Monday, November 11, 2024

Scholz „hat aber nicht das Format“: Kubicki enthüllt heikles Lindner-Gespräch vor dem Ampel-Aus

Merkur Scholz „hat aber nicht das Format“: Kubicki enthüllt heikles Lindner-Gespräch vor dem Ampel-Aus Fabian Hartmann • 1 Std. • 4 Minuten Lesezeit Blick auf Ampel-Aus Wie blicken die Liberalen auf das Ampel-Aus und wie sehen sie potenziellen Neuwahlen entgegen? Diesen und weiteren Fragen stellte sich FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Berlin – Während der politische Knall der Vorwoche nach dem Bruch der Ampel-Koalition noch immer abklingt, sind die verbliebenen Regierungspartner weiter dabei, die neue Situation zu ordnen. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vom Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) angehalten wurde, die Vertrauensfrage im Bundestag zeitnah zu stellen, bestätigte der Kanzler am Sonntagabend, sich dies noch vor Weihnachten vorstellen zu können. Verliert Scholz das Misstrauensvotum, ermöglicht das eine Auflösung des Bundestags und vorzeitige Neuwahlen. Ebenso wie Grüne und SPD steht jedoch auch die FDP aktuell vor der Aufgabe, Orientierung in die neue Situation zu bringen. Wie das gelingen kann, wo die Liberalen aktuell stehen und wie sie unter den neuen Voraussetzungen auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr blicken, sind Fragen, die Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) nun in einem Interview mit der Bild-Zeitung beantwortete. Thema dabei war auch ein Gespräch mit Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), das Kubicki kurz vor dessen Freistellung in der Vorwoche führte. FDP-Bundestagsvize Kubicki: SPD will den Liberalen mit dem Ampel-Aus „die ganze Schuld zuschieben“ Wie also geht es Bundestagsvizepräsident Kubicki gut eine Woche nach dem historischen Bruch der Ampel-Koalition und dem Ausscheiden der Liberalen aus der Bundesregierung? „Ich bin erschöpft, aber gleichzeitig auch erholt“, resümierte der 72-Jährige im Gespräch mit der Bild-Zeitung. Und fügte hinzu: „Eine physische Belastung ist von mir runtergefallen, weil die letzten Wochen dieser Koalition doch sehr anstrengend waren.“ Wie blicken die Liberalen auf das Ampel-Aus und wie sehen sie den Bundestagswahlen entgegen? Diesen und weiteren Fragen stellte sich FDP-Politiker Wolfang Kubicki nun. Das finale Ampel-Aus erleichtere den 72-Jährigen aber auch mental. Grund seien die zahlreichen zähen Verhandlungsrunden der Regierungsparteien über einen langen Zeitraum, die im Gros viel zu selten zu Einigungen geführt hätten. „Es macht nicht nur keinen Spaß, sondern es erschöpft auch, in langen Diskussionen immer wieder festzustellen, dass unsere Koalitionspartner und wir völlig unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wie man eine Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig macht“, betonte Kubicki. Einen geteilten Eindruck gab Kubicki der Bild-Zeitung zunächst auf die Frage, ob das Ende der Ampel-Koalition vom Kanzler ausging, und ob er damit auch das Ziel verfolgte, sich von einem Regierungsbündnis mit der FDP loszusagen. „Ja und nein“, sagte der 72-Jährige knapp. Als Scholz die Regierungspartner vergangenen Sonntag (3. November) im Kanzleramt versammelt hat, habe Kubicki das Gespräch zu Lindner gesucht. Dabei habe er sich mit folgenden Worten an seinen Parteikollegen gewandt: „Die bereiten jetzt den Ausstieg vor, und zwar so, dass sie uns die ganze Schuld zuschieben können.