Wednesday, February 7, 2024
Trigema in der Kritik - „Wolfgang Grupp hat genug Mitarbeiter fertig gemacht und kennt nur Schwarz und Weiß“
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Trigema in der Kritik - „Wolfgang Grupp hat genug Mitarbeiter fertig gemacht und kennt nur Schwarz und Weiß“
Geschichte von Von Autor Oliver Stock • 1 Std.
Wolfgang Grupp, bis Ende 2023 Senior-Chef von Trigema picture alliance/dpa
Trigema und die Familie Grupp gehören in Deutschland zu den Unternehmerlegenden. Es ist daher mehr als nur Nestbeschmutzung, wenn jemand anderer Meinung ist. Aber ausgerechnet die Mitarbeiter sind von Grupps Leistungen nicht überzeugt. Sie äußern ihren Ärger auf Jobbewertungsportalen. Die Grupps können das nicht verstehen.
Nach außen hin ist Trigema im schwäbischen Burladingen, wo der Sport- und Freizeitbekleidungshersteller seinen Sitz hat, eine Top-Firma. Der Senior Wolfgang Grupp setzt sich öffentlichkeitswirksam für Deutschland als Produktionsstandort ein, was in der Textilbranche Seltenheitswert hat. Er wirbt damit, alle Rohstoffe für Trigema-Kleidungsstücke in EU-Ländern zu erwerben und seit mehr als 30 Jahren weder auf Kurzarbeit noch betriebsbedingte Entlassungen zurückgegriffen zu haben. Er geht sogar so weit, dass Mitarbeitern ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz bei Trigema für ihre Kinder garantiert wird.
Der schwäbische Unternehmer, der gerne in seinem eigenen Helikopter zu Terminen reist, repräsentiert den heimischen Mittelstand noch immer wie kaum ein anderer. Und er ist auch immer für einen kernigen Spruch zu haben: In Krisenzeiten sagte er kürzlich dem SWR, er vertraue nicht der Politik, stattdessen sehe er sich selbst in der Rolle des Machers. Probleme sind für ihn zum Lösen da: „Wer ein großes Problem hat, ist für mich ein Versager.“ Denn jedes Problem war einmal klein und hätte man es gelöst, als es klein war, hätte man kein großes.
Zum Jahresende ist der 81-jährige Wolfgang Grupp von fast allen seinen Ämtern und Funktionen im Unternehmen zurückgetreten und hat seiner Ehefrau und den beiden Kindern die Führung des Unternehmens anvertraut. Wolfgang Grupp junior lässt bereits von sich hören, wenn er ebenfalls dem Stammsender SWR sagt: „Ich habe die Hoffnung in unser politisches System noch nicht ganz aufgegeben.“ Es besteht kein Zweifel: Die Familie ist eine jener mittelständischen Unternehmerdynastien, von denen eher mehr als weniger hierzulande benötigt werden.
Eigentlich müsste es mehr von ihnen geben
Doch auch solche Legenden haben eine andere Seite, und die wird öffentlich, wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Chef und das Unternehmen da äußern, wo sie sich hinter Anonymität verbergen können: auf Social Media und insbesondere in Arbeitgeber-Bewertungsportalen. Das ist auf der einen Seite unfair, weil die so öffentlich Angegriffenen nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Auf der anderen Seite schützt es die Tippgeber und ist eine relevante Information für jene, die - in diesem Fall Trigema - als möglichen Arbeitgeber in Betracht ziehen. Und solche werden derzeit eher abgeschreckt, sich in Burladingen zu bewerben.
