Friday, January 12, 2024
Sozialstaat: Heil will mit Kehrtwende beim Bürgergeld 170 Millionen Euro einsparen
Handelsblatt
Sozialstaat: Heil will mit Kehrtwende beim Bürgergeld 170 Millionen Euro einsparen
Artikel von Specht, Frank •
Wer den Job kündigt, um Bürgergeld zu beziehen, müsse schon bescheuert sein, hatte der Arbeitsminister im November gesagt. Inzwischen sieht er das offenbar anders.
Ist der Arbeitsanreiz noch hoch genug, nachdem die Bundesregierung zum Jahreswechsel die Bürgergeld-Sätze um durchschnittlich zwölf Prozent angehoben hat?
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte darauf bisher eine deutliche Antwort: Wohl kaum jemand werde so „bescheuert“ sein, den Job zu kündigen, um dann lieber Bürgergeld zu beziehen, sagte der SPD-Politiker noch im November in der ARD-Sendung „Hart aber fair“.
Inzwischen sieht Heil das aber offenbar anders. Das lässt sich aus einer Erklärung ablesen, mit der sein Ministerium begründet, wie sich im Bundeshaushalt durch eine Verschärfung der Bürgergeld-Sanktionen jährlich 170 Millionen Euro einsparen lassen.
Die Rechnung lautet so: Eigentlich dürfen Bürgergeld-Empfängern nur noch maximal 30 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden. Dazu kann es kommen, wenn sie gegen Mitwirkungspflichten verstoßen, also beispielsweise an verabredeten Fortbildungen nicht teilnehmen. Mit dieser im Vergleich zum früheren Hartz-IV-System milderen Sanktionspraxis reagierte die Bundesregierung auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei Kürzungen über 30 Prozent das Existenzminimum nicht mehr ausreichend gesichert sei.
Allerdings baute die Union im Bundestag nach der beschlossenen Anhebung der Bürgergeld-Sätze ordentlich Druck auf. Mit der Kombination aus höheren Geldleistungen und abgemilderten Sanktionen mache es die Bundesregierung Leistungsbeziehern zu einfach, kritisierte die größte Oppositionsfraktion. Arbeit lohne sich vielfach schlicht nicht mehr.