Sunday, March 16, 2025

„Wer nicht will, dass die AfD irgendwann das Kanzleramt betritt, muss den Kontrollverlust beenden“

WELT „Wer nicht will, dass die AfD irgendwann das Kanzleramt betritt, muss den Kontrollverlust beenden“ Claudia Kade • 7 Std. • 3 Minuten Lesezeit US-Vizepräsident J. D. Vance geht hart mit der Migrationspolitik in Deutschland und in der EU ins Gericht – und warnt vor einem Selbstmord der Bundesrepublik. Von SPD und Linker kommen klare Gegenwehr und Vorwürfe Richtung USA. Doch auch Zustimmung erhält Vance aus Berlin. Und das nicht nur von der AfD. Die scharfe Kritik von US-Vizepräsident J. D. Vance an der Migrationspolitik hierzulande ist in Deutschland auf ein geteiltes Echo gestoßen. Vance hatte gesagt, er wolle, dass Europa gedeihe. Aber wenn in ein Land wie Deutschland Millionen Einwanderer aus Ländern einreisten, „die kulturell völlig unvereinbar mit Deutschland sind“, sei es egal, was er denke. „Deutschland wird sich selbst getötet haben. Ich hoffe, dass es das nicht tut, weil ich Deutschland liebe und möchte, dass Deutschland gedeiht“, so Vance in einem Interview mit dem US-Sender Fox News. Der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh wies die Kritik zurück: „J. D. Vance sollte sich weniger mit alternativen und mehr mit realen Fakten beschäftigen. Nicht Kulturkampf, sondern konkretes politisches Handwerk ist auch in Bezug auf Migration gefragt“, sagte Lindh WELT. „Fakt ist, dass deutsche und zum Teil auch europäische Maßnahmen im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes zur Senkung irregulärer Migration und Ordnung von Zuwanderung insgesamt wirken.“ Die Zahl der Asylgesuche in Deutschland sei so niedrig wie nie innerhalb der vergangenen zehn Jahre, das Corona-Spitzen-Jahr ausgenommen. „Die USA sollten darauf achten, dass sie nicht unter einer Politik der kulturellen Abschottung zivilisatorischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Selbstmord begehen, denn sie sind in der Tech-Branche wie auf Zukunftsfeldern insgesamt auf Kräfte aus kulturell fernen Regionen zwingend angewiesen.“ „Zivilisatorischer Hochmut und Arroganz lösen nicht die brennenden Fragen dieser Zeit“, sagte Lindh. Politisches Handwerk statt Beschwörung eines Clashes der Kulturen und Zivilisationen bedeute: eine Integrationspolitik, die konkrete Maßnahmen und die Organisation des Zusammenlebens jenseits von Dämonisierung und Romantisierung in den Mittelpunkt stelle, sowie eine Ordnungspolitik, die auf die konsequente Durchsetzung des Rechtsstaates auf Basis der Achtung und Einhaltung internationalen und europäischen Rechts baue. Auch eine Politik der Praxis vor Ort, die nicht Gefühligkeit und Kulturpessimismus, sondern eine praktische Verbesserung der Lage der Kommunen und der Rechtsumsetzung an der Basis betreibe. „Natürlich ist unkontrollierte Migration ein ungelöstes Riesenproblem“ Auch die Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner verwahrte sich gegen die Vorwürfe aus Washington: „J. D. Vance sollte sich mit Kritik an Europa zurücknehmen: Die USA betreiben selbst eine schädliche Zollpolitik, die Grenzen sollen mit einer Mauer geschlossen werden, Oligarchen bestimmen das Geschäft“, so Schwerdtner. „Wir stehen weiter für das Asylrecht und den Humanismus, egal, was der Vizepräsident äußert.“ Auf Widerspruch verzichtete indes Sahra Wagenknecht: „Natürlich ist die unkontrollierte Migration ein bis heute ungelöstes Riesenproblem für Deutschland – politisch und sozial“, sagte die Vorsitzende ihrer Partei BSW. „Die Migrationspolitik ist ein Spaltpilz, der die Gesellschaft polarisiert.“ Dass der Staat weiterhin keine Kontrolle darüber habe, wer nach Deutschland komme, lehne auch die große Mehrheit der gut integrierten Zuwanderer ab. „Die Politik, dass faktisch jeder bleiben kann, der es irgendwie nach Deutschland schafft, führt nicht nur zu mehr Kriminalität und Gewalttaten, sondern geht auch vor allem zulasten derer, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“ Offene Grenzen und Bleiberecht für alle hätten mit Linkssein nichts zu tun. Im Gegenteil: Probleme von Migration und Integration spielten sich vor allem in den ärmeren Vierteln ab. Dort verschärften sich die Konflikte. „Die Folgen der unkontrollierten Migration richten sich gegen die untere Hälfte der Bevölkerung, also auch gegen viele Migranten selbst“, sagte Wagenknecht WELT. „Wer nicht will, dass die AfD irgendwann das Kanzleramt betritt, muss den Kontrollverlust beenden.“ AfD-Chefin Alice Weidel stimmte Vance zu: „Die Kritik von US-Vizepräsident Vance trifft leider voll ins Schwarze.“ Die ganze Welt erkenne inzwischen den „selbstzerstörerischen Charakter“ der deutschen Migrationspolitik. Und auch in Deutschland wird der Unmut trotz aller propagandistischer Bemühungen immer größer. „Je lauter die Kritik jedoch wird, desto autoritärer wird das staatliche Vorgehen gegen die Kritiker“, so Weidel. „Das Migrationsdesaster und die Erosion der Meinungsfreiheit sind staatlich orchestrierte Angriffe auf die Grundfesten unserer freiheitlichen Gesellschaft. Das müssen wir beenden.“ Union, Grüne und FDP äußerten sich nicht zur Kritik aus Washington.