Monday, November 11, 2024

Kühl ist nicht gleich cool

Kühl ist nicht gleich cool RP ONLINE • 13 Std. • 3 Minuten Lesezeit Düsseldorf. Der Wahlkampf ist nach dem Bruch der Ampelkoalition unversehens in die heiße Phase getreten. Der noch amtierende Kanzler glaubt, cooler zu sein als sein größter Kontrahent. Kann das wahr sein? Olaf Scholz findet sich selbst cool. Zumindest „etwas cooler, wenn es Staatsangelegenheiten betrifft“, als seinen Herausforderer bei der nächsten Bundestagswahl, Friedrich Merz von der CDU. Das war neben der Ankündigung des Kanzlers, unter Umständen doch noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen, eine weitere Überraschung beim Talk mit Caren Miosga am späten Sonntagabend in der ARD. Zwar kennen die Leute Scholz als einen, der mit unbewegter Miene sprechblasenartige Redebeiträge abliefert, was ihm schon zu seinen Zeiten als SPD-Generalsekretär zwischen 2002 und 2004 den Spitznamen „Scholzomat“ eingebracht hat – ein Schmähbegriff, den der Sozialdemokrat damals als durchaus „treffend“ bezeichnete. Die „taz“ hat einmal ein Interview mit ihm gedruckt, in dem alle Antworten geschwärzt waren, weil sie so abgrundtief gehaltlos schienen. Scholz wirkt oft kühl, aber ist der Mann deshalb auch cool? Als Vokabel aus der Jugendkultur ist cool schon etwas angegraut. Dafür behauptete sie sich im Sprachgebrauch schon erstaunlich lange und ist somit in ihrem Beharrungsvermögen der SPD im politischen Betrieb nicht unähnlich. 1983 taucht „cool“ erstmals im Illustrierten Lexikon der Deutschen Umgangssprache auf, wo es sowohl als Synonym zu „schwungvoll“ als auch zu „gelassen“ beschrieben wurde. Allerdings veröffentlichte die Disco-Gruppe Boney M. schon 1976 den Popsong „Daddy Cool“, ihr erster großer Erfolg. Aber damit war gewiss nicht Olaf Scholz gemeint, der damals gerade erst ein Jahr bei den Jusos war. Cool konnte man auf der politischen Bühne zu jener Zeit höchstens Helmut Schmidt finden, Scholz‘ Vor-Vor-Vor-Vorgänger im höchsten Regierungsamt. Sprachforscher glauben, die Wurzel des Wortes in der Jazz-Szene gefunden zu haben. In den amerikanischen Klubs der 50er und 60er Jahre war es oft mörderheiß, vor allem bei den Musikern floss der Schweiß in Strömen. Also spielten sie zu Abkühlung immer wieder einmal ruhige Stücke, bei denen man sich auch körperlich nicht groß ins Zeug legen musste, und - schwupps – war nicht nur der Cool Jazz geboren, sondern auch die Haltung einer jungen, aufstrebenden Generation. „Cool“ avancierte zu einem der höchsten Prädikate, die für Dinge oder Verhaltensweisen vergeben werden können. Wer wirklich cool ist, fühlt sich nicht bloß allen anderen überlegen, was in einer bestimmten Lebensphase durchaus wichtig ist. Er findet auch die entsprechende Bestätigung durch seine Mitmenschen, die den Coolsten unter ihnen seit jeher huldigen, weil sie alle so sein wollen wie ihre Vorbilder. Ja, „cool“ ist derart ultimativ, dass es sogar einen Superlativ gibt, nur noch gesteigert durch supercool, ultracool oder megacool. Nun ist es tatsächlich nicht so, dass auch Friedrich Merz in irgendeiner Weise cool wirkte. Im Gegenteil: Neben Scholz erscheint er geradezu übereifrig. Merz spricht viel schneller, mit sehr viel mehr Temperament, und oft haben sich die Christdemokraten schon gewünscht, er hätte besser eine der berühmten Sprechblasen seines sozialdemokratischen Kontrahenten verwendet oder ganz geschwiegen, anstatt sich um Kopf und Kragen zu reden. Wie auch immer: Scholz mag der Kühlere von beiden sein, aber „cool“ ist eben was anderes. Richtig cool bleibt ein Spruch des 33. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Harry S. Truman, in Erinnerung, der das politische Geschäft einmal mit den Worten beschrieb: „If you can’t stand the heat, get out of the kitchen.“ Auf Deutsch: „Wer keine Hitze verträgt, sollte aus der Küche verschwinden.“ Während seiner Präsidentschaft von 1945 bis 1953 verwendete der Demokrat, der für seine direkte Aussprache berühmt war, den Ausspruch wiederholt, als sich Entscheidungsträger in schwierigen Situationen über ihre Lage beklagten. Olaf Scholz jedenfalls ist es in seiner Berliner Koalitionsküche in der vergangenen Woche eindeutig zu heiß geworden. Jedenfalls hat er einen seiner Spitzenköche gefeuert. Wie hitzeresistent, geschweige denn cool ein Friedrich Merz agieren wird? Abwarten.