen die Abgeordneten, die sie verdienen.