Monday, January 8, 2024

CSU-Klausurtagung: Söder erwägt wohl Wechsel nach Berlin

Merkur CSU-Klausurtagung: Söder erwägt wohl Wechsel nach Berlin 38 Min. Lange Zeit hoffte Markus Söder auf eine neue Chance als Kanzlerkandidat. Jetzt rückt die Frage immer näher, ob er auch als Minister nach Berlin gehen würde. Ganz am Schluss seines Presseauftrittes bei der CSU-Klausur in Kloster Seeon sprach Markus Söder das Reizthema selber an. Nachdem er zusammen mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ausführlich erklärt hatte, was eine unionsgeführte Regierung alles rückgängig machen würde, sagte der Ministerpräsident an die Journalisten gerichtet, man solle sich doch bitte von der K-Frage nicht ablenken lassen. „Die derzeitige Favoritenrolle ist ganz klar bei Friedrich Merz.“ Die Union werde diese Frage „vor oder nach den Landtagswahlen“ in diesem Jahr klären. Die „derzeitige Favoritenrolle“, das klang nach dem üblichen Söder-Hintertürchen, nach der kleinen Hoffnung auf eine zweite Chance, selber Kanzlerkandidat zu werden. Aber vielleicht gibt es dieses Hintertürchen gar nicht mehr; vielleicht denkt Söder längst über ein ganz anderes Szenario nach. In der CSU gibt es seit einiger Zeit etwas, das man am besten als Vorstufe einer Spekulation bezeichnen könnte. Ein parteiinternes Raunen, dass Söder von seinem Mantra abgerückt ist, wonach sein Platz in Bayern sei. Ein Mantra, das ohnehin nie besonders glaubwürdig war. Dass ihm die landespolitische Bühne zu eng geworden ist und er sich vorstellen kann, nach einem Regierungswechsel nach Berlin zu gehen, in ein unionsgeführtes Bundeskabinett. „Es gibt diese Gerüchte um Söder“, heißt es in der CSU, „das geistert rum“. Superminister und dann vielleicht bei der Bundespräsidentenwahl 2027 der nächste Bundespräsident, als erster CSU-Politiker? Es heißt, die Landespolitik öde ihn inzwischen an Aus einer anderen Quelle heißt es: Ein Wechsel Söders nach der nächsten Wahl „liegt in der Luft“. Söder spüre, dass seine Geschichte in Bayern „auserzählt“ sei. „Landespolitik ödet ihn an“. Tatsächlich war Söder nie ein Aktenfresser wie Edmund Stoiber, der sich akribisch in alle Einzelheiten hineingearbeitet hat und mit seinem Detailwissen die eigenen Minister alt aussehen lassen konnte. Söder ist eher ein Meister der Inszenierung, der die nächste politische Welle eher wittert als andere und dann der erste ist, der auf ihr surft. Tatsächlich gibt es eine Reihe von plausiblen Gründen, warum Söder eine neue Herausforderung suchen könnte, persönliche wie politische. Söder ist vor wenigen Tagen 57 Jahre alt geworden. Er ist bis 2028 als Ministerpräsident gewählt, dann ist er 61 Jahre alt. Und was dann? Söder hat jetzt zweimal hintereinander bei der Landtagswahl das schlechteste Wahlergebnis für die CSU seit Anfang der 50-er Jahre geholt. Könnte er bei einem dritten Anlauf auf einen Befreiungsschlag hoffen, nach fünf Jahren mit einem mittelmäßigen Landeskabinett und einem widerspenstigen Koalitionspartner an der Seite? Und würde ihm die eigene Partei einen dritten Anlauf überhaupt zugestehen? „Seine Art, Politik zu machen, ist an ihre Grenzen gestoßen“ Söder hat als Generalsekretär an der Seite von Edmund Stoiber erlebt, wie schnell politische Aktien verfallen können. Stoiber hat 2003 für die CSU eine Zweidrittelmehrheit gewonnen und wurde trotzdem 2007 gegen seinen Willen zum Abdanken gezwungen. Die CSU war seiner überdrüssig geworden, glaubte nicht mehr an weitere Erfolge mit ihm. Auch Söder hat mit seinem ganz auf ihn zugeschnittenen Regierungsstil viele vor den Kopf gestoßen, insbesondere im bevölkerungsreichen oberbayerischen Speckgürtel von München Richtung Alpen hält sich die Söder-Begeisterung in der CSU in Grenzen. „Seine Art, Politik zu machen, ist an ihre Grenzen gestoßen“, sagt einer seiner parteiinternen Kritiker. Wenn er noch einmal etwas anderes als Ministerpräsident in Bayern werden will, müsste Söder die Weichen dafür bei der nächsten Bundestagswahl stellen. Dass sie ganz regulär im Herbst 2025 stattfinden wird, weiß Söder, auch wenn er in Seeon gemeinsam mit Dobrindt für sofortige Neuwahlen in diesem Jahr getrommelt hat. Hinter verschlossenen Klausurtüren hörte sich das schon weniger kraftvoll. Neuwahlen seien unwahrscheinlich, soll Söder dort gesagt haben. Weil angesichts des Dauertiefs der Ampel ein Wahlsieg der Union nach derzeitigem Stand sehr wahrscheinlich