Monday, July 3, 2023

Millionen, über die niemand spricht: DFB steht kurz vor einem fatalen Strudel

Berliner Zeitung Millionen, über die niemand spricht: DFB steht kurz vor einem fatalen Strudel Artikel von Jan Christian Müller • Vor 1 Std. Zu den Besonderheiten des Fußballtrainerjobs gehört es, dass die vertraglich vereinbarte Entlohnung so lange niemanden interessiert wie Siege nicht ausbleiben. Für den Fall einer unverhofften sogenannten „Spirale des Misserfolgs“ beginnen beflissene Medienleute, alsbald zu schaufeln und zu buddeln. Und siehe da: Heraus kommen gerade im Fall des amtierenden Bundestrainers Schlagzeilen wie „Ausgerechnet Flick verdient am meisten“ (Bild) oder der erkennungsdienstliche Hinweis der Süddeutschen Zeitung, Hansi Flick habe im Sommer 2021 in den Verhandlungen mit dem seinerzeit im DFB verantwortlichen Geschäftsführer Oliver Bierhoff „richtig abgeräumt“. Seit Wochen schon kursiert die Größenordnung sechs Millionen Euro pro Jahr – noch mal ein paar Bündel mehr jedenfalls, als Joachim Löw zuletzt kassierte. Nicht zu vergessen: Dessen Vertrag war noch kurz vor der WM 2018 als amtierender Weltmeistertrainer bis ursprünglich Dezember 2022 prolongiert worden und entsprechend üppig honoriert. Als Löw dann einigermaßen entnervt schon anderthalb Jahre früher aufgab, nahm Flick die Offerte des DFB gerne an. Er verfügte als vielfacher Meistertrainer des FC Bayern über beste Referenzen, die vom Verband großzügig geldwert anerkannt wurden. Kaum anzunehmen, dass der mitsamt Schatzmeister Stephan Grunwald erst ein dreiviertel Jahr später ins Amt gehievte DFB-Präsident Bernd Neuendorf ähnlich spendabel aufgetreten wäre. Den beiden wurde nämlich bei einem Kassensturz sehr bald klar, dass die Finanzlage prekär ist. Knapp 20 Millionen Euro Minus macht der DFB jährlich. Wenn er sich nicht einschränkt, gerät er in einen fatalen Strudel. Auch Grunwalds Vorgänger Stephan Osnabrügge hatte mehrfach auf dringenden Sparzwang hingewiesen. Es mutet daher geradezu abenteuerlich an, wieso, weshalb und warum der DFB im Sommer 2021 noch bereit war, sich in den Verhandlungen mit Flicks versiertem Ludwigsburger Anwalt Christoph Schickhardt auf einen derart überdimensionierten Bundestrainervertrag überhaupt einzulassen. Es zeigt auch ein Stück die damalige Dekadenz des gemeinnützigen Verbands, in dem das Controlling offenbar versagte. So steckt man im geläuterten DFB und den ihm angeschlossenen Task Forces nun in dem Schlamassel, dass für den Fall fortgesetzter Enttäuschungen auch im September bei den Länderspielen gegen Japan und Frankreich selbst der zur tiefen Treue neigende Sportdirektor Rudi Völler sich sachlich-fachlich für eine Trennung von Hansi Flick aussprechen könnte, diese aber in der Realität auch aus Kostengründen besonders schmerzlich wäre. Oder deshalb gar nicht geschähe. Denn wie will man der Belegschaft und der Basis der Amateure vor diesem Hintergrund beibiegen, dass sie künftig im Jahr 20 Millionen Euro einzusparen haben, beziehungsweise dann gar 26 Millionen? Kaum vermittelbar, so was. Die verbandsintern just auf der Zielgeraden befindliche interne Revision mit zehn Arbeitsgruppen, die nach Sparpotenzialen fahnden, soll am 4. Juli vorgestellt werden. Selbst die Stiftungen zu guten Zwecken bleiben vor Einschnitten nicht