Monday, January 8, 2024
Verwirrung in der Befehlskette: Bidens Verteidigungsminister liegt im Spital, der Präsident weiss nichts davon
Neue Zürcher Zeitung Deutschland
Verwirrung in der Befehlskette: Bidens Verteidigungsminister liegt im Spital, der Präsident weiss nichts davon
Artikel von Christian Weisflog, Washington •
1 Std.
Noch lieferte Verteidigungsminister Lloyd Austin keine gute Erklärung für seine intransparente Kommunikation.
Joe Biden hat den Amerikanern versprochen, nach den wilden Trump-Jahren wieder Ruhe und Ordnung nach Washington zu bringen. Bisher hat er dies auch weitgehend eingelöst. Während sein Amtsvorgänger insgesamt 14 Minister ersetzte, hält Biden an seinen Kabinettsmitgliedern fest. Über Neujahr jedoch beging sein Verteidigungsminister Lloyd Austin einen kaum zu erklärenden Fehler, mit dem er das Vertrauen in das Krisenmanagement der amerikanischen Regierung untergräbt. Während drei Tagen lag Austin im Spital. Weder seine Stellvertreterin noch der Präsident wussten davon.
Die Episode scheint umso gravierender, als amerikanische Truppen im Nahen Osten in einen latenten Krieg mit proiranischen Milizen verwickelt sind. Sie müssen jederzeit mit Angriffen rechnen. Gleichzeitig führen die USA gezielte Vergeltungsschläge durch. Während Austin im Spital weilte, tötete am 4. Januar eine amerikanische Drohne den Anführer einer schiitischen Miliz in Bagdad.
Mit «starken Schmerzen» per Ambulanz ins Spital
Gemäss dem Pentagon hatte der Verteidigungsminister die gezielte Tötung gemeinsam mit Präsident Biden noch vor seiner Hospitalisierung autorisiert. Nach jetzigem Kenntnisstand war die nationale Sicherheit der USA durch Austins Absenz zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Trotzdem wirft seine intransparente Kommunikation berechtigte Fragen auf.
Soweit bekannt ist, hatte sich Austin am 22. Dezember einer geplanten Operation unterzogen und kehrte danach wieder nach Hause zurück. Weil er am Montag, 1. Januar, als Folge des Eingriffs jedoch «starke Schmerzen» verspürte, musste der 70-Jährige mit einer Ambulanz in ein Militärspital in Washington eingeliefert werden. Er kam auf die Intensivstation und blieb dort angeblich auch, um seine Privatsphäre zu gewährleisten.
Am 2. Januar übertrug Austin der stellvertretenden Verteidigungsministerin Kathleen Hicks die «operationelle Verantwortung», ohne sie jedoch über seinen Spitalaufenthalt zu informieren. Davon erfuhr Hicks, die über Neujahr in den Ferien auf der Karibikinsel Puerto Rico weilte, erst am 4. Januar. Daraufhin wollte sie ihre Ferien vorzeitig abbrechen. Weil Austin jedoch am Freitag, 5. Januar, vom Spital aus wieder die Verantwortung übernahm, verzichtete sie auf eine frühere Rückreise.
Auch Präsident Biden war über die gesundheitlichen Probleme seines Verteidigungsministers während Tagen nicht im Bild. Zwar soll sein Militärberater General Charles Brown seit dem 2. Januar informiert gewesen sein. Auch dieser informierte den Oberbefehlshaber jedoch nicht. Eine gute Erklärung für die Kommunikationspanne lieferte das Pentagon bis jetzt nicht. Gemäss einem Pressesprecher des Verteidigungsministeriums lag Austins Stabschefin selbst mit einer Grippe im Bett. Sie habe das Weisse Haus deshalb erst am Donnerstag informieren können.
Noch fehlt eine gute Erklärung
Austin gestand seinen Kommunikationsfehler am Wochenende in einer Medienmitteilung ein. «Ich hätte es besser machen können», meinte der Verteidigungsminister und gelobte, aus dem Vorfall zu lernen. Obwohl der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump danach Austin zum Rücktritt aufforderte, scheint er sich um seinen Posten noch keine Sorgen machen zu müssen. Biden habe «volles Vertrauen» in den Chef des Pentagons, teilte das Weisse Haus mit.
Allerdings hat Austin den Grund für seine gesundheitlichen Probleme noch immer nicht offengelegt. Bis am Sonntag leitete er die Geschäfte immer noch vom Spitalbett aus. Und auch am Montag gab es noch keine Meldungen über eine mögliche Entlassung aus der ärztlichen Behandlung. Aber je länger Austin ein Geheimnis aus seiner Gesundheit mache, desto mehr werde sich die Kontroverse ausweiten