Monday, August 14, 2023
„Der Eberhofer mag alle Menschen gleich wenig“
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„Der Eberhofer mag alle Menschen gleich wenig“
3 Tag(e)
Provinzkrimi
„Der Eberhofer mag alle Menschen gleich wenig“
Sebastian Bezzel hingegen mag seine Filmfigur sehr. Ein Gespräch über Gleichberechtigung, die Provinz und den Mut zur Veränderung
Herr Bezzel, auch in „Rehragout-Rendezvous“ geht es weniger um den Kriminalfall als um die Geschichten der Menschen in Niederkaltenkirchen. Diesmal dreht sich alles um die Macht der Frauen. Was mögen Sie persönlich an dem aktuellen Filmstoff?
Ich mag den ernsten Hintergrund des Themas. Der Franz ist ja auch keine Comedy-Figur, sondern ein Charakter, der bei aller Komödie sehr ernst ist. Er ist ein Misanthrop – einer, der auf Tauchstation geht, sobald Probleme auftauchen. Und diesmal knallt es ihm gewaltig um die Ohren, als die Oma zu Hause auszieht. Doch die Oma ist weise, sie macht das als erzieherische Maßnahme – vor allem für ihren Lieblingsenkel Franz.
Was will sie damit erreichen?
Dass der Franz endlich in die Pötte kommt. Er ist ja ein Typ, der sehr viel Angst vor der Zukunft hat, keine Veränderungen mag. Ihm ist es am liebsten, wenn alles immer gleich bleibt. Es beunruhigt in zutiefst, dass das Leben ein Fluss ist, ein Prozess, der immer weiter geht. Deshalb trifft ihn auch der Auszug der Oma so hart.
Und es kommt noch härter für Franz: Seine Susi wird stellvertretende Bürgermeisterin von Niederkaltenkirchen und schickt Franz in die Teilzeit, damit er sich um den gemeinsamen Sohn kümmern kann …
Für Susi ist das eine tolle Chance. Aber für Franz ist diese Neuerung eine Katastrophe. Besonders lustig ist natürlich die Überzeichnung, dass Susi den Aufstieg auskostet und das Chefin-Sein in vollen Zügen auslebt. Aber sie will in ihrer Position ja etwas bewirken, nämlich Niederkaltenkirchen weiterbringen, auch touristisch. Das ist ehrenvoll – und das erkennt irgendwann auch der Franz. Doch zunächst macht es ihm Angst.
Mit Susis Karrieresprung sind die Themen Gleichberechtigung und Rollenteilung auch in Niederkaltenkirchen angekommen – und prompt hat Franz Probleme mit seiner Männlichkeit. Ist Franz ein Chauvinist?
Nein, Franz ist kein Sexist, auch kein Rassist. Er kann alle Menschen gleich wenig leiden. Franz hat auch nicht grundsätzlich ein Problem mit Frauen in Führungspositionen, das sitzt tiefer. Susis Aufstieg fällt in seinen persönlichen Bereich und bedeutet eine gewaltige Veränderung seines Ist-Zustands. Dass er sich verändert hat, merkt man, als Susi ihn gegen Filmende fragt, ob er ihr zutraut, Bürgermeisterin von Niederkaltenkirchen zu werden. Da antwortet er: „Leider ja.“ Und gibt damit zu: Du machst das super, und das ist total richtig, wie du das machst.
In der fiktiven Dorfwelt von Niederkaltenkirchen schmunzeln wir über die Rückständigkeit, in der realen Welt ist das Thema Gleichberechtigung sehr präsent, aber es ist auch klar: Da ist noch viel zu tun.
Und zwar nicht nur mit Blick auf die Gleichberechtigung! Deshalb finde ich die Filmszene mit dem Kreisverkehr so stark: Da sehen wir eine junge weibliche Kraft, die sich was traut, einen Impuls setzt, und vom alten weißen Mann in Gestalt des Bürgermeisters vor allen runter gemacht wird, als sei sie die dümmste Kuh überhaupt. Diese Szene ist für mich ein Beispiel dafür, wie in Deutschland mit Innovationen umgegangen wird.
Was meinen Sie konkret?
Zum Beispiel das Heizungsgesetz. Da werden schon wieder Stimmen laut von wegen Entmündigung des Bürgers, wo ich denke: Hey Leute, wir leben in Zeiten, die sind so krass – mit Klimawandel, Krieg und anderen Krisen -, also gebt doch Innovationen eine Chance! Habt verdammt noch mal den Mut zur Veränderung!
Auch die Berufswelt ist im Wandel. Denken Sie, dass es Frauen heute immer noch schwerer haben, sich beruflich durchzusetzen – etwa in der Filmindustrie?
Bei öffentlich-rechtlich geförderten Filmprojekten geht es gerade in eine andere Richtung: Da nehmen momentan bevorzugt junge weibliche Talente auf dem Regiestuhl Platz. Da denke ich manchmal: Das kann’s jetzt auch nicht sein. Dass tolle Regisseure, nur weil sie männlich und über 50 sind, auf einmal so gut wie keine Drehs mehr bekommen. Da herrscht aktuell ein Ungleichgewicht, das sich wieder einpendeln muss. Generell finde ich es schade, wenn man Erfahrung gegen Alter und Geschlecht ausspielt. Letztlich sollten doch immer Inhalt und Qualität der Arbeit im Vordergrund stehen.
Die Eberhofer-Filme sind gespickt mit Seitenhieben auf die Wohlstandsgesellschaft. Ist die Sozialkritik ein gezieltes Stilmittel?
Absolut. Bei allem Spaß nehmen wir bewusst sehr ernste Themen auf, in „Leberkäsjunkie“ wurde zum Beispiel Rassismus thematisiert. Auch beschäftigt uns immer wieder die Frage: Was ist Heimat?
Und, was ist Heimat?
Zur Heimat gehören auch Zugereiste, leider auch Nazis und Umweltschweine. Deshalb steckt das auch in unseren Geschichten. Niederkaltenkirchen ist ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft.
Franz Eberhofer ist der Prototyp des wortkargen Dorfsheriffs mit einem starken Gerechtigkeitsempfinden. Wie ist das bei Ihnen?
Gerechtigkeit ist mir schon sehr wichtig, vor allem soziale Gerechtigkeit. Die soziale Schere in Deutschland öffnet sich immer weiter, da sehe ich mehr als dringenden Handlungsbedarf, vor allem in Bezug auf die Umverteilung des Geldes. Es kann nicht sein, dass bei jeder Krise, die auf der Welt passiert, wieder ein Milliardär noch reicher wird. Ich bin kein Kommunist, aber bodenloser Reichtum, das gehört sich einfach nicht. Da bin ich ganz beim Franz Eberhofer: Er liebt die Freiheiten in seiner kleinen Welt. Er hat nicht viel, aber das, was er hat, ist besonders. Und er ist, auch wenn er faul und so überhaupt nicht ehrgeizig ist, ein toller Typ. Er lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen und ist unbestechlich. Auch deswegen liebe ich es wirklich sehr, ihn zu spielen.
Interview: Claudia Pless