Tuesday, April 23, 2024

Martin Ringhof: „Jetzt gehen auch die Engagierten“

Merkur Martin Ringhof: „Jetzt gehen auch die Engagierten“ Michaele Heske • 21 Std. • 2 Minuten Lesezeit Erdings neuer Dekan über Kirchenaustritte und die Folgen Weniger Priester, weniger Gläubige – die katholische Kirche steht vor großen Herausforderungen. Mit neuen Strukturen will man künftig über den eigenen Kirchturm hinausschauen und Ressourcen bündeln. An der Spitze im Landkreis steht seit Anfang des Jahres der neue Dekan Martin Ringhof (48). Ein Gespräch. Herr Dekan, immer mehr Gläubige kehren der katholischen Kirche den Rücken zu, allein im Jahr 2022 gab es im Kreis Erding 2327 Kirchenaustritte. Wie geht es weiter? Und woran liegt’s? Vor 20 Jahren sind die Leute vorwiegend wegen der Kirchensteuer ausgetreten. Viele davon waren ohnehin nur auf dem Papier katholisch. Das hat sich grundlegend geändert. Jetzt sind es oft auch engagierte Christen, die sich gegen eine Institution stellen, in der es sexualisierte Gewalt in diesem Ausmaß gab. Und nun? Viele Gläubige ziehen aktuell Bilanz, wollen nicht mehr hinnehmen, was in der Kirche passiert. Ich kann Vieles nachvollziehen, mir würde es vielleicht auch so gehen. Das ist sehr bedenklich – da kann ich mich als Seelsorger vor Ort noch so sehr um Wertschätzung bemühen. Es sind nicht nur die Fälle sexuellen Missbrauchs, sondern auch überholte Strukturen: Findet da nicht schon länger eine Entfremdung statt? Das ist wie in einer Partei – es gibt einen konservativen und einen progressiven Flügel. Je mehr Leute austreten, desto stärker bleiben die tradierten Strukturen. Die Kirche muss sich immer erneuern. Sie hat an Glaubwürdigkeit verloren. Doch damit sich etwas ändert, muss man als Katholik auch dabei bleiben. Es geht ja um den Sieg von Liebe und Leben, den wir in der Gemeinschaft feiern. Was bringt in diesem Kontext die Dekanatsreform? An den Strukturen der Pfarreien und Pfarrverbände wird sich nichts ändern. Es wird aber eine stärkere Vernetzung im pastoralen Handeln im Landkreis geben. Im Dekanat übernimmt ein Team, in dem auch das Ehrenamt vertreten ist, die Leitungsverantwortung. Felder der überörtlichen Zusammenarbeit sind etwa Jugend-, Senioren- oder Krankenpastoral. Was heißt das konkret? Die Ressourcen werden geringer, sowohl bei den Finanzen als auch beim Personal. Es geht darum, die bestmögliche Seelsorge zu bieten. Und das geht nur durch die Zusammenarbeit über die einzelnen Pfarrverbände hinaus. Wie wird das in der Praxis aussehen? Es gibt da kein Portfolio, wir werden gemeinsam überlegen und Ideen ausarbeiten. Es wird beispielsweise für alle Menschen mit Behinderungen einen Gottesdienst auf Landkreisebene geben. Im ländlichen Raum gibt es oft keine evangelischen Kirchen, Es könnten künftig beispielsweise mehr ökumenische Gottesdienste auf Dekanatsebene stattfinden, damit man auch einmal mit den evangelischen Nachbarn aus dem eigenen Dorf beten kann. Und weiter? Kirche ist kein Selbstzweck, wir müssen alle Menschen im Blick haben. Und möglicherweise andere Prioritäten setzen, uns auch von Dingen verabschieden, die früher mal gut waren, heute aber keinen Sinn mehr haben. Gottesdienst: Der Errichtungsgottesdienst für das neue Dekanat Erding mit Weihbischof Wolfgang Bischof findet am Freitag, 26. April, um 19 Uhr in der Pfarrkirche St. Johannes in Erding statt. Dekan Martin Ringhof und sein Team werden dabei in ihre Ämter eingeführt. Ein Stehempfang schließt sich an. mhe