“ Kubicki zum Ampel-Aus: „Wir sind jetzt, glaube ich, alle froh, dass es zu Ende ist“ Hierzu führte Kubicki aus, Scholz’ Kündigung Lindners und die Rede des Kanzlers im Anschluss hieran hätten ihn an den Bruch der Bundesregierung 1982 erinnert, als die damalige Regierungskonstellation schon einmal an unüberbrückbaren Differenzen zwischen SPD und FDP zerbrach. „Wahrscheinlich wollte der Genosse Olaf Scholz den Helmut Schmidt machen, hat aber nicht das Format, nach der Devise: Diese drei Jahre habe ich es ertragen“, kritisierte Kubicki den amtierenden Bundeskanzler scharf. Hintergrund: Schmidt Kanzler-Aus 1982 Vor 42 Jahren hatte sich der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Februar der Vertrauensfrage im Bundestag gestellt und diese klar gewonnen. Wie fragil die Bundesregierung zu jenem Zeitpunkt gewesen ist, sollte sich jedoch schon bald zeigen: Rund ein halbes Jahr später, im September 1982, verließen die FDP-Minister geschlossen das Kabinett. Am 1. Oktober stürzte der Bundestag schließlich Helmut Schmidt als Bundeskanzler. Die sozialliberale Koalition war zerbrochen. Neuer Regierungschef der folgenden christlich-liberalen Regierung wurde Helmut Kohl. Mit Blick auf die vergangenen drei Jahre Ampel-Koalition resümierte Kubicki, dass auch die Liberalen diese Zeit „ertragen“ hätten. Schuldzuweisungen wolle der Bundestagsvizepräsident keine machen, erklärte aber: „Wir sind jetzt, glaube ich, alle froh, dass es zu Ende ist.“ Kritik übte der 72-Jährige an Scholz’ Kurs, Lindner zu entlassen. Für „vernünftiger“ hätte er es gehalten, noch bis zu den Neuwahlen gemeinsam in der Regierung zu bleiben. „Aber das wollte Olaf Scholz offensichtlich nicht“, fügte er hinzu. Mit der Kanzlerkandidatur Habecks sieht Kubicki Probleme nahen – „zwei Möchtegern-Kanzler im Kabinett“ Neue Probleme zwischen den verbliebenen Regierungspartnern SPD und Grüne sieht Kubicki mit der Kanzlerkandidatur Robert Habecks (Grüne) nahen. „Wir haben also zwei Möchtegern-Kanzler im Kabinett, die beginnen müssen, schon Wahlkampf gegeneinander zu machen“, resümiert Kubicki scharf. Eine vermeintliche Hängepartie im Bundestag, wie sie viele aktuell bis zur Vertrauensfrage befürchten, dürfte Kubicki zufolge deshalb „nicht mehr lange dauern“. Dem FDP-Politiker zufolge liegt es eher nahe, dass sich Habeck von Scholz abgrenzen wird, sobald er von seiner Delegiertenversammlung auf dem Grünen-Parteitag (15. bis 17. November) zum Kanzlerkandidat der Partei ernannt wird. Abschließend ging Kubicki gegenüber der Bild-Zeitung auch darauf ein, was sich die Liberalen angesichts ihrer stagnierenden Umfragewerte unter der 5-Prozent-Marke von der Bundestagswahl im kommenden Jahr erhoffen. Aktuell liegt die FDP in der Wählergunst weiter hinter eigenen Ansprüchen hinterher – im Insa Sonntagstrend fuhren die Liberalen am Sonntag erneut nur 4 Prozent ein. Das letzte Mal lagen sie Ende August (26. August) mit 5,5 Prozent knapp über der 5-Prozent-Marke, die zum Einzug in den Bundestag berechtigt. „Tiefenentspannt“ bezeichnet sich Kubicki mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte, auch wenn die FDP damit weit hinter eigenen Ansprüchen zurückliegt. Grund hierfür seien Ergebnisse aus der Vergangenheit wie bei den letzten beiden Bundestagswahlen 2016 und 2020, als die FDP entgegen aller Trends bis dahin zweistellige Ergebnisse am Wahltag hatte einfahren können. (fh)