Friday, August 18, 2023

Immobilien: Evergrande stellt Antrag auf Gläubigerschutz in den USA

Handelsblatt Immobilien: Evergrande stellt Antrag auf Gläubigerschutz in den USA Artikel von Heide, Dana • 4 Std. Das Unternehmen ist mit rund 300 Milliarden Euro hoch verschuldet. Binnen zwei Jahren hat Evergrande umgerechnet 72 Milliarden Euro Verlust gemacht. Die Schwierigkeiten kommen mitten in einer ganzen Reihe von schlechten Nachrichten aus China. Der Insolvenzantrag des hochverschuldeten chinesischen Immobilienentwicklers China Evergrande hat Sorgen um den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt geschürt. Financial Star News Evergrande hatte einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Kapitel 15 in den USA gestellt. Das geht aus Dokumenten des Konkursgerichts in Manhattan vom Donnerstag hervor. Dabei geht es um Schulden im Ausland in Höhe von mehr als 19 Milliarden Dollar. Ein großer Teil der Auslandsschulden des Konzerns unterliegen US-amerikanischem Recht. Insgesamt ist der Konzern über Anleihen und andere Schuldtitel mit 31,7 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Nach Kapitel 15 des US-Insolvenzrechts können ausländische Unternehmen vor Klagen von amerikanischen Gläubigern geschützt werden, während sie ihre Schulden im Ausland umstrukturieren. Chinas Evergrande hat binnen zwei Jahren umgerechnet 72 Milliarden Euro Verlust angehäuft und ringt mit seinen Gläubigern um den Abbau seines Schuldenbergs. Damit treibt der Konzern seine Pläne voran, eine der weltweit größten und komplexesten Umschuldungen durchzuführen. Die Verhandlungen mit den Gläubigern im Ausland ziehen sich seit mehr als anderthalb Jahren hin. Sollte das Gericht der Schuldenrestrukturierung zustimmen, würde das jegliche Anfechtungen der Pläne in den USA verhindern. Evergrande ist mit 2,4 Billionen Yuan (umgerechnet 300 Milliarden Euro) verschuldet. Keine Immobilienfirma weltweit hat mehr ausstehende Zahlungsverpflichtungen. Das Unternehmen war in Schieflage geraten, nachdem die chinesische Staatsführung im Jahr 2020 schärfere Regeln für die Immobilienentwickler erlassen hatte. Schlechte Nachrichten aus China Die Insolvenzmitteilung kommt inmitten einer ganzen Reihe von schlechten Nachrichten über die chinesische Wirtschaft. Erst in dieser Woche hatte der große chinesische Immobilienentwickler Country Garden laut Medienberichten vor Zahlungsschwierigkeiten gewarnt. Die Krise auf dem chinesischen Immobilienmarkt droht auch auf die Finanzbranche überzugreifen. So räumte sowohl der Treuhandfonds Zhongrong International Trust gegenüber Investoren „kurzfristige Liquiditätsschwierigkeiten“ ein als auch das Finanzkonglomerat Zhongzhi, das einen 33-prozentigen Anteil an Zhongrong hält. Hinzu kommen schlechte Konjunkturdaten. So waren zuletzt die chinesischen Exporte eingebrochen. Zudem bleibt der Konsum weiter hinter den Erwartungen zurück. In dieser Woche haben auch eine ganze Reihe großer Banken ihre Wachstumsprognosen für China gesenkt. Am Freitag reduzierte die japanische Großbank Nomura ihre Schätzung für dieses Jahr von 5,1 Prozent auf 4,6 Prozent, für 2024 gehen die Experten von einer weiteren Abkühlung auf 3,9 Prozent aus. Zuvor hatten bereits die Wall-Street-Häuser Morgan Stanley und JP Morgen ihre Prognosen auf 4,8 beziehungsweise 4,7 Prozent gesenkt. Märkte geben nach Die Probleme Chinas belastete die Kapitalmärkte rund um den Globus. In Asien fiel der chinesische Leitindex CSI 300 am Freitag um 0,6 Prozent. Seit ihrem Höchststand im Januar haben chinesische Aktien rund zehn Prozent an Wert verloren. Der japanische Nikkei-Index schloss mit einem Minus von 0,7 Prozent Verwandtes