Friday, October 1, 2021
„Kevin Kühnert ist nicht die hellste Kerze auf der Torte der Sozialdemokraten“
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„Kevin Kühnert ist nicht die hellste Kerze auf der Torte der Sozialdemokraten“
RP ONLINE vor 22 Std.
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Düsseldorf. Bei „Lanz“ diskutierten die Gäste vor allem über die Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl. Während SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil merklich die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hofierte, konnte diese es nicht lassen, immer wieder gegen die SPD zu sticheln.
Am Dienstagabend hat sich die Talkshow „Markus Lanz“ mit der Bundestagswahl beschäftigt. Vorherrschendes Thema waren verschiedene mögliche Konstellationen bei der Regierungsbildung.
Die Gäste:
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Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär
Herbert Reul, CDU-Innenminister Nordrhein-Westfalen
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes
Robin Alexander, „Welt“-Politikexperte
Darum ging’s:
Regierungsbildung nach der Bundestagswahl, die ausgebliebene Gratulation Laschets zum Wahlsieg von Olaf Scholz, schlechte Wahlergebnisse der CDU, bewaffnete Drohnen.
Der Talkverlauf:
„Wohin geht die Reise?“, diese Frage wiederholt Moderator Markus Lanz bei der Kandidatenvorstellung mehrmals, bevor er Lars Klingbeil zur erfolgreichen Wahlkampagne der SPD beglückwünscht und sich dann an FDP-Politikerin Marie Agnes Strack-Zimmermann wendet, die er im Folgenden in ihrer Rolle als „eine Art Reiseleiterin auf höchstem Niveau“ bei den Koalitionsverhandlungen bezeichnet.
Lars Klingbeil betont erneut den Führungsanspruch seiner Partei und sagt, der SPD-Vorstand habe sich eindeutig und einstimmig dazu entschieden, „dass wir mit den Grünen und mit der FDP verhandeln wollen, dass wir eine Regierung bilden wollen“. Klingbeil habe die entsprechenden Parteien bereits ganz formell darüber informiert. „Fest vorgenommen“ habe sich die SPD allerdings, dass „diese Gespräche anders geführt werden sollen, als damals für die Jamaika-Koalition“. Weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bedeute konkret: Keine Fotos, keine Berichte, keine Interviews.
Eine Diskussion entsteht zur Wahlkampf-Etikette, als Markus Lanz nach einer Gratulation Armin Laschets an Olaf Scholz fragt – die bisher ausblieb. „Das kenne ich eigentlich anders“, sagt Klingbeil. Journalist Robin Alexander hakt ein, Laschet habe bereits „allen Parteien gratuliert, die zugelegt haben“. Für Lars Klingbeil nicht dasselbe. Innenminister Herbert Reul schaltet sich ein und nennt die Debatte „albern“. Strack-Zimmermann löst sie schließlich humoristisch auf, indem sie Lanz, der hartnäckig weiter bohrt, zum Gewinn des Deutschen Fernsehpreises gratuliert.
