Saturday, May 6, 2023
„Fiasko“ – Zurückgegebene Benin-Bronzen in Privatbesitz gegeben statt ausgestellt
WELT
„Fiasko“ – Zurückgegebene Benin-Bronzen in Privatbesitz gegeben statt ausgestellt
Gestern um 21:13
Per Staatsakt war das Raubgut jüngst an Nigeria zurückgegeben worden, eigentlich sollte es in einem von Deutschland mit Millionenbeträgen geförderten Museum ausgestellt werden. Jetzt sind die Benin-Bronzen offenbar in Privatbesitz übergegangen. Hintergrund soll ein persönlicher Streit sein.
Die an Nigeria zurückgegebenen Benin-Bronzen kommen in Privatbesitz. Der scheidende nigerianische Staatpräsident Mohammedu Buhari hat das Eigentumsrecht an den Artefakten aus dem historischen Königreich Benin an den Oba Ewuare II., das aktuelle Oberhaupt der Königsfamilie, übertragen, berichtet die Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der entsprechende Erlass wurde bereits am 23. März dieses Jahres veröffentlicht.
Durch die Verfügung kommt der Oba in den Besitz aller Kunstwerke, die 1897 bei einer Strafexpedition von britischen Truppen im Königspalast von Benin geplündert wurden, „unter Ausschluss jeder anderen Person und Institution“, wie eine nigerianische Zeitung den Text zitiert. Bereits vor Monaten hatten Beobachter, auch bei WELT, gewarnt, es häuften sich Indizien dafür, dass es das geplante Museum nicht geben wird, in dem die Kunstwerke ausgestellt werden sollten.
Damit ende die deutsche Politik der Übereignung sämtlicher Benin-Bronzen aus deutschen Museen an den nigerianischen Staat „in einem Fiasko“, wie Hauser-Schäublin schreibt.
Im vergangenen Dezember hatten Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth die symbolische Übergabe der Kunstwerke bei einem Staatsakt in der nigerianischen Hauptstadt Abuja vollzogen. Dabei lud die deutsche Außenministerin ihre nigerianischen Partner ein, die Bronzen in dem geplanten Edo Museum of West African Art (EMOWAA) in Benin City auszustellen, dessen Bau vom deutschen Staat mit mehreren Millionen Euro unterstützt wird. Auf der Homepage des Museums hieß es noch vor Kurzem, es werde „Heim der umfangreichsten Sammlung von Benin-Bronzen der Welt“ sein. Inzwischen stehe der Satz nicht mehr dort.
Im Hintergrund der Eigentumsübertragung steht laut nigerianischen Medien ein persönlicher Konflikt zwischen dem Oba und dem Gouverneur der Region Benin, Godwin Obaseki, einem der entschiedensten Förderer des Museumsprojekts. Obasekis Großvater hatte den Briten nach der Zerstörung von Benin-City im Jahr 1897 und der Absetzung des damaligen Obas als Interims-Regent gedient. Royalistische Anhänger von Ewuare II. werfen dem Gouverneur nun die Fortsetzung der Kollaboration mit den Gegnern des Königshauses vor.
Bei den Benin-Bronzen handelt es sich um mehr als fünftausend zum großen Teil aus Messing gefertigte Reliefs und Skulpturen, die zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert im Königreich Benin auf dem Gebiet des heutigen Staates Nigeria entstanden sind. Ab dem 15. Jahrhundert wurden für ihre Herstellung hauptsächlich Armreifen, sogenannte Manillen, aus Kupfer verwendet, die von portugiesischen Händlern als Zahlungsmittel für Sklaven, Elfenbein und andere Güter eingesetzt wurden.
Mehr als tausend Benin-Bronzen befinden sich seit mehr als hundert Jahren in den Sammlungen deutscher Museen. Am 1. Juli 2022 unterzeichnete Deutschland und Nigeria ein Abkommen über die Rückgabe der Bronzen, in dessen Rahmen etwa zwei Drittel der Kunstwerke an den nigerianischen Staat zurückgehen sollen. Ein Drittel soll als befristete Dauerleihgabe in den deutschen Museen bleiben.