ist, werden bei CDU und CSU die Karten dann neu gemischt. Neue Leute werden wichtige Ämter besetzen, manche werden sich als Flop entpuppen, andere aber womöglich als künftige politische Schwergewichte. Für Söder könnte es dann zu spät sein für andere herausgehobene Aufgaben. Auch politisch spricht eine Menge dafür, einen Wechsel zu erwägen. Für eine zweite Kanzlerkandidatur müsste ihm die CDU geschlossen den roten Teppich ausrollen. Das freilich ist sehr unwahrscheinlich. Warum auch sollte die CDU das tun, angesichts der prächtigen Erfolgsaussichten? „Die CDU als Partei kann sich die Kanzlerkandidatur nicht nehmen lassen“, sagt ein erfahrener CSU-Mann. Und bei einem neuerlichen Streit mit der CDU um die Kanzlerkandidatur hätte Söder noch nicht einmal die eigenen Leute hinter sich. Seine Querschüsse im Bundestagswahlkampf, nachdem er das Duell gegen Armin Laschet verloren hatte, gelten auch in der CSU als eine der Ursachen der Wahlniederlage. Viele führende CSU-Politiker können empörte Briefe der Parteibasis aus ihrem Archiv ziehen, in denen Söders Verhalten gegeißelt wird. Deshalb glaubt auch kaum einer, dass Söder, einen zweiten Anlauf wagen wird. „Wenn man so einen Kurzschluss verursacht hat, langt man nicht noch mal in den Schaltkasten“, sagt einer über Söder. Vieles hängt von einer verlässlichen Absprache ab – mit Merz Dass sich Söder ernsthaft damit beschäftigen muss, welche Rolle er bei und nach der Bundestagswahl spielen will, hängt auch mit der Lage der CSU und seiner Verantwortung als Parteichef zusammen. Für die CSU ist die nächste Bundestagswahl von entscheidender Bedeutung. Sollte das von der Ampel verabschiedete Wahlrecht vor dem Verfassungsgericht Bestand haben, muss die CSU mit aller Macht darum kämpfen, nicht wieder in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu geraten. 2021 hat sie es nur um Haaresbreite geschafft, die mageren 31,7 Prozent, die die CSU damals erreicht hat, bedeuteten bundesweit 5,2 Prozent. Und beim nächsten Mal könnten ausgerechnet die eigenen Koalitionspartner in Bayern zu einer echten Gefahr für die CSU werden. Denn Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger will seine Partei mit aller Macht in den Bundestag führen und dort dann mitregieren. Eine Umfrage von Mitte Dezember sah die Freien Wähler bundesweit bei vier Prozent. Söder und sein Umfeld spielen die Gefahr durch Aiwanger gerne herunter, doch andere sehen das ganz anders. Aiwanger könne sich auf ein breites kommunalpolitisches Fundament stützen. „Das ist nicht zu unterschätzen“, sagt einer, der es mit Söder gut meint. In dieser Situation kann es sich Söder kaum leisten, noch einmal Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als Spitzenkandidat und Listenführer vorzuschicken. Söder, so schätzen es erfahrene CSU-Strategen ein, werde unter massiven Druck geraten, diese Aufgabe selber zu übernehmen. „Da ist der Parteivorsitzende gefragt“, sagt einer. Für die CSU wäre das auch keineswegs eine neue Erfahrung. Auch Franz Josef Strauß war als Ministerpräsident und CSU-Chef 1983 und 1987 Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, ohne das Mandat hinterher anzunehmen. Stoiber hat vorgemacht, wie es schiefgehen kann Für Söder könnte das nicht so leicht werden, er ist in einer vergleichbaren Lage wie Edmund Stoiber im Jahr 2005. Und konnte da aus der Nähe mit ansehen, wie eine Sache schiefgeht, wenn man sie nur halbherzig betreibt. Auch Stoiber war damals Spitzenkandidat für die Bundestagswahl. Er zierte sich lange, ob der dem Wahlkampfteam von Angela Merkel beitreten sollte; dann wollte er Superminister für Wirtschaft und Innovation werden, verzettelte sich im Streit um seine Kompetenzen aber derart, dass er alles hinwarf und zurück nach Bayern flüchtete. Es war der Beginn von Stoibers Niedergang. Lafontaine mit Gerhard Schröder erlebt hatte: Dass es neben einem Kanzler oder einer Kanzlerin keinen Kanzler 1 b in einem Kabinett gibt. Für Söder ist das sicherlich ein warnendes Beispiel. Söder, der in Bayern die unumschränkte Nummer eins ist, müsste deshalb eine Menge klären und überdenken, bevor er sich auf einen Wechsel einlässt. Er müsste nicht nur seinen eigenen Politikstil ändern, sondern mit Merz auch verlässlich vereinbaren, wie seine Rolle im Kabinett genau aussieht. „Es kommt darauf an, wie das Duo Merz/Söder zusammenarbeiten würde“, sagte einer, der beide aus nächster Nähe kennt.