unberührt. Eine der zehn Fachgruppen darf noch weiter werkeln, ehe die Gesamtergebnisse in einem laut DFB „ganzheitlichen Konsolidierungskonzept“ münden. Zeitlich hintendran ist derzeit noch die Arbeitsgemeinschaft „Nationalmannschaften und Akademie“. Dort könnte man sich zum Beispiel die Besoldung der Nationalspieler für deren Marketingaktivitäten in Obhut des DFB einmal näher anschauen. Das Einsparpotenzial wäre bemerkenswert. Vom 1. Juli an ist es laut dem neuen, von Präsident Neuendorf und DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich recht bravourös mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ausgehandelten Grundlagenvertrag so: Der DFB zahlt statt zuvor 20 Millionen Euro künftig nur noch 12,5 Millionen Euro pro Saison „für die Ermöglichung umfangreicher Werbeleistungen von Nationalspielern“ an die DFL. In Spieljahren mit EM- oder WM-Turnieren erhöht sich dieser Betrag auf 14,5 Millionen Euro. Diese Zahlen haben DFB und DFL – neben den erheblich gesteigerten Überweisungen der DFL an den DFB von künftig bis zu 39 (statt zuvor 26) Millionen Euro jährlich – gerade erst transparent veröffentlicht. Weniger auskunftsfreudig ist man im Verband aber, wenn es um die Bitte nach tieferen Einblicken in die Vergütung der Werbemaßnahmen der Nationalspieler geht. Aus der aktuellen DFB-Bilanz ist für das Jahr 2021 herauszulesen: Der DFB nahm mit dem Sponsoring fast 122 Millionen Euro ein, den Mammutanteil durch das A-Team, allen voran dank der Großsponsoren Volkswagen und Adidas, aber auch dank der digitalen Banden bei Länderspielen und weiteren Partnern wie Coca Cola, Lufthansa, der Commerzbank oder Telekom und der internationalen TV-Vermarktung. Zu den 122 Millionen Euro aus dem Sponsoring gesellen sich 7,5 Millionen Euro aus dem Lizenzgeschäft (z.B. Panini-Bildchen, Nutzung des DFB-Emblems), von denen laut Gewinn- und Verlustrechnung fast ein Viertel, nämlich 1,8 Millionen Euro, direkt an Spieler, Trainer und Manager weitergereicht wird. Wie viel aber bekommen Naionalspieler, Bundestrainer und Assistenten sowie der Sportdirektor von den 122 Millionen aus dem Sponsoring? In der DFB-Bilanz wird lediglich ausgewiesen, dass 26,77 Millionen Euro als nicht näher bezifferter Aufwand wieder abgezogen werden, sehr viel Geld, so dass im Saldo nur noch rund 95 Millionen Euro übrigbleiben. Nachfragen beim DFB, was es mit den 26,77 Millionen Euro auf sich hat, führen weitgehend ins Leere, Vermittlungszahlungen an Agenturen könnten eine Rolle spielen, zudem die Bereitstellung der Banden und der technische und personelle Aufwand für Marketingaktivitäten. Vor allem aber gibt es auf Anfrage der Frankfurter Rundschau (FR)mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Abmachungen mit den Spielern keine Antwort darauf, welche Summen aus dem Sponsoring auf die Konten der Spieler/Trainer/Manager fließen. Nach FR-Informationen kassiert ein Nationalspieler 20.000 pro Nominierung aus den Sponsoringeinnahmen des DFB, obwohl der Spieler gleichzeitig von seinem Verein bezahlt wird und seinen Marktwert durch Länderspiele ohnehin steigert. Pro Saison kann ein Nationalspieler danach inklusive der Lizenzgebühren auf mehr als 300.000 Euro aus bis zu 13 Länderspielen kommen. Die Trainer haben als Angestellte des Verbands oft noch individualvertraglich höhere