Jüngster Auslöser für Kritik am Seniorchef und seinem Unternehmen war ein Fernsehauftritt des Grupp-Seniors, bei dem er berichtete, dass ihm ein Insolvenzverwalter vorgeschwärmt habe, wie lohnend eine Pleite für ihn sein könnte. „Wenn so etwas in einem Rechtsstaat möglich ist und die Insolvenzkanzlei nicht sofort aufgelöst wird, dann tut es mir leid“, schimpfte Grupp und erhielt zustimmende Kommentare auf X. Nicht so ein Mitarbeiter. Er schrieb: „Ich finde, wir haben den Chef aus glücklicherweise vergangener Zeit genug gefeiert. Er hat genug Mitarbeiter fertig gemacht, weil es für ihn nur Schwarz und Weiß gibt.“
„Verseuchter Betriebsrat“
Die Kritik ist alles andere als ein Einzelfall. In Arbeitgeber-Bewertungsportalen wie Kununu schreibt ein Trigema-Angestellter aus der Verwaltung von einem „enttäuschenden Unternehmen“ mit einem „verseuchte Betriebsrat“. Es werde viel Wert darauf gelegt, nach außen gut dazustehen. „Leider ist das Gegenteil der Fall.“ Ein anderer schreibt: „Wer gut kriechen kann und immer schön ‚Ja‘ sagt, wird gefördert. Wer fachlich kompetent ist und sagt, was er denkt (sachlich), wird klein gehalten.“ Die Geschäftsleitung spiele überall die heile Welt vor. Doch leider seien vor allem die jungen Chefs sehr abgehoben. „Der Senior Chef ist da eher noch alte Schule und mit ihm konnte man bei Problemen auch reden.“ Ältere Kollegen würden meist „von der neuen Geschäftsleitung niedergemacht und rausgeekelt, weil sie alte Verträge haben und somit mehr Geld kosten“. Ein Dritter antwortet kurz und bündig auf die Frage, was gut an Trigema sei: „Nichts“. Auf die Frage, was er schlecht finde, schreibt er: „Alles.“ Beim Punkt „Kommunikation“ lautet der Eintrag im Portal: „Gebrüll“. Eine Vierte schreibt: „Im Fernsehen klingt Trigema wie ein Sechser im Lotto. In der Realität ist es das Gegenteil. Schade eigentlich. Man hätte aus dieser Firma so viel herausholen können. Echt schade.“
Vielen Einträgen gemein: Die Klage über den bescheidenen Lohn. Es gebe zumindest für die Neuen kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld und nur 25 Tage Urlaub. Auch in anderen Jobbewertungsportalen kommt Trigema nicht gut weg. So heißt es etwa bei Indeed mit Blick auf mögliche Bewerber: „Wenn Du nur ein bisschen Geld verdienen möchtest, ist es okay. Aber es ist definitiv kein Unternehmen für die Zukunft.“
Trigema selbst reagiert auf Anfrage so: „Wir wollen, dass alle Kolleginnen und Kollegen jeden Tag gerne zur Arbeit kommen.“ Zur Bezahlung heißt es: Sie sei tariflich geregelt und es gebe zahlreiche Benefits, etwa eine betriebliche Altersvorsorge, Fahrradleasing und einen Fitness-Pass. Bei allen nach 2005 eingetretenen Beschäftigten werde das Urlaubs- und Weihnachtsgeld über das reguläre Jahresgehalt ausgezahlt. Das Unternehmen habe seit mehr als 50 Jahren Kurzarbeit und betriebsbedingte Entlassungen vermeiden können und garantiere den Kindern der Mitarbeitenden nach ihrem Schulabschluss einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 16 Jahren gegenüber dem Bundesdurchschnitt aller Unternehmen von rund elf Jahren im Jahr 2023 gehören man zu den verlässlichsten Arbeitgebern Deutschlands.
Verlässlicher Arbeitgeber
Wie kommen also die schlechten Bewertungen zustande? Tatsächlich landen in Bewertungsportalen vornehmlich kritische Kommentare, was daran liegt, dass sich Kritiker oft so sehr ärgern, dass sie ihre Wut Luft machen, während sich diejenigen, denen es in einem Unternehmen gut geht, eher nicht äußern. Arbeitgeber kennen das und reagieren entsprechend. So hat beispielsweise der westfälische Landmaschinenhersteller Claas, auch ein Familienbetrieb in mittlerweile dritter Generation, eine Personalabteilung, die auf Kritik in Bewertungsportalen unmittelbar – und genauso öffentlich - reagiert. Da wird manches anders dargestellt, oft erscheint aber auch ein Dank für den kritischen Hinweis, dem man nachgehen möchte. Bei Trigema ist das jedenfalls bislang nicht der Fall.