Saturday, January 20, 2024

„Würde in keinem anderen Job akzeptiert werden“: Pisa-Chef geht hart mit deutschen Lehrern ins Gericht

Merkur „Würde in keinem anderen Job akzeptiert werden“: Pisa-Chef geht hart mit deutschen Lehrern ins Gericht Artikel von Karolin Schäfer • 1 Std. Deutschland auf Platz 21 Deutschland fährt bei der internationalen Pisa-Studie ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Pisa-Chef Andreas Schleicher kritisiert vor allem Lehrkräfte. München – Nach dem Pisa-Debakel sitzt der Schock tief. Ob Lesen, Mathematik oder Naturwissenschaften – Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind in allen Bereichen so schlecht wie noch nie. Wie geht es weiter mit dem deutschen Schulsystem? Pisa-Chef Andreas Schleicher rechnet jetzt mit den Lehrkräften ab. Nach Pisa-Debakel: OECD-Bildungsdirektor kritisiert Lehrkräfte in Deutschland Überraschend kommt das schlechte Abschneiden für den OECD-Bildungsdirektor aber nicht. Das sei ein „Trend, der sich seit Jahrzehnten abzeichnet“, sagte er im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Verantwortlich macht er unter anderem Lehrkräfte: „Deutschland ist beim Lehrerberuf noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Zu viele Lehrer sehen sich in erster Linie als Befehlsempfänger, die im Klassenzimmer statisch einen Lehrplan abarbeiten müssen.“ Platz Land (Punkte) 1. Japan (536) 2. Korea (527) 3. Estland (510) 4. Schweiz (508) 5. Kanada (497) ... 21. Deutschland (475) Wenig Verständnis hat Schleicher für Lehrer, „die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien“. Und weiter: „Lehrkräfte können sich nicht einfach darauf zurückziehen, dass sie viel zu tun haben – und dass sie sich deshalb nicht gemeinsam mit Kollegen treffen könnten, um bessere Unterrichtskonzepte zu entwickeln.“ Der Pisa-Chef rechnet scharf mit den Lehrkräften ab: „Eine solche Haltung würde in keinem anderen Job akzeptiert werden.“ „Schauen Sie nicht nach oben“: Pisa-Chef appelliert an Lehrkräfte Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass Lehrkräfte in ihrer Berufslaufbahn häufig „ausbrennen“. Mehr als 30 Prozent aller Beschäftigten im Bildungswesen leiden unter psychischen Problemen, informierten die Oberberg-Kliniken auf ihrer Webseite. Bei der Entstehung von Burnout sei die Selbstwahrnehmung eigener Ressourcen und Ansprüche entscheidend. Deutschland schneidet so schlecht wie noch nie bei der internationalen Pisa-Studie ab. Der OECD-Bildungsdirektor appelliert nun an Lehrkräfte. Neben Unterrichtsstunden und Interaktionen mit Schülern stehen auch Unterrichtsvorbereitungen, Klausurkorrekturen und außerschulische Veranstaltungen auf dem Plan. Bei Referendaren kommt noch die theoretische Ausbildung hinzu. Wer zudem als Berufseinsteiger eine Therapie wegen psychischer Leiden in Anspruch nimmt, muss womöglich lange auf eine angestrebte Verbeamtung warten. Auch rund um München sind Lehrer stark belastet. Schleicher fordert im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung deshalb, die Arbeitszeit von Lehrkräften anders zu organisieren und sie etwa von Verwaltungsaufgaben zu befreien. „Schauen Sie nicht nach oben, sondern im Lehrerzimmer direkt zur Kollegin oder zum Kollegen neben sich. Lehrer können gemeinsam an Schulen viel zum Guten verändern. Dafür braucht es keinen Erlass aus dem Kultusministerium“, appellierte der Bildungsforscher. Pisa-Chef rechnet mit Lehrkräften ab: Elternräte kritisierten fehlenden Willen von Bildungspolitikern Ursachen für das Pisa-Debakel scheint es viele zu geben. Wichtig sei künftig deshalb, Gelder anders zu verteilen. Vor allem Grundschulen hätten einen hohen Bedarf. Die Mittel würden da gebraucht werden, „wo die Herausforderungen durch Schüler aus armen Familien und mit Migrationshintergrund besonders groß sind.“ Deshalb müssten auch Eltern mithelfen. Noch immer sei der Bildungserfolg von Kindern „zu eng an die soziale Herkunft gekoppelt“, so Schleicher. Elternräte in Niedersachsen bemängeln dagegen den fehlenden Willen von Bildungspolitikern. Es gelte offenbar das Motto „weiter machen wie bisher“, hieß es. „Das ist für Schüler und Eltern unerträglich, nicht nachvollziehbar und gesellschaftlich äußerst bedenklich.“ Der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens (VdEG) fordert deshalb mehr Anstrengungen in der Bildungspolitik, etwa die Förderung von Quereinsteigern im Lehramt sowie Bekenntnisse zum dreigliedrigen Schulsystem und Leistungsprinzip. Vor allem bei zugewanderten Lehrern ist der Einstieg meist schwerer. (kas/dpa)