Wednesday, May 24, 2023
FDP blockiert Habecks Wärmepumpe: Manchmal kann eine Dagegen-Partei sinnvoll sein
Berliner Zeitung
FDP blockiert Habecks Wärmepumpe: Manchmal kann eine Dagegen-Partei sinnvoll sein
Artikel von Anne-Kattrin Palmer • Vor 3 Std.
FDP blockiert Habecks Wärmepumpe: Manchmal kann eine Dagegen-Partei sinnvoll sein
Die FDP hat sich schon lange für ihre Rolle in der Ampelkoalition entschieden: Sie will ein Störenfried sein. Beim Heizungsgesetz, das diese Woche wegen der Liberalen nun nicht im Bundestag landet, hat die Partei jetzt einen Punktsieg errungen.
Es sind einfach zu viele Fragen offen, die Blockade spricht daher vielen Bürgern aus der Seele. Manchmal ist dagegen sein nicht an sich etwas Schlechtes, selbst als Mitglied einer Koalition.
Seit Tagen war klar, dass nicht alles glattlaufen dürfte mit dem Gesetz rund um die Wärmepumpe. Der FDP-Gegenspieler des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck, Michael Kruse, hielt am Dienstag beim Nachrichtensender ntv demonstrativ den 170 Seiten langen Heizungsgesetzentwurf hoch und schickte diesen symbolisch zurück in die „Montagehalle“ mit dem Auftrag, ihn grundsätzlich zu überarbeiten.
Ein paar Stunden später war aus der Drohung des kleinsten Koalitionspartners Wirklichkeit geworden: Das Papier zum Gebäudeenergiegesetz landet diese Woche nicht wie geplant im Plenum – und der Krach in der Koalition eskalierte prompt. Die Liberalen hätten „Wortbruch“ begangen, ereiferte sich Habeck, der zuvor „Vertragstreue“ von der FDP gefordert hatte. Ganz falsch liegt er damit nicht: Die Liberalen hatten dem Gesetzentwurf im Kabinett bereits zugestimmt, ließen sich allerdings eine Hintertür offen.
Und auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gab sich „genervt“ von der liberalen Trotz-Truppe, die den ganzen Fahrplan durcheinandergewirbelt hatte. Denn ob der Entwurf noch vor der Sommerpause im Bundestag als Gesetz verabschiedet wird, steht nun in den Sternen, auch wenn SPD und Grüne das nach wie vor anstreben.
Harmonisch geht anders, das steht außer Frage. Doch bei aller Empörung: Es war an der Zeit, die Bremse zu ziehen. Gerade bei diesem Dauerbrenner sind so viele Fragen ungeklärt. Kaum einer versteht das Gezerre um den Heizungsaustausch – und „Wärmepumpe“ ist kurz davor, Unwort des Jahres zu werden.
Es ist unbestritten, dass viele erneuerbare Energien befürworten, doch die Erklär-Rhetorik Habecks, der nebenbei noch Skandale im eigenen Haus abwenden muss, lässt manche eben ratlos zurück. Und daher sind die Fragen der FDP berechtigt, auch wenn die Liberalen sie vermutlich selbst nicht beantworten können: Ist das alles bezahlbar, technologieoffen und transparent? Auch Wohnungseigentümer fordern praxisnahe, technisch ausgereifte und ideologiefreie Lösungen. Wir erinnern uns: Als der grüne Wirtschaftsminister die Gasumlage auf den Weg bringen wollte, wurde er auch gestoppt, andernfalls hätten vor allem Verbraucher die finanzielle Belastung schultern müssen.
Die FDP fühlt sich seit Beginn der Ampel immer wieder isoliert in der Koalition, die viele ihrer Wähler nie wollten. Mit der Zeit ist sie streitlustiger geworden. Ihr Prinzip der Dagegen-Partei – auch bei Themen wie Wohnungsbau und Verteidigung oder jetzt bei Energien – geht auf, diesmal jedenfalls.
Für die Partei steht allerdings auch viel auf dem Spiel. Nach wie vor muss sie sich profilieren. Für sie war der Weg in die Ampel am weitesten, wie auch Sozialdemokraten und Grüne zugestehen. Vor der Bundestagswahl 2021 hatte FDP-Chef Christian Lindner noch auf eine Koalition unter Führung der Union gesetzt, sich dann aber für das Bündnis mit SPD und Grünen entschieden – aus „staatspolitischer Verantwortung“.
Die Liberalen zahlen nach wie vor einen hohen Preis. Sie sind seitdem vor allem bei Wahlen die Verlierer: In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein flog die Partei aus der Regierung, in Niedersachsen und Berlin sogar aus dem Parlament. In Bremen schaffte sie es gerade so in die Bürgerschaft. Die Gründe liegen nahe: In der Ampel mit zwei linken Koalitionspartnern muss die FDP viele Entscheidungen mittragen, die ihrer Überzeugung widersprechen.
Nun haben sie der Energiepolitik einen kleinen Stempel aufgedrückt. Die Ampel wird daran nicht zerbrechen, das kann Bundeskanzler Olaf Scholz gar nicht gebrauchen. Doch vielleicht gehen jetzt alle Regierungsparteien mal in Klausur, um das Chaos rund um die Wärmepumpe zu beenden. Und die FDP wird weiter daran arbeiten, ihre Positionen ihren Wählern gegenüber noch deutlicher herauszustellen. Im Oktober stehen in Bayern und Hessen Landtagswahlen an.
Ganz vom Tisch ist das umstrittene Gebäudeenergiegesetz diese Woche allerdings nicht. Am heutigen Mittwoch gibt es eine Aktuelle Stunde zu den „Heizungsplänen der Bundesregierung“, beantragt von der Union. CDU und CSU lehnen das Gesetz ebenfalls ab und fordert stattdessen eine marktwirtschaftliche Lösung.