Friday, January 12, 2024
Ampel greift in die Sozialkasse: Rechtsgutachten stuft Sparpläne als „rechtswidrig“ ein
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Ampel greift in die Sozialkasse: Rechtsgutachten stuft Sparpläne als „rechtswidrig“ ein
Artikel von Amy Walker •
3 Std.
Die Bundesregierung hat auch bei ihrem Sparplan ein paar Tricks angewandt. Fachleute halten das für problematisch. Außerdem steigen dadurch die Beiträge der Bürgerinnen und Bürger.
Berlin – Muss die Ampel-Regierung erneut mit einer Verfassungsklage wegen ihres Haushalts rechnen? Zumindest sehen Fachleute schon wieder Probleme mit den Sparplänen der Regierung. Dabei geht es vor allem um die Sparmaßnahmen im Sozialwesen: Eine Rückforderung der Bundeszuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit (BA), eine Kürzung der Renten-Zuschüsse und keine Zuschüsse mehr für die gesetzlichen Krankenkassen.
In einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) an die Bundesregierung zitiert der Verband ein Rechtsgutachten, das die Pläne als rechtswidrig einstuft.
Ampel-Haushalt 2024 auf „rechtlich mehr als wackeligen Füßen“
Bis 2027 plant die Ampel-Regierung insgesamt 5,2 Milliarden Euro als Sparbetrag aus der Arbeitslosenversicherung zu nehmen. Der Plan: anstatt direkt bei der Bundesagentur für Arbeit zu kürzen, will die Regierung Geld aus den Rücklagen der BA nehmen – beziehungsweise will sie die Zuschüsse, die im Rahmen der Corona-Pandemie zur Auszahlung von Kurzarbeitergeld gewährt wurden, zurückhaben. Also: Der Zuschuss soll kein Zuschuss mehr sein, sondern jetzt ein Darlehen.
Das ist aber Geld, das der Regierung so eigentlich gar nicht zusteht. Schließlich sind das die Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Arbeitslosenversicherung – nicht zur Stopfung eines Finanzlochs der Ampel-Koalition. Das sieht auch die BDA so und schreibt in ihrer Stellungnahme: „Die 5,2 Mrd. Euro sind Beitragsmittel, die von den Beitragszahlenden aufgebracht wurden bzw. werden. Beitragsmittel sind streng zweckgebunden und dürfen nicht zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts verwendet werden. Hier ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr klar. Insofern stehen wesentliche Regelungen zur Entlastung des Bundeshaushalts auf rechtlich mehr als wackeligen Füßen.“ Das sei „das Gegenteil von rechtsstaatlich verlässlichem Regierungshandeln“.
Ampel kürzt bei der Rente: DRV kritisiert die Entscheidung
Weiter kritisiert die BDA die Entscheidung der Ampel, den Rentenzuschuss weiter einzudampfen, um zusätzliche 600 Millionen Euro im Jahr. Das hatte auch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) öffentlich kritisiert. „Mit der Entscheidung entsteht auch kein wirklicher Spareffekt, denn an den Ausgaben der Rentenversicherung ändert sich nichts. Die Rücklage der Rentenversicherung ist derzeit noch gut gefüllt, weil seit längerem höhere Beiträge gezahlt werden als erforderlich. Die Beitragszahler haben so einen Puffer für die anstehenden demografischen Herausforderungen geschaffen“, so die DRV.
Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner geben ein Pressestatement zur Einigung für den Bundeshaushalt 2024 im Bundeskanzleramt.
Der Arbeitgeberverband nennt das Vorgehen der Regierung „das Gegenteil einer durchdachten Sozialpolitik“. Genauso wie der DRV sehen auch die Arbeitgeber die Gefahr, dass damit schon früher höhere Beiträge gezahlt werden müssen. Also: Es wird gespart, zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig gibt es noch Steuererhöhungen, wie der höhere CO₂-Preis, der nicht durch das im Koalitionsvertrag zugesagte Klimageld wieder ausgeglichen wird.
Und es geht noch weiter im Sozialbereich: So können sich die gesetzlichen Krankenkassen darauf einstellen, dass der Bund kein Geld zur Verfügung stellen wird, um etwaige Finanzierungslücken zu schließen. 2024 erwarten diese ein Minus von 3,4 Milliarden Euro – früher hatte der Bund eine solche Lücke mit Zuschüssen ausgeglichen. Das passiert jetzt nicht mehr, sodass sich die Kassen gezwungen sehen werden, auch ihre Beiträge weiter zu erhöhen.
CDU plant nächste Klage gegen Haushalt der Regierung
Die Union bringt sich auch schon in Stellung und droht mit einer neuen Verfassungsklage. „Der Finanzminister legt mit dem Entwurf des Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 erneut einen verfassungsrechtlich höchst problematischen Haushaltsvorschlag vor“, sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) am Donnerstag den RND-Zeitungen. Es sei zweifelhaft, „ob die Rückforderung von Zuschüssen an die Bundesagentur für Arbeit rechtlich möglich ist und ob diese Mittel in der geplanten Weise zweckwidrig verwendet werden dürfen“.
Am 11. Januar begann die erste Anhörung im Haushaltsausschuss zum neuen Bundeshaushalt. Dabei waren nach Angaben der BDA weder Sozialversicherungen noch Sozialpartner eingeladen, „obwohl wesentliche Einsparungen zu Lasten der Sozialversicherung und damit der beitragszahlenden Arbeitgeber und Beschäftigten erfolgen sollen und die Rechte der sozialen Selbstverwaltung durch diese finanziellen Eingriffe berührt werden.“ Das zeuge den Arbeitgebern zufolge von der „Abgehobenheit“ der Bundesregierung, die sich scheinbar für die Folgen ihrer Entscheidungen nicht zu interessieren scheine, heißt es in der Stellungnahme der BDA.