Video: Nach dem Immobilienboom: Überall Geisterstädte in China (AFP Videos (German)) „Zu Beginn des Jahres war Chinas Wirtschaft noch auf dem Vormarsch. Doch seitdem hat sich das Bild zunehmend verschlechtert und sieht nun ziemlich düster aus“, heißt es beim Analysehaus Capital Economics In Deutschland startete der Leitindex Dax mit einem Minus von 0,8 Prozent. Nach Einschätzung von Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners fürchteten die Investoren inzwischen eine Abwärtsspirale. China habe sich vom „lokalen zum globalen Börsenthema“ entwickelt. Am Markt für Unternehmensanleihen aus Asien war die Unruhe ebenfalls zu spüren, hier stiegen die Risikoprämien so stark wie seit März nicht mehr, als der Kollaps einer Reihe von US-Banken kurzfristig die Angst vor einer neuen Finanzkrise schürte. Auch am Ölmarkt zeigt sich die Sorge vor einer Wirtschaftskrise in China. Am Freitag kostete ein Barrel der US-Ölsorte WTI rund 80 Dollar und damit rund drei Prozent weniger als noch vor einer Woche. Es wäre nach Berechnungen des Informationsdienstes Bloomberg die erste Woche mit Preisrückgängen seit Juni. >> Lesen Sie hier: Wie dramatisch ist die Lage der chinesischen Wirtschaft? Vor diesem Hintergrund sehe die Insolvenzbeantragung aus wie ein schlechter Scherz, sagte Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für den Asien-Pazifik-Raum bei der französischen Investmentbank Natixis, dem Handelsblatt. „Schaut in China niemand auf das Gesamtbild, wie dies vom Markt interpretiert werden könnte?“ Garcia Herrero sieht die Zahlungsschwierigkeiten von Country Garden allerdings als das „viel größere Problem“, da die meisten ausländischen Investoren ohnehin nicht mehr mit einer Rückzahlung von Evergrande gerechnet hatten. Handel mit Evergrande-Aktien seit mehr als einem Jahr ausgesetzt 2021 hatte die drohende Zahlungsunfähigkeit von Evergrande Sorgen vor einem zweiten „Lehman-Moment“ geschürt. Die Pleite der gleichnamigen US-Bank verursachte 2008 einen Dominoeffekt bei anderen Banken und gilt als einer der Auslöser der weltweiten Finanzkrise. Damals war die Befürchtung, dass Evergrande unkontrolliert in die Zahlungsunfähigkeit rutscht. Die Aktien des Unternehmens sind seit mehr als einem Jahr vom Handel in Hongkong ausgesetzt, allerdings sackten die weiter an der Börse gehandelten Papiere der Elektroauto-Tochter NEV Group als Reaktion auf die Insolvenzbekanntgabe zeitweise zweistellig ab. Chinas Notenbank People‘s Bank of China (PBoC) hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass sie ihre Immobilienpolitik bald anpassen und optimieren werde. Am Dienstag hatte sie – wohl aufgrund der enttäuschenden Konjunkturdaten – den Markt mit einer unerwarteten Senkung ihrer einjährigen mittelfristigen Kreditzinsen um 15 Basispunkte auf 2,5 Prozent überrascht. Die schlechten Konjunkturdaten und andere Faktoren hatten dazu geführt, dass allein in diesem Monat die chinesische Währung gegenüber dem US-Dollar um mehr als zwei Prozent nachgegeben hat. Der Wertverlust des Yuans im Vergleich zu der amerikanischen Währung beträgt in diesem Jahr mittlerweile bereits sechs Prozent, der Kurs nähert sich dem niedrigsten Wert seit 2007. Um eine zu starke Abwertung der chinesischen Währung zu verhindern, haben Behörden in der Volksrepublik laut Medienberichten staatliche Banken angewiesen, diese Woche verstärkt auf dem Devisenmarkt zu intervenieren. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, haben Chinas große staatliche Banken in dieser Woche bereits in größerem Umfang US-Dollar verkauft, um Yuan auf den Devisenkassamärkten im Land und im Ausland zu kaufen und so die Abwertung des Yuans zu bremsen.