Thursday, May 11, 2023

„Menschen haben die Nase voll von rot-grün-roten Experimenten“

WELT „Menschen haben die Nase voll von rot-grün-roten Experimenten“ Artikel von Ulrich Exner • Vor 10 Std. Wiebke Winter (CDU), Mitgründerin der Klima-Union, sieht das Ende von Rot-Grün-Rot in Bremen nahen – die Bürger hätten genug von Bildungsmisere und Kriminalität. Von den rechtspopulistischen „Bürgern in Wut“ grenzt sie ihre Partei ab. Und sagt, warum die Grünen mit ihrer Klimapolitik fehlgingen. Wiebke Winter (CDU), 27, ist jüngstes Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Mitgründerin der Klima-Union picture alliance/dpa WELT: Frau Winter, die CDU in Bremen liegt immer noch drei Prozentpunkte hinter der SPD. Wie drehen Sie das noch auf den letzten Drücker bis zum Wahlsonntag am kommenden Wochenende? Wiebke Winter: Bildung. Verkehr. Bekämpfung der Kriminalität. Das sind unsere Themen, darauf setzen wir. Die Menschen hier in Bremen haben Lust auf Veränderung – und das wird sich am Wahlabend auch zeigen. WELT: Bisher deuten die Umfragen eher auf ein solides Weiter-so. Rot-Grün-Rot, das hier seit vier Jahren regiert, winkt nach den Umfragen erneut eine Mehrheit. Winter: Eine große Koalition hätte danach auch eine Mehrheit – und wird von vielen Menschen gewollt. Umfragen sind Umfragen. Entscheidend ist, was am Wahlabend herauskommt. WELT: Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass sich in Bremen nach 77 Jahren SPD-geführter Regierung immer noch keine echte Wechselstimmung einstellt? Winter: Die Bremerinnen und Bremer wollten schon vor vier Jahren einen Wechsel. Die CDU mit Carsten Meyer-Heder als Spitzenkandidat war damals der klare Wahlsieger. Rot-Grün-Rot hat verhindert, dass er Bürgermeister wurde. WELT: Dennoch hat Meyer-Heder, der weiterhin CDU-Landesvorsitzender ist, sich eine erneute Kandidatur nicht zugetraut. Weil er bereits wusste, dass es wieder nichts wird? Winter: Ich habe großes Verständnis für jeden, der sagt, nein, aus diesen oder jenen Gründen passt das gerade nicht. Nein zu sagen, ist häufig schwieriger, als Ja zu sagen. Carsten Meyer-Heder hat sich aus beruflichen Gründen gegen eine erneute Kandidatur entschieden, und vor dieser Entscheidung habe ich großen Respekt. WELT: Warum kam die Spitzenkandidatur für Sie selbst nicht infrage? Winter: Ich bin jetzt 27 Jahre alt – und habe noch viel Zeit. Ich habe unseren Bürgermeisterkandidaten Frank Imhoff von Beginn an unterstützt. Er ist hier seit vier Jahren Bürgerschaftspräsident und füllt dieses Amt mit Bravour aus. Er hat das Zeug dazu, Bürgermeister zu werden. Und wer ihn im Wahlkampf erlebt, der sieht, wie nah er dran ist an den Menschen – das ist großartig. WELT: Aber so überzeugend, dass seine Kandidatur eine Wechselstimmung auslösen könnte, ist er nicht. Verwandtes Video: Nächster Ampel-Zoff? Grüne drohen mit Blockade der Klimagesetzreform (ProSieben) Winter: Doch. Sehen Sie, ich mache gerade sehr viel Haustürwahlkampf, suche den direkten Kontakt mit den Bremerinnen und Bremern. Da spürt man deutlich, dass die Menschen unzufrieden sind mit dem amtierenden Senat. Dass sie sich ärgern über die Situation an den Bremer Schulen und dass sie besorgt sind über die zunehmende Kriminalität. Bremen ist seit jeher ein rotes Pflaster. Die Menschen haben die Nase voll von rot-grün-roten Experimenten. WELT: Ist dieses traditionell rote Pflaster möglicherweise der Grund für den wenig angriffslustigen Wahlkampf der Bremer