Monday, November 11, 2024
Kränkelnde Wirtschaft, hohe Energiepreise, Inflationsschock – was nach dem Ampel-Aus bleibt
Merkur
Kränkelnde Wirtschaft, hohe Energiepreise, Inflationsschock – was nach dem Ampel-Aus bleibt
Theresa Breitsching • 12 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Ein Nachruf
Das Aus der Ampel-Koalition fällt in eine Zeit, in der die deutsche Wirtschaft schwer unter Druck steht. Ein Rückblick zeichnet ein düsteres Bild.
Berlin – „Wir haben es verkackt“, kommentiert der SPD-Außenexperte Michael Roth das Ampel-Aus. „Diese Beziehung, diese Ménage-à-trois war zerrüttet“, so Roth im BR Fernsehen – am Ende hätten alle versagt, nicht nur FDP-Vorsitzender und Ex-Finanzminister Christian Lindner. Ein Nachruf auf die Ampel-Koalition bringt ein düsteres Bild zu Tage: Die Wirtschaft steckt in der Krise, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Energiepreise bleiben hoch – und vieles bleibt voraussichtlich liegen.
Ampel-Koalition gibt es nicht mehr – wo bleibt das „Wirtschaftswunder“?
Zum Ampel-Aus war es wegen Uneinigkeit über die Aussetzung der Schuldenbremse gekommen. Daraufhin entließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den ehemaligen Finanzminister Lindner. „Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden“, meinte er. Die Bundesregierung besteht seitdem nur noch aus zwei Partnern: SPD und Grüne. Nicht alle FDP-Politiker haben das Kabinett jedoch verlassen, denn Verkehrsminister Volker Wissing bleibt als Parteiloser im Amt.
Das Ampel-Aus kommt zu einer Zeit, in der Deutschlands Wirtschaft sowieso schon kränkelt. Dabei hatte Scholz noch letztes Jahr ein „Wirtschaftswunder“ angekündigt. Damals meinte er zur Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren.“
Mit der Ankündigung eines „grünen Wirtschaftswunders“ hatte die Ampel-Koalition auch 2021 gestartet. Doch 2024 ist klar, was davon übrig geblieben ist: Eine schwache Wirtschaft, die von Stellenabbau und Insolvenzen geprägt ist, hohe Energiepreise und die drohende Gefahr einer Deindustrialisierung. Es bleibt die Frage: Welche Bilanz kann die Ampel-Koalition aus den letzten Jahren ziehen?
Probleme der Wirtschaft bleiben auch nach dem Ampel-Aus
Die deutsche Wirtschaft kann bis zum Jahresende weiterhin nicht auf Aufschwung hoffen. Kürzlich veröffentlichte Zahlen der Bundesbank belegen, dass auch im letzten Quartal die „wirtschaftliche Aktivität aus heutiger Sicht in etwa stagnieren“ wird. Deutschland befindet sich damit aktuell in einer sogenannten technischen Rezession: Zwei aufeinanderfolgende Quartale mit rückläufigem Bruttoinlandsprodukt (BIP) deuten auf eine anhaltende Schwächephase der Wirtschaft hin. Schon im Frühjahr zeigte sich ein leichtes Minus beim BIP, und auch im Sommerquartal ist die Wirtschaftsleistung erneut leicht gesunken.
Der starke Anstieg der Inflations- und Energiepreise nach der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg, ließ die Realeinkommen und das Sparvermögen der Deutschen erheblich schmälern. Dies lag zwar nicht in der Verantwortung der Bundesregierung, jedoch erschwerte die Politik der Ampelkoalition Bürgern und Unternehmen gleichermaßen den Weg aus dem Inflationsschock, schreibt die FAZ. So hätten das eingeführte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und andere Regulierungen die Kosten für Unternehmen spürbar erhöht, während die Klimawende viele Bürger verunsicherte – insbesondere Vizekanzler Robert Habecks (Grüne) Heizungsgesetz.
Klimabilanz der Ampel: Debakel um Heizungsgesetz, Photovoltaik stark
Unternehmer Max Viessmann kommentierte das Heizungsgesetz-Debakel im Frühjahr: „Was rund um die Wärmepumpe passiert ist, ist an Dramatik nicht zu überbieten.“ Die Wärmepumpentechnologie sei kaputt geredet geworden. „Was an Mythen verbreitet wurde, an Polarisierung und Populismus stattgefunden hat, hat mich fassungslos gemacht.“ Der Absatz, der zeitweise auf 360.000 Einheiten pro Jahr gestiegen war, geriet ins Stocken und dürfte nun nur noch leicht über dem Niveau vor der Ampel-Koalition liegen. Das Ziel, jährlich 500.000 neue Wärmepumpen zu installieren, wurde daher nicht erreicht.
Während der Ausbau von Photovoltaikanlagen seit Regierungsbeginn um etwa 60 Prozent zulegen konnte, blieb das Wachstum im Bereich der Windkraft an Land mit nur 1,6 Prozent deutlich zurück. Dennoch konnte der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Stromverbrauch von 44 auf 57 Prozent gesteigert werden. „Wir sind auf Kurs“, meinte Habeck im Herbst im Hinblick auf den deutschen Strommix. In den ersten neun Monaten wurden rund 218 Terawattstunden Strom über erneuerbare Energien produziert.
Zudem hat sich die Anzahl batteriebetriebener Elektroautos auf Deutschlands Straßen auf 1,5 Millionen fast verdreifacht. Bei insgesamt 49 Millionen zugelassenen Pkw bleibt der Anteil der E-Autos jedoch weiterhin gering. Das Ende der staatlichen Subventionen im Jahr 2023 und die hohen Anschaffungskosten haben die Nachfrage zudem stark gebremst. Aufgrund der geringen Nachfrage schwächelt zudem der hiesige E-Automarkt und die Neuzulassungszahlen gehen zurück.
Wohnungsbau in der Krise, Beschäftigung im Öffentlichen Dienst steigt massiv – Ampel verfehlt Ziele
Ihre Ziele verfehlt die Ampel-Koalition auch beim Wohnungsbau und das, obwohl im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Für das aktuelle Jahr wird ein Rückgang auf etwa 260.000 Neubauten prognostiziert. Gründe für den Rückgang sind etwa das gestiegene Zinsniveau und die anhaltende wirtschaftliche Stagnation. Die Branche bleibt aufgrund düsterer Prognosen weiterhin ein Sorgenkind der deutschen Wirtschaft.
Die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften haben sich während der Ampel-Koalition zudem deutlich verschlechtert, schreibt die FAZ. Die Lohnstückkosten stiegen um 14,8 Prozent, zuletzt sogar stärker als in anderen Ländern. Trotz des leichten Rückgangs der Energiepreise im Vergleich zu den Vorjahren bleiben sie im internationalen Vergleich hoch.
Zudem erhöhten sich die Sozialversicherungsabgaben von 40 auf 40,9 Prozent, und könnten bald sogar 44 Prozent erreichen. Der Staat liegt dem Steuerzahler auch mit seiner Beschäftigungsinitiative auf der Tasche: Rund 170.000 neue Stellen schaffte er im öffentlichen Dienst. Ganz im Gegensatz dazu steigt die Arbeitslosenquote: Am Ende der Ampel-Koalition liegt diese bei 6 Prozent – höher als zum Koalitionsstart, als sie bei 5,1 Prozent lag.
Nach dem Ampel-Aus bleibt vieles liegen: Energiepolitik kommt ins Stocken
Mit dem Ende der Ampel-Koalition dürften auch einige Vorhaben liegen bleiben. Zum einen wackelt laut Spiegel der Plan, eine Lösung für eingespeisten Strom zu Überfluss-Zeiten zu finden. In Zeiten, in denen die Sonne scheint und zu viel Strom eingespeist wird, wollte die Regierung verhindern, dass staatliche Vergütungen ausbezahlt werden. Das sollte den Ausbau von Batteriespeichern vorantreiben.
Außerdem sollte die Abschaffung der Einspeisevergütung Milliarden einsparen. Der Energieökonom Bauer berechnete erst kürzlich, dass diese Kosten in den kommenden Jahren deutlich ansteigen werden. Dieses Jahr könnten 23 Milliarden Euro fällig werden, 2025 bereits 25 Milliarden und 30 Milliarden im Jahr 2026. „Das sind konservative Zahlen. Wenn es mehr wird, würde mich das nicht überraschen“.
Ein zentrales Thema der Energiepolitik war es auch gewesen zu klären, wie die Stromversorgung nach dem Atomausstieg und dem geplanten Kohleausstieg aufrechterhalten werden soll. Mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz sollten neue Gaskraftwerke gebaut werden, die später auf Wasserstoff umgestellt werden sollten. Zudem sollte die Modernisierung vorhandener Anlagen vorangetrieben werden. Doch das Gesetz wurde noch nicht vom Bundestag verabschiedet.
„Der Staat darf nicht der Gewinner der Inflation sein“
Ex-Finanzminister Lindner betonte in der Vergangenheit, dass der Staat nicht der Gewinner der Inflation sein dürfe. Die Aussage bezog sich auf die „kalte Progression“, wenn Gehaltserhöhungen den Steuerzahler in eine höhere Steuerklasse rücken, obwohl die Erhöhung lediglich die gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgleicht – und eben keine realen Einkommensgewinne erzielt werden. Linder plante, die Grundfreibeträge und Tarifeckwerte bis 2026 anzupassen und die Steuerzahler so um rund 23 Milliarden Euro zu entlasten.
Zudem steht auch in Frage, ob 2025 die diskutierten Änderungen beim Kindergeld umgesetzt werden. Aktuell sieht es so aus, als würde nach dem Ampel-Ende auch die Kindergeld-Reform nicht mehr umgesetzt werden. Scholz will jedoch einige andere Projekte, die „keinerlei Aufschub“ dulden, umsetzen: Entlastungen bei der Einkommenssteuer, das Rentenpaket, Änderungen bei der Asylpolitik sowie Unterstützung für die Industrie.