Monday, November 11, 2024

„Nichts funktioniert richtig in Deutschland, so scheint es“

WELT „Nichts funktioniert richtig in Deutschland, so scheint es“ 12 Std. • 3 Minuten Lesezeit Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Das „Wall Street Journal“ sieht die deutsche Regierung als Opfer der Klimapolitik und warnt vor De-Industrialisierung. Die „NZZ am Sonntag“ spottet über die möglichen Probleme bei der Organisation von Neuwahlen. Eine Ampel leuchtet rot vor der Kuppel des Reichstagsgebäudes Die US-Zeitung „Wall Street Journal“ sieht die Last, die deutsche Wirtschaft klimaneutral aufzustellen, als wichtigen Faktor hinter dem Bruch der Ampel-Koalition. Eine ähnliche Klimapolitik sorge auch in anderen Regierungen im Westen für Unruhe: „Deutschland ist dabei, sich zu de-industrialisieren, da Hersteller nicht mehr mit den haushohen Energiepreisen zurechtkommen. Eine kürzliche Ankündigung von Volkswagen, (...) Arbeitsplätze abzubauen und (...) Fabriken zu schließen, ist die jüngste Maßnahme zur Verkleinerung bei einem zentralen deutschen Unternehmen. Die Industrieproduktion ist seit ihrem letzten Höchststand im Februar 2023 um etwa zehn Prozent gesunken und liegt fast 20 Prozent unter ihrem Höchststand von 2017. (...) Über alldem schwebt Donald Trump. Seine Wiederwahl bedeutet, dass die USA ihre Umweltauflagen aufgeben und möglicherweise Fracking ausbauen könnten, um die heimischen Energiekosten zum Vorteil der amerikanischen Hersteller zu senken. Ein vom Ziel der Klimaneutralität beeinträchtigtes Europa wird nicht in der Lage sein, global zu konkurrieren, insbesondere wenn Trump seine Drohungen mit Zöllen wahrmacht. Deutschland wird das jüngste europäische Land sein, in dem sich die Wähler mit dieser neuen klimapolitischen Realität auseinandersetzen müssen. Es wird nicht das letzte sein.“ Briten prognostizieren Phase der Instabilität Die britische Zeitung „The Guardian“ kommentiert den Bruch der Ampel-Koalition mit den Worten: „Deutschland wird nun – ähnlich wie Frankreich nach Emmanuel Macrons Fehlkalkulationen im Sommer – eine Zeit der Instabilität unter einer schwachen Minderheitsregierung durchmachen müssen. Dies ist alles andere als ideal zu einer Zeit, in der Donald Trump plant, die westliche Politik in Bezug auf die Ukraine neu zu gestalten und die Europäische Union in Handelsfragen zu schikanieren. In einem entscheidenden Moment stottert und keucht der legendäre deutsch-französische ‚Motor‘ der europäischen Integration und Einheit.“ Die Folgen des Krieges gegen die Ukraine, Chinas Aufstieg zu einem bedrohlichen Konkurrenten und die Aussicht auf protektionistischere USA stellten eine „existenzielle Bedrohung“ für die „krisengeschüttelte deutsche Wirtschaft“ dar. Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ kommentiert die Warnung der Bundeswahlleiterin vor einer Neuwahl im Januar: „Der Spott ist der deutschen Bundeswahlleiterin sicher. Eine vorgezogene Wahl des Bundestags innerhalb von 60 Tagen zu organisieren – der Frist, die das Grundgesetz setzt -, berge ‚unwägbare Risiken auf allen Ebenen‘, so warnte Ruth Brand. Es ist die Formel, die für alle gilt, die sich auf Dienstleistungen deutscher Behörden oder auf die Beförderung durch die Deutsche Bahn einlassen. Nichts funktioniert richtig im großen Nachbarland, so scheint es.“ Weiter heißt es: „In einem Punkt mag die Sorge der Wahlleiterin berechtigt sein: Die Wahl muss tadellos verlaufen, um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie nicht zu untergraben. Den Rest sollte Deutschland hinbekommen: Papier für Stimmzettel kaufen, drucken, verschicken, Wahlhelfer schulen. Wenn es hart auf hart kommt, muss sogar abends gearbeitet werden. Und am Sonntag. Da muss Deutschland durch.“ Schweden erkennen Ähnlichkeit zu Tragödie Die schwedische Tageszeitung „Göteborgs-Posten“ meint zum Zusammenbruch der Ampel vor dem Hintergrund des Erstarkens von AfD und BSW: „Die Deutschen befinden sich gerade dort, wo Schweden vor zehn Jahren war: Auf unterschiedliche Weise wird versucht, so zu tun, als gäbe es die Protestparteien nicht. Die Folge ist, dass die etablierten Parteien gezwungen sind, zusammen in unheiligen Bündnissen zu regieren und damit ihr eigenes Vertrauen weiter zu untergraben – während die Populisten nur an Stärke gewinnen. Das Ganze ähnelt einer klassischen Tragödie, in der der Held unfreiwillig seinen eigenen Untergang herbeiführt.“