CDU? Die Berliner Christdemokraten haben vor der Wahl zum dortigen Abgeordnetenhaus deutlich stärker polarisiert – und am Ende gewonnen. Winter: Die beiden Städte unterscheiden sich kulturell ganz erheblich. Bremen ist eine liebevolle Stadt, „wie ein Dorf mit Straßenbahn“, in dem jeder jeden kennt. Wir müssen auch am nächsten Tag noch miteinander auskommen, und deshalb ist der Politikstil hier generell nicht so polarisierend. WELT: Folge dieses Schmusekurses ist, dass die „Bürger in Wut“ in den Umfragen inzwischen auf nahezu zweistellige Ergebnisse kommen. Das könnten genau die Prozentpunkte sein, die der Union am Ende zum Machtwechsel fehlen. Könnten Sie sich eine Koalition mit dieser lokalen Protestpartei vorstellen? Winter: Nein, absolut nicht. Wir haben in Bremen die besondere Situation, dass die AfD nicht antreten darf und die „Bürger in Wut“ von ihrem künftigen Kooperationspartner, dem „Bündnis Deutschland“, eine kräftige Finanzspritze bekommen haben. Das sind zwei Faktoren, die diese Partei gerade stark machen. Wenn man sich aber deren Parteiprogramm, auch deren Ausdrucksweise anschaut, wird schnell klar, dass das Rechtspopulisten sind – mindestens. Wir grenzen uns von den „Bürgern in Wut“ ebenso klar ab wie von der AfD. WELT: Wäre eine Jamaika-Koalition für Sie eine Option? Winter: Theoretisch ja. Ob ein solches Bündnis in Bremen realistisch ist, müssten Sie FDP und Grüne fragen. WELT: Wenn die Grünen so weitermachen wie zuletzt, reicht es am Wahlsonntag nicht einmal rechnerisch für eine Jamaika-Koalition. Haben Sie ein bisschen Mitleid mit denen? Winter: Richtig ist, dass die Grünen derzeit keinen Rückenwind aus Berlin bekommen. Aber die Bilanz auf Landesebene ist auch desaströs. Gerade wenn man behauptet, eine Klimaschutzpartei zu sein, und dann die Klimaschutzziele so eklatant verfehlt wie Bremen nach 16 Jahren grüner Regierungsbeteiligung, wenn man die Verkehrswende zwar ständig proklamiert, aber nichts davon umsetzen kann – dann ist Mitleid wirklich fehl am Platz. WELT: Auf der Bundesebene versuchen die Grünen die Klimawende umzusetzen, für die Sie sich als Mitbegründerin der Klima-Union ebenfalls einsetzen – was läuft da aus Ihrer Sicht schief? Winter: Der Vorschlag zu den Wärmepumpen ist viel zu früh veröffentlicht worden. Das war überhaupt nicht ausgereift und hat die Menschen sehr verunsichert. Ein grober handwerklicher Fehler. Wenn man dann noch dem eigenen Wirtschafts-Staatssekretär erlaubt, innerhalb der eigenen Behörde ein großes Family-and-friends-Programm aufzulegen, dann bekommt man dafür die Quittung. WELT: Sie selbst haben Ihre Partei in der Vergangenheit für ihren mangelnden Ehrgeiz beim Klimaschutz kritisiert. Wie sollte sich die CDU bei diesem Thema positionieren? Winter: Wir erörtern das gerade im Rahmen unserer Debatte über ein neues Grundsatzprogramm. Die Ergebnisse werden demnächst vorgestellt, aber klar ist, dass wir den Fokus dabei sehr viel klarer auf die soziale Marktwirtschaft, auf Anreize legen werden und nicht auf Verbote. Beim Klimaschutz reicht es zudem nicht ansatzweise aus, nur auf das eigene Land zu schauen. Klimaschutz ist ein globales Thema und kann nur funktionieren, wenn klar wird, dass diejenigen Länder, deren Wirtschaft auf Klimaschutz setzt, einen Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt haben. So wie die Ampel-Koalition es gerade angeht, mit immer neuen Verboten und kleinteiligen Debatten, wirkt Klimaschutz eher abstoßend.