Friday, November 29, 2024
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Merkur
„Da reagiere ich überhaupt nicht“: Gerhard Polt (82) über Political Correctness und seine Inspiration
Felicitas Bogner • 4 Std. • 4 Minuten Lesezeit
Interview
Gerhard Polt ist das bayerische Urgestein des Kabaretts. Kürzlich wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im Interview spricht er über Political Correctness, Grenzen des Humors und seine Inspiration.
Seit vielen Jahrzehnten amüsiert Gerhard Polt sein Publikum mit wunderbarem Wortwitz, scharfer Satire und seinem einzigartigen Humor. Dabei entlarvt er mit einem tiefgehenden Blick auf die Gesellschaft immer wieder die Marotten der Menschen. Seine Sketche sind dabei zeitlos. Am Samstag gastiert Polt mit den „NouWell Cousines“ im Tölzer Kurhaus – die Karten sind längst ausverkauft. Im Interview mit dem Tölzer Kurier spricht der Künstler über die Bühne, seine Quellen, Humor und seine jüngste Auszeichnung.
Herr Polt, Sie haben angekündigt, dass Sie ihre letzte große Tour machen. Muss man auch hier in Oberbayern befürchten, dass Sie bald nicht mehr auftreten?
Na, na. Damit meine ich, dass ich nicht mehr so weit wegfahre. Ich mag einfach nicht mehr lange im Auto sitzen, das ist mir zu stressig geworden. Aber hier trete ich natürlich weiter auf. Ich mach‘ das ja total gerne. Was würde ich denn sonst tun? Dann müsste ich ja vorm Fernseher verrecken. (lacht)
Ende November treten Sie in Bad Tölz auf. Das ist für Sie als Schlierseer ja ums Eck. Zieht es Sie auch sonst in den Nachbarlandkreis?
Ich mag die Gegend gern. Im Tölzer Land gibt es noch so richtig urige Wirtshäuser, das gefällt mir.
Sie sind 82 Jahre alt. Hält Sie die Bühne jung und fit?
Die Bühne ist für mich ein Elixier. Dass ich das machen darf, ist wunderbar. Und solange ich das noch kann, was zu erzählen habe und die Leute kommen, wäre ich ja dumm, damit aufzuhören. Dieter Hildebrandt hat immer gesagt: „Kabarettisten sind Triebtäter.“ Da ist was Wahres dran.
Gerhard Polt tritt mit „NouWell Cousines“ im Kurhaus auf
Sie stehen seit Jahrzehnten auf Bühnen in ganz Deutschland. Haben Sie noch Lampenfieber?
Ja, sicher. Eine gewisse Aufregung vorm Auftritt gehört dazu.
Was machen Sie dagegen?
Dreimal tief durchatmen und los geht‘s.
Sie sprechen – auch auf der Bühne – Bairisch und bedienen sich bei ihrem Humor auch gern der bairischen Sprache. Macht es da einen Unterschied, ob Sie in Bayern oder anderen Bundesländern auftreten? Kommt der Humor hier anders an?
Im Wesentlichen nicht. Das Publikum, das kommt, weiß ja in etwa, was es erwartet. Also natürlich nicht, was sie genau erwartet. Aber dass ich kein Westfale bin, dessen sind sie sich durchaus bewusst (lacht). Und die Leute, die mich verstehen wollen, verstehen mich schon, selbst wenn sie mal einen Ausdruck nicht kennen.
Wenn zum Beispiel gestritten wird, ob das Wort Indianer noch ausgesprochen werden darf, reagiere ich überhaupt nicht. Solche Auseinandersetzungen sind mir irgendwie zu nichtig.
Gerhard Polt
„Polt“ steht für zeitlosen Humor. Auch ältere Sketche, wie „Oktoberfest“ oder „Longline“, sind heute brandaktuell. Waren Sie darauf immer bewusst aus oder überrascht Sie die Aktualität mancher Stücke von früher selbst?
Davon bin ich selbst überrascht. Aber wenn ich mich genauer damit befasse, auch wieder nicht. Wenn man sich das Resümee vom Oktoberfest zum Beispiel ansieht, wie die Leute um die Plätze kämpfen oder wie viele Schlägereien es gibt, dann hat sich eigentlich nicht so viel geändert. Wo Menschen sind, da menschelt es. Ich denke, die grundsätzlichen Eigenschaften, die ein Mensch haben kann, sind geblieben. Von der Eitelkeit angefangen bis zur Selbstüberschätzung.
Über welche Grundeigenschaft können Sie am meisten lachen?
Ich versuche, die Widersprüchlichkeit des Menschen zu sehen. Was er gerne hätte, was er sagt und wo er dann landet – und vor allem wie. Interessant finde ich auch, wie Menschen sich selbst interpretieren. Das ist zum Teil sehr witzig.
Woher nehmen Sie die Inspiration? Sind das reale Situationen?
Ich entnehme das meiste aus dem öffentlichen Raum. Ob im Wirtshaus, im Wartezimmer beim Arzt, auf einer Behörde oder bei einer Wohnungseigentümerversammlung. Die Querelen, die es da teils gibt, sind schon herzzerreißend komisch. Meine Quellen sind überall, wo Menschen sich äußern und verhalten.
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Wenn Sie sich vom menschlich, alltäglichen Feld ins politische bewegen, hat sich da in den vergangenen Jahren etwas verändert? Political Correctness wird ja auch in der Kunst strenger genommen.
Ich habe mich davon nicht allzu sehr beeindrucken lassen. Man muss ja nicht auf jede Stimmung in der Gesellschaft eingehen. Wenn zum Beispiel gestritten wird, ob das Wort Indianer noch ausgesprochen werden darf, da muss ich sagen, da reagiere ich überhaupt nicht. Solche Auseinandersetzungen sind mir irgendwie zu nichtig.
Bundesverdienstkreuz für Gerhard Polt
Wo liegen Ihre Grenzen beim Humor?
Sie haben ein schönes Wort gesagt. Grenze. Das ist ursprünglich ein slawisches Wort und es meint einen Übergang von einem ins andere. Da gibt es kein Schwarz-Weiß. Jeder muss für sich wissen, wo er Halt machen möchte. Ich beziehe mich nochmal auf Dieter Hildebrandt, der sagte: „Satire darf alles, aber nicht schlecht sein.“ Es sollte also keine Tabus geben. Es geht darum, wie man mit etwas umgeht. Natürlich kann das auch unglücklich enden und Menschen verletzten, aber wenn man es sorgfältig macht, meine ich, dass es keine Tabus geben muss.
Sie haben im Herbst eine der höchsten Auszeichnungen bekommen. Ihnen wurde das Bundesverdienstkreuz verliehen – für Sie ein Ritterschlag?
Es war eine sehr würdevolle Feier. Dort waren verschiedene Leute aus diversen Genres, die ausgezeichnet worden sind. Da ist mir so richtig bewusst geworden, was manche Menschen wirklich Außerordentliches bewegen. Dass ich mich da dazu zählen darf, ja, das ist schon eine tolle Auszeichnung.