Summen ausverhandelt, über die niemand spricht. Zusammen dürften sich für alle A-Nationalspieler, Trainer und Manager an die zehn Millionen Euro pro Saison aus Sponsoring und Lizenzgeschäft errechnen. Obendrauf könnten sich bei der EM 2024 die ausgehandelten Erfolgsprämien türmen. Für den Gewinn der WM 2022 hatte der DFB 400.000 Euro pro Spieler ausgelobt und dies auch veröffentlicht. Auch hier gilt vermutlich: Vor allem der Bundestrainer dürfte individualvertraglich noch spürbar mehr herausgehandelt haben. Die Prämien hätte der DFB aus den ausgelobten Fifa-Prämien finanzieren können. Durch das frühe Aus bei den beiden letzten Weltmeisterschaften flossen für die Endrunden 2018 und 2022 keine Prämien an die Spieler. Viel Geld blieb selbst beim Titelgewinn 2014 nicht in der DFB-Kasse. Am Ende waren es nach Abzug aller Kosten (inklusive der Spieler-, Trainer- und Managerprämien) trotz der Fifa-Prämie von 25,6 Millionen Euro nur 4,6 Millionen Euro übrig, die sich der DFB gemäß Grundlagenvertrag auch noch hälftig mit der DFL teilen musste. Der Werbewert der Nationalmannschaft war aber durch den umjubelten Coup in Brasilien so sehr gestiegen, dass Adidas sein Engagement auf 50 Millionen Euro pro Saison verdoppelte und bald darauf Volkswagen als Generalsponsor Mercedes mit 30 Millionen Euro pro Jahr ausstach. Unter Fachleuten wird erwartet, dass diese Summen für den DFB schwerlich auch in Zukunft erreichbar sein werden, sollte die Nationalmannschaft ähnlich elend weiter dilettieren wie zuletzt. Viel, viel lieber als über die geheimen Werbeeinnahmen der Nationalspieler spricht man im DFB über die Stiftung der Nationalspieler. Sie wurde 2020 unter dem Claim „Wir für euch“ in der Pandemie gegründet und von den Nationalspielern mit 2,5 Millionen Euro befüllt, um „das soziale Engagement der deutschen Nationalmannschaft zu bündeln“. Zuletzt spendete die Stiftung 3000 Setzlinge für ein Waldstück im Harz. An die Marketingzahlungen für die Nationalspieler wagt sich der DFB nicht ran. Denn der Verband hat in den Verhandlungen mit dem Mannschaftsrat übermittelt bekommen, dass die Spieler bestens informiert sind über die Zahlungsströme. Die Männer-Nationalmannschaft ist nach wie vor die Melkkuh des DFB, allein im Spielbetrieb machte sie 2021 ein Plus von 70 Millionen Euro (unter anderem durch Eintrittsgelder). Die Spieler, vielfach durch ihrer Beratungsagenturen gebrieft, sind sich ihrer finanziell bedeutenden Rolle bewusst und verlangen entsprechend Anteile am Verbandseinkommen. Die Frauen-Nationalmannschaft dagegen kostet den Verband nach wie vor viel Geld. Zuletzt im Berichtsjahr 2021 fiel in deren Spielbetrieb ein Minus von drei Millionen Euro an, das die Männer dem Frauenfußball quersubventionieren. Vor diesem Hintergrund und der extrem angespannten finanziellen Situation im DFB wäre es deshalb geradezu fahrlässig, die ohnehin opulente Fifa-Prämie von je 250.000 Euro pro Spielerin für den WM-Titel 2023 noch mit je 150.000 Euro aufzustocken, so dass die Frauen wie die Männer auf 400.000 Euro WM-Siegprämie pro Spielerin kämen. Das würde den Verband für den 23er-Kader allein 3,45 Millionen Euro kosten, die Prämien an Trainerinnen gar nicht eingerechnet. Jede Kritik, der DFB würde hier an der falschen Stelle knausern, entlarvt sich somit als purer Populismus.