Die Runde widmet sich den Problemen der CDU und dem frisch für sechs Monate wiedergewählten Unionsfraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus, bei dessen Wahl es beinahe zu einem Eklat gekommen sein soll. „Wenn Laschet stark wäre, hätte er selbst nach dem Fraktionsvorsitz gegriffen“, sagt Klingbeil. „Dafür war er zu schwach.“ Bei der Union würde fast auf offener Bühne gekämpft, sagt Robin Alexander. „Aber Laschet ist immer noch im Spiel.“
Die Rücktrittsforderungen „einzelner Abgeordneter“ gegen Laschet, wie es Reul formuliert, finden sowohl er selbst als auch Strack-Zimmermann höchst unangemessen. Dann lobt die FDP-Politikerin Reul überraschend als „exzellenten Innenminister“. Marie Agnes Strack-Zimmermann könnte ihre Sympathien für Jamaika kaum deutlicher machen, als sie weiterhin die vielen Schnittpunkte der Parteiprogramme der FDP und CDU betont. Eine Präferenz leugnet sie allerdings auf Nachfrage. Dennoch schießt sie im Laufe des Abends immer wieder gegen die SPD. Unter anderem mit dem Satz: „Kevin Kühnert ist nicht die hellste Kerze auf der Torte der Sozialdemokraten.“ Sie gibt den Ton an in dieser Sendung. Reul hält sich auffallend zurück. Journalist Alexander betont im weiteren Verlauf des Abends, dass er eine Annäherung der CDU und der Grünen nicht ausschließt, im Gegenteil. Dass er eine Jamaika-Koalition für die wahrscheinlichste Konstellation hält. Dann kommt Reul doch noch in einen Redefluss und übt vor allem Kritik an seiner eigenen Partei. Sie sei bequem geworden, habe sich schon seit einigen Jahren in eine Richtung entwickelt, die „nicht gerade preisverdächtig“ sei. „Nur den Kanzler stellen, reicht nicht.“
Lanz gefällt das Thema, in der zweiten Hälfte der Sendung geht es hauptsächlich um die Fehler der CDU im Wahlkampf. Lanz bohrt hartnäckig nach den Konsequenzen. Reul verteidigt Laschet und sagt, er fände es „unverantwortlich“, wenn der Kanzlerkandidat jetzt gehen würde. Auch der „Welt“-Journalist bedrängt Reul. Für Strack-Zimmermann kam der „Riss“ in der CDU, als Angela Merkel den Parteivorsitz abgab.
Markus Lanz fehlt die inhaltliche Erneuerung der CDU. Damit meint er auch Klima-Themen, die bei den Christdemokraten „nicht auf dem Radar“ seien. Reul verteidigt sich, indem er anführt, die falschen Schwerpunkte seien im Wahlkampf gesetzt worden, in den Triellen und der öffentlichen Diskussion. Der Moderator bohrt immer weiter. „Diese Inhaltsleere, die es offensichtlich gibt“, sagt Lanz. Die eigenen Parteimitglieder hätten nicht gewusst, wofür Laschet eigentlich stehe. Reul widerspricht. Marie Agnes Strack-Zimmermann spielt erneut die Vermittlerin und schlägt sich dann aber auf Lanz Seite. Themen habe die CDU in diesem Wahlkampf nicht gesetzt.
„Welt“-Journalist Robin Alexander lenkt das Gespräch wieder auf Laschet. Dass dieser früher oder später gehen werde, sei außer Frage – es sei denn, er werde nach erfolgreichen Jamaika-Verhandlungen Kanzler. „Nur noch Frau Strack-Zimmermann kann Herrn Laschet retten“, formuliert Alexander seine These.
Ungelenk und gezwungen versucht Markus Lanz schließlich, eine Diskussion zum Thema bewaffneter Drohnen zu eröffnen. Seine Bemühungen wirken zunächst völlig fehl am Platz. Eine Diskussion entsteht aber nicht, da sowohl Klingbeil als auch Strack-Zimmermann der gleichen Meinung sind.
Schnell geht es dann wieder um die Koalitionsgespräche nach der Wahl. Auf Personalfragen antwortet Strack-Zimmermann ausweichend. Lars Klingbeil gebärt sich ähnlich beim Thema Steuerehöhungen, die Strack-Zimmermann kategorisch ablehnt. Auf einen Streit lassen sich beide an dieser Stelle nicht ein. Reul betont, dass sich in diesem Thema die Union und FDP weitaus ähnlicher sind. Alexander löst die Diskussion auf, indem er die Steuererhöhungen zu einer Schaufensterdiskussion erklärt und behauptet, Scholz wäre der FDP dankbar, würde diese ihn dazu zwingen, eine höhere Vermögenssteuer abzulehnen. Klingbeil erwidert: „Unser Parteiprogramm wird von allen mitgetragen, das unterscheidet uns von der Union.“
Strack-Zimmermann hat das Schlusswort in der Sendung, schließt keinen Koalitionspartner aus und lässt offen, auf wen die FDP nach den Gesprächen mit den Grünen zugehen werde. Dennoch kann sie es nicht lassen, noch ein letztes Mal gegen die SPD zu sticheln.