Saturday, November 16, 2024

Bundestag: SPD-Politiker warnt vor AfD-Stimmen bei Vertrauensfrage

Handelsblatt Bundestag: SPD-Politiker warnt vor AfD-Stimmen bei Vertrauensfrage Artikel von Neuerer, Dietmar • 34 Mio. • 4 Minuten Lesezeit Olaf Scholz: Der Bundeskanzler wird die Vertrauensfrage stellen. Eine Frage ist: Wie wird sich die AfD verhalten? d Der Weg zu Neuwahlen geht nur über die Vertrauensfrage von Olaf Scholz. In der SPD gibt es die Sorge, dass die AfD den Plan des Kanzlers durchkreuzen könnte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hat mit Blick auf die Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Risiko gewarnt, dass die AfD-Fraktion den Neuwahl-Plan torpedieren könnte. „Wenn die Gefahr besteht, dass die AfD für den Kanzler stimmt, damit die Vertrauensfrage scheitert, werden wir handeln“, sagte Schäfer dem Handelsblatt. Die Fraktion werde vor der Vertrauensabstimmung am 16. Dezember ihr Vorgehen festlegen. „Die Option könnte dann sein, dass sich unsere Abgeordneten enthalten.“ Hintergrund ist, dass Scholz die Vertrauensfrage mit dem Ziel stellt, sie zu verlieren, um zu der für den 23. Februar terminierten Neuwahl zu kommen. Die Abstimmung verliert er, wenn er die absolute Mehrheit der Stimmen der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages, die Kanzlermehrheit, verfehlt. Derzeit sind das 367 Stimmen bei insgesamt 733 Bundestagsabgeordneten. Erwartet wird, dass die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen (324 Mandate) für den Kanzler stimmen. Die Sorge ist allerdings, dass die AfD mit ihren 76 Mandaten ebenfalls für Scholz stimmt, um den Neuwahl-Plan zu durchkreuzen. Scholz könnte in diesem Fall eine weitere Vertrauensfrage stellen, allerdings wäre die gesetzlich vorgeschriebene 48-Stunden-Frist zu beachten, sagte der Berliner Staatsrechtler Alexander Thiele dem Handelsblatt. „Das alles wäre allerdings politisch eine mittelschwere Katastrophe“, warnte er. „Die Regierungsfraktionen sollten sich daher enthalten.“ Enthaltungen würden rechtlich wie eine Nein-Stimme gewertet werden. Scholz will bis Jahresende Sofortmaßnahmen zu Stärkung der Wirtschaft umsetzen In der Vergangenheit haben Abgeordnete ihrem Kanzler schon das Vertrauen versagt. Bei Gerhard Schröder war das zum Beispiel der Fall, als dieser 2005 die Vertrauensfrage stellte. Seinerzeit schlug der damalige SPD-Partei- und Fraktionschefs Franz Müntefering den SPD-Abgeordneten vor, ihrem Kanzler das Vertrauen zu entziehen, indem sie sich der Stimme enthalten. Eine Mehrheit der Abgeordneten sprach Schröder schließlich, wie vorgesehen, nicht das Vertrauen aus, wozu auch eine erhebliche Anzahl von Enthaltungen aus dem rot-grünen Lager zählte. Die Vertrauensfrage ist nicht nur für Neuwahl wichtig, sondern auch für etwaige Beschlüsse im Parlament, die die Unionsfraktion mittragen könnte. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat sich offen gezeigt, mit SPD und Grünen über weitere Projekte zu sprechen, die in der Woche vor Weihnachten gemeinsam im Bundestag beschlossen werden könnten. Allerdings erst nach der Vertrauensfrage. „Dann können wir über gemeinsame Entscheidungen sprechen“, sagte Merz. „Allerdings nur solche, die nicht für den Haushalt 2025 relevant wären.“ Scholz strebt indes bis Jahresende noch Sofortmaßnahmen an, um die deutsche Wirtschaft zu stärken, etwa eine rasche Stabilisierung der Netzentgelte, um Unternehmen bei den Stromkosten zu entlasten. „Wir brauchen kurzfristig neue Impulse, damit es wieder bergauf geht“, sagte Scholz am Freitag nach einem erneuten Industriegipfel im Kanzleramt in Berlin. „Wir sollten die nächsten Wochen nutzen, um Maßnahmen zu verabschieden, auf die Unternehmen und Arbeitnehmer dringend warten.“ Nach der Ansage von Merz ist aber völlig offen, ob die von Scholz vorgeschlagenen Vorhaben bis zur Neuwahl im Februar umgesetzt werden. Den Industriestandort zu stärken und Industriearbeitsplätze zu sichern – das könnte aber eine Hauptbotschaft der SPD im Wahlkampf sein. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sieht Scholz in der Pflicht. Er sagte, es sei nun an der Bundesregierung, politische Mehrheiten für die ihr wichtigen Vorhaben auszuloten. SPD-Führung zögert mit der Nominierung von Scholz Allerdings hat Scholz derzeit mit Gegenwind auch aus der eigenen Partei zu kämpfen. Die SPD-Führung zögert mit seiner Nominierung als Kanzlerkandidat, während gleichzeitig die Debatte weitergeht, ob nicht Verteidigungsminister Boris Pistorius der bessere Kanzlerkandidat wäre. Eine Entscheidung der Parteiführung wird bis zu einer sogenannten „Wahlsieg-Konferenz“ am 30. November erwartet. So mancher in der SPD denkt, dass es nur noch mit Pistorius eine Chance gibt, den Rückstand zur Union aufzuholen. Bisher trauen sich das aber nur Einzelne aus der dritten und vierten Reihe zu sagen. Ein „Grummeln“ in der Partei will selbst Fraktionschef Rolf Mützenich nicht abstreiten. Der SPD-Politiker Schäfer relativierte die Kritik an Scholz‘ Kandidatur. „In der Fraktion gibt es kein artikuliertes Grummeln. Es gibt niemanden, der unter vier Augen sagt, wir brauchen einen anderen als Scholz“, sagte er. „Und darauf kommt es an.“ Wenn der Kanzler anderer Meinung sei und nicht mehr kandidieren möchte, wäre das seine Sache. „Aber er hat die komplette Unterstützung der Fraktion“, betonte Schäfer. „Das ist für mich ein entscheidender Maßstab.“ Scholz selbst antwortete in einem Interview ausweichend auf die Frage, ob er sich unter bestimmten Umständen vorstellen kann, seine Kanzlerkandidatur zu überdenken. „Na ja, die Umstände der nächsten Wahl sind doch ziemlich klar“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ lediglich. Auf die Nachfrage, wie es denn bei einer Verschlechterung der Umfragewerte wäre, fügte er hinzu: „Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben. Wir müssen auf Zusammenhalt setzen – und nicht auf ein Gegeneinander in unserer Gesellschaft.“ Vor der vergangenen Bundestagswahl lagen Scholz und die SPD zweieinhalb Monate vor der Wahl bis zu 16 Prozentpunkte hinter der Union. Ein Lacher von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Flutgebiet drehte die Stimmung. Die SPD gewann am 26. September noch mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde Kanzler der ersten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene. Jetzt liegt die SPD rund 100 Tage vor der Wahl in den Umfragen 16 bis 18 Prozentpunkte hinter der Union auf Platz drei – noch hinter der AfD.