Monday, April 14, 2025

„Die USA kommen einer Insolvenz gefährlich nahe“: Trump bringt sich mit den Zöllen in eine toxische Lage

Frankfurter Rundschau „Die USA kommen einer Insolvenz gefährlich nahe“: Trump bringt sich mit den Zöllen in eine toxische Lage Fabian Hartmann • 3 Std. • 3 Minuten Lesezeit Handelskrieg 2025 Trumps Zölle halten die Weltwirtschaft in Atem. In den USA wachsen die Sorgen vor einer Rezession. Ökonom Hans-Werner Sinn fordert mehr Zusammenhalt von Europa. München/Luzern – Während die Weltwirtschaft weiter unter Donald Trumps Zollpolitik ächzt und zahlreiche Staaten an die Schwelle eines Handelskriegs mit den USA bringt, sorgte der US-Präsident zuletzt für neue Verwirrung im Zoll-Chaos: Mitte vergangener Woche kündigte Trump an, die neuen Zölle für viele Länder vorerst für 90 Tage auszusetzen. Was bleibt, ist der Basiszollsatz von zehn Prozent für Einfuhren. Auch die 25 Prozent auf Autos, Stahl und Aluminium gelten weiter. Wegen Trumps Zöllen wachsen auch in den USA die Sorgen vor einer Rezession Dann folgte Trumps nächster Rückzieher: Er nahm eine Reihe elektronischer Geräte – darunter Computer und Smartphones – zunächst von den hohen Zöllen aus. Die Zölle auf Importe aus China dagegen belegte er mit weiteren 125 Prozent. Daraufhin reagierte Chinas Präsident Xi Jinping und belegte auch US-Einfuhren mit Zöllen derselben Höhe. Unterdessen ist auch hierzulande die Unsicherheit um die eigene Exportwirtschaft „derzeit außerordentlich hoch“, wie Reuters aus dem April-Monatsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums zitiert. Vor den Folgen der US-Zollpolitik für Deutschland und Europa insgesamt warnt nun auch der Ökonom und frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Im Zuge eines Vortrags am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Universität Luzern nahm sich Ökonom Sinn die US-Zollpolitik für eine Analyse vor. Dabei brachte er die markante These hervor, die USA könnten sich die Auswirkungen von Trumps aggressiver Zollpolitik selbst überhaupt gar nicht leisten, wie das Schweizer Online-Nachrichtenportal Finews meldet. Grund sei, dass die US-Wirtschaft sich gegenwärtig schon deutlich auf Talfahrt befindet. Die Sorge vor einer Rezession im eigenen Land wachsen auch in den USA aktuell massiv, wie sich auch deutlich in der Berichterstattung von US-Medien zeigt. Larry Fink, Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Black Rock, bekundete am Freitag (11. April) gegenüber CNBC, das US-Wirtschaftswachstum könnte zeitnah in eine Rezession umschlagen. Fink betonte, das Aussetzen der Zölle für 90 Tage wird nicht ausreichen, um das Vertrauen in die Wirtschaft wiederherzustellen. In einer ähnlich prekären Lage sieht Unternehmer und Hedgefonds-Manager Ray Dalio die US-Wirtschaft gegenwärtig. Dem Sender NBC erklärte Dalio: „Ich denke, dass wir uns im Moment an einem entscheidenden Punkt befinden und einer Rezession sehr nahe sind. Und ich mache mir Sorgen, dass es etwas Schlimmeres als eine Rezession geben könnte, wenn dies nicht gut gehandhabt wird.“ Ökonom Sinn kritisiert Trumps Zollpolitik – „Von einem Zollkrieg profitiert niemand“ Auch Top-Ökonom Sinn betonte bei seinem Auftritt im Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik in Luzern, dass die USA einer Insolvenz gegenwärtig „gefährlich nahe“ kämen. Dies äußere sich etwa daran, dass der US-Staatshaushalt aktuell auf eine Schuldenkrise zusteuert und Probleme hat, eigene Ausgaben zu finanzieren. Trumps Zollpolitik kann Sinn aus ökonomischer Sicht nicht nachvollziehen. „Von einem Zollkrieg profitiert niemand. Handel bedeutet Austausch: Der eine liefert, der andere bezahlt. Trump denkt und handelt wie ein Lobbyist“, kritisiert der ehemalige Präsident des Ifo-Instituts. Daraus bilanziert Sinn formelhaft, wer internationale Konkurrenz ausschließe, gefährde damit letztendlich gerade auch die eigene Wirtschaft. Top-Ökonom Sinn sieht ausgesetzte Schuldenbremse auch im Zollkonflikt vorteilhaft Während der Vertrauensverlust der Finanzmärkte gegenüber der US-Regierung schon mit der öffentlichen Demütigung Wolodymyr Selenskyjs im Weißen Haus Ende Februar begann, hält er nun schon über viele Wochen an. An den Börsen etwa setzt sich der Kursrutsch fort, und Sinn zufolge sei auch die Kapitalflucht „inzwischen spürbar“, und das auch unter US-Investoren. Wie aber ordnet der deutsche Top-Ökonom die Möglichkeiten Deutschlands und Europas ein, die gravierenden Folgen der US-Zollpolitik langfristig bestmöglich abzufedern? Hierbei verwies Sinn bei seinem Auftritt in Luzern auf die zuletzt ausgehebelte Schuldenbremse und geplante Investitionen von rund 1.000 Milliarden Euro in Verteidigung und Infrastruktur. Zwar sei es „schwierig, so viel Geld sinnvoll auszugeben“, betonte Sinn. In Zeiten der chaotischen US-Administration und des gravierenden Zollkonflikts könnte sich das Aussetzen der Schuldenbremse jedoch als vorteilhaft erweisen. Deutschland könne sich somit verschulden und marode Infrastruktur erneuern, statt einfach zuzusehen, wie sich Industriezweige wie etwa die Automobilproduktion Richtung USA verabschiede. Auch kritisiert der Ökonom, dass die Schlüsselfigur Europa in geopolitischen Belangen wie dem Ukraine-Krieg ausgeklammert werde: „Russland und die USA spielen Pingpong mit Europa“, sagte Sinn in Luzern. Einen Lösungsansatz für Europa sieht er darin, politisch und militärisch enger zusammenzurücken. „Es ist Zeit für die Vereinigten Staaten von Europa“, formulierte Sinn es zugespitzt. „Die Nachteile eines solchen Schrittes sind mir bekannt. Aber wir haben keine andere Wahl“, betonte er.