Thursday, November 14, 2024

Kolumne: Manche brauchen eine Angsttherapie wegen Trump, ich wegen Habeck

Berliner Zeitung Kolumne: Manche brauchen eine Angsttherapie wegen Trump, ich wegen Habeck Artikel von André Mielke • 4 Std. • 2 Minuten Lesezeit Robert Habeck, der gerne die Grünen als Kanzlerkandidat in die vorgezogene Neuwahl führen möchte. Vor dem jüngsten Union-Heimspiel legte Stadion-DJ Wumme die Songs „Besuchen Sie Europa, so lange es noch steht“, „American Idiot“, „No Hope“ und „Hurra, die Welt geht unter“ auf. Die Partie endete so tor- wie trostlos. In den USA rasierten sich Frauen aus Protest gegen den kommenden Präsidenten die Schädel oder gelobten, während dessen Amtszeit keinen Geschlechtsverkehr mehr auszuüben. Ein New Yorker Club forderte seine Gäste auf, zur Wahlverarbeitung einen „gemeinsamen kathartischen Schrei“ auszustoßen. Die deutsche Presse leistete sich und ihren Lesern seelischen Beistand. Der Spiegel: „Was kann ich tun, wenn ich wegen Donald Trump Angst habe?“ Die Süddeutsche: „Meine Tochter hat Angst vor Trump. Was soll ich tun?“ Der Tagesspiegel: „Angst vor Trumps Rückkehr? Was eine Psychologin jetzt empfiehlt.“ Eine Neuköllner Verhaltenstherapeutin riet, auch trotz einer Trump-induzierten inneren Lähmung morgens zur Arbeit zu gehen, denn „da sind andere, die das nachfühlen können“. Der Orangenmann ist kein netter Typ. Aber für Panik bin ich längst zu abgestumpft. Schließlich sind in geringerer Entfernung Spitzenämter durch Figuren besetzt, die zwar keinen Zugriff auf Atomwaffencodes haben, aber zentrale Trump-Talente unter sich verteilen. Da wären Baerbocks Bildung und diplomatisches Raffinement, Faesers autoritäre Anwandlungen, Lauterbachs erratisches Verhältnis zur Realität oder Scholzens Cum-Ex-geprüfte Integrität. Trumps Ankündigung, das Schlachten an der Ostfront zu beenden, ist zwar großmäulig. Aber sie erscheint mir weniger bedrohlich als die Vorstellung, unter Merz könnte mit Reserveobrist Kiesewetter jemand Kriegsminister werden, der mal mit deutschen Raketen Moskauer Ministerien beschießen lassen wollte. Hatte ich schon Robert Habeck erwähnt? Leider gibt es in hiesigen Medien keine Ratgeber, wie sich die menschliche Psyche an dessen Kanzlerkandidatur adaptieren kann. Ja, viele Bürger, insbesondere Journalistinnen, lieben ihn. Wunderbar. Doch angesichts der Erfolgsbilanz des Wirtschaftsministers benötigen gewisse Teile der Bevölkerung jetzt Mentalstabilisierung. Manchem, der nicht im Staatsdienst arbeitet, sondern in energiepreissensibleren Sektoren, dürfte kalter Schweiß auf die Stirn getreten sein, als der Schwiemelvisionär per Küchenvideo „als Kandidat für die Menschen in Deutschland“ erschien. „Für Sie. Für euch. Mit Ihnen. Mit euch.“ Kloß im Hals. Fels im Bauch. Seinetwegen haben Leute weniger Angst, morgens zur Arbeit zu gehen, als davor, morgen keinen Arbeitsplatz mehr zu haben. Habeck sprach, er habe „gerade in den letzten Tagen eine neue Kraft gefunden, noch einmal zu kämpfen. Eine Kraft in Erfahrung gehärtet“. Nicht nur Mittelständler drängte es, gemeinsam kathartisch zu schreien. Im Tagesspiegel empfahl eine Chemnitzer Psychologin, Ängste bewusst zu hinterfragen: „Wenn wir einen Gedanken wie ‚Die Welt wird untergehen‘ in ‚Ich habe gerade den Gedanken, dass die Welt untergehen könnte‘ umformulieren, fühlt sich das schon ganz anders an.“ Gut, dann formuliere ich um. Ich habe gerade den Gedanken, den Weltuntergang lange genug zu überleben, um noch mitzubekommen, wie Habeck ihn dackelblickig mit den Worten kommuniziert, er habe in sich eine weitere, in Erfahrung gehärtete Kampfkraft gefunden. Nein, tut mir leid, das fühlt sich nicht besser an.