Sunday, January 5, 2025
Rubel stürzt auf neue Tiefs: Putin kriegt Abwärtsspirale aus schwacher Währung, Inflation und hohen Zinsen nicht in den Griff
Business Insider Deutschland
Rubel stürzt auf neue Tiefs: Putin kriegt Abwärtsspirale aus schwacher Währung, Inflation und hohen Zinsen nicht in den Griff
Romanus Otte • 4 Std. • 4 Minuten Lesezeit
Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner Neujahrsansprache.
Vor 25 Jahren ergriff Wladimir Putin die Macht. Gestützt auf die Geheimdienste drängte Putin den damaligen Präsidenten Boris Jelzin dazu, in dessen Neujahrsansprache am 31. Dezember 1999 zurückzutreten. Ein Vierteljahrhundert später beschränkte Putin seine eigene Neujahrsrede auf kurze dreieinhalb Minuten, mit einer Kernbotschaft: Alles werde gut. Doch die Zweifel daran wachsen.
Das neue Jahr beginnt für Putin und Russlands Wirtschaft mit zwei schlechten Nachrichten. Der Rubel rutschte erneut ab. Für viele Ökonomen überraschend stürzte Russlands Währung zum Jahresbeginn zum US-Dollar auf den niedrigsten Wert seit den Turbulenzen in den ersten Tagen nach Russlands Überfall auf die Ukraine vor bald drei Jahren.
Weniger überraschend, aber in der Wirkung ebenso bedeutend: Die Ukraine stoppte zum Jahresende den Transit von russischem Öl über Pipelines in den Westen. Russland fehlen damit weitere rund fünf Milliarden Dollar Einnahmen für die Kriegswirtschaft.
Der Rubel fiel am Donnerstag, dem ersten Handelstag des neuen Jahres, deutlich. Ein US-Dollar kostete zeitweise 114 Rubel. Ende Dezember hatten Ökonomen in einer Reuter-Umfrage noch damit gerechnet, dass der Rubel mit einem Kurs von 100 ins neue Jahr startet und dann bis zum Jahresende auf 108 Rubel für einen Dollar fällt.
Wie schwach Russlands Währung ist, zeigen auch diese Vergleiche: Bei Putins Amtsantritt mussten Russen für einen Dollar nur 27 Rubel bezahlen. 25 Jahre und viele Kriege später sind es deutlich über 100 Rubel für einen Dollar. Binnen Jahresfrist hat der Rubel ein Viertel seines Außenwertes verloren. Im Fünf-Jahres-Vergleich hat er fast 80 Prozent eingebüßt. Aktuell ist ein Rubel wieder deutlich weniger wert als ein US-Cent.
Der Rubel ist unter Druck, weil sich Russlands Bilanz im Außenhandel stetig verschlechtert. Dies ist vor allem eine Folge der Sanktionen vieler Länder. Russland nimmt deutlich weniger Geld aus den Exporten von Öl und Gas ein. Dort, wo es Russland gelingt, mehr Öl nach China oder Indien zu verkaufen, muss es niedrigere Preise akzeptieren. Gleichzeitig machen die Sanktionen Russland Importe teurer. Wieder gilt: Wo sich Russland sanktionierte Güter wie Maschinen oder Computerchips über Drittländer beschaffen kann, muss es häufig höhere Preise akzeptieren.
Putin hatte für den Rubel-Kurs lange ein „Komfortzone“ zwischen 80 und 90 Rubel je Dollar definiert. Als der Rubel 2024 erstmals unter einen US-Cent fiel, griff die Zentralbank ein. Sie schränkte den Umgang mit Devisen für Unternehmen ein und erhöhte die Zinsen bis auf 21 Prozent. Dennoch rutschte der Rubel weiter ab – auch weil die USA die Sanktionen auf mehr russische Banken ausdehnten – zuletzt im Dezember auch auf die Gazprombank.
Ende Dezember kündigte die Zentralbank nun an, dass sie die Stützung des Rubel-Kurses 2025 einschränken will. Der Wechselkurs müsse sich am Markt bilden. Anders als erwartet erhöhte sie auch den Leitzins nicht weiter. Das brachte den Rubel-Kurs um den Jahreswechsel erneut ins Rutschen.
Durch den Wegfall der Gaslieferungen durch die Ukraine an Länder wie Österreich oder die Slowakei verliert Russland zudem erneut Einnahmen in Milliardenhöhe. Die Handelsbilanz verschlechtert sich weiter. Der Druck auf den Rubel wächst.
Damit wächst auch die Gefahr einer Abwärtsspirale. Der schwache Rubel macht alle Importe für Russland teurer. Das erhöht die Preise im Inland zusätzlich. Die russischen Verbraucher ächzen ohnehin schon unter einer Inflation von fast zehn Prozent. Auch viele Lebensmittel wie Kartoffeln oder Butter sind deutlich teurer geworden.
Um die Inflation zu bekämpfen, müsste die Zentralbank die Zinsen weiter erhöhen. Das würde aber die Kredite für die Unternehmen teurer machen und die Konjunktur bremsen. Seit dem Herbst warnen auch russische Manager und Ökonomen auch öffentlich vor den Gefahren seiner Pleitewelle. Auch Putin kritisierte in seiner Pressekonferenz zum Jahresende die hohen Zinsen. Es müsse andere Wege geben, die Inflation einzudämmen. Welche dies sein könnten, ließ Putin offen.
Die Regierung im Kreml pusht die Wirtschaft mit hohen Ausgaben für die Rüstungsindustrie. Putin scheint dafür nun auch einen schwächeren Rubel im Kauf zu nehmen. Er bedeutet, dass die Regierung für Exporte, die wie bei Öl und Gas meist in US-Dollar abgerechnet werden, mehr Rubel erhält, die Putin dann in die inländische Kriegswirtschaft pumpt. Doch gleichzeitig wird der Rubel auch im Inland immer weniger wert. Bisher ist es weder Putin noch der internationale als Expertin anerkannten Notenbank-Chefin Elvira Nabiullina gelungen, diese Spirale zu durchbrechen.
„Russland hat Prozesse in Gang gesetzt, die seine Wirtschaft von innen heraus auffressen werden", sagte der in den USA-lehrende Ökonom Roman Sheretma, Business Insider. Auf den Rubel-Rutsch im Dezember hatte Putin öffentlich erklärt, es bestehe „kein Grund zur Panik“. In seiner Neujahrsansprache versprach er den Russen jetzt, alles werde gut. „Wenn der russische Präsident das sagen muss, stimmt etwas nicht“, sagte die Sanktionsexpertin Stephanie Baker der „Welt“.