Tuesday, January 9, 2024

Die Grünen-Müdigkeit

FR Die Grünen-Müdigkeit 3 Std. Verlorenes Vertrauen in ihre Partei wollen die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour zurückgewinnen. Die Spitze der Partei setzt sich bei ihrer Neujahrsklausur damit auseinander, wie sie das Dilemma von Programmatik und politischen Kompromissen lösen will. Dabei versucht sie, auch eigene Themen zu setzen. Die Grünen gelten als idealistische Partei. Deshalb haben sie es wenn sie sich an Regierungen beteiligen bisweilen besonders schwer. Ihre Stammwähler:innen stören sich an zu viel Pragmatismus und Kompromissbereitschaft, der politische Gegner wirft ihnen vor, das Land nach ihrer Moral und Ideologie umbauen zu wollen. So sieht auch die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, die Lage der Partei in der Ampel-Koalition. „Es gibt in der Gesellschaft gerade eine große Krisenmüdigkeit, das ist auch absolut nachvollziehbar“, sagte Lang auf der Pressekonferenz zum Abschluss der zweitägigen Klausur des Bundesvorstandes am Dienstag auf die Frage, warum ausgerechnet ihre Partei so sehr zum Feindbild avanciert sei. Aus der Krisenmüdigkeit entstehe bei manchen ein „Veränderungsfrust“, so Lang, „und da gibt es den Versuch, das allein auf die Grünen zu projizieren. Als ob alles bleiben könnte, wie es ist, wenn nur die Grünen nicht wären.“ Die Jahresauftakt-Klausur der Parteispitze um Lang, ihren Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und die politische Geschäftsführerin Emily Büning fällt in eine besondere Woche in einem besonderen Jahr. 2024 stehen in Deutschland viele Wahlen an: Zuerst die Teil-Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin, wo die Grünen prüfen können, ob sie auch in ihren Hochburgen unter der Unbeliebtheit der Ampel leiden. Dann die Europawahl im Juni, bei der vor allem Zugewinne rechtspopulistischer Kräfte erwartet werden. Und schließlich die Landtagswahlen in Ostdeutschland, wo die Grünen traditionell schwach sind und die AfD inzwischen weit vorne liegt. Bei ihrer Klausur hat die Partei sehr viel über den Arbeitsmarkt und über soziale Themen gesprochen, und nicht so viel darüber, dass der Klimaschutz in Deutschland noch immer zu langsam vorangeht. Auch bei der Pressekonferenz stehen stattdessen Streitthemen der Ampel-Koalition im Vordergrund. Omid Nouripour betont dazu, dass man als Regierungspartei pragmatisch handeln müsse. „Scheindebatten gibt es viele“, sagt er, „über das Gendern reden die anderen, wir wollen Lösungen liefern.“ Mit Blick auf die anstehenden Wahlen heißt das für die Grünen-Spitze: „Wir wollen konkret Politik machen zum Wohle der Menschen im Land.“ Als Stichworte fallen das Klimageld, auf das sie noch in diesem Jahr hoffe, so Lang, sowie ein höherer Mindestlohn, Stärkung von Tarifen sowie Programme zu Weiterbildung und zur Einwanderung von Fachkräften, die den Menschen ebenso helfen sollen wie der Wirtschaft. Sogar im Beschluss für einen besseren Klima- und Umweltschutz zeigen sich die Grünen von ihrer pragmatischen Seite: Zum Naturschutz zählen für sie nun auch Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und -Prävention, die sie staatlich stärker bezuschussen wollen. Die Grünen wollen so Extremwetterereignissen besser vorbeugen und die Folgen lindern. Es müsse eine der obersten Prioritäten sein, das Wasser in der Landschaft und in den Böden zu halten, heißt es in einem Papier des Vorstands. Die Grünen verweisen dabei zum Beispiel auf eine nationale Moorschutzstrategie und eine nationale Wasserstrategie. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz solle ausgebaut werden und mehr Verantwortung übertragen bekommen. Bund, Länder und Kommunen müssten enger bei Katastrophen zusammenarbeiten, damit Hilfe schnell und zuverlässig gewährleistet werden könne. Das ehrenamtliche Engagement solle besser wertgeschätzt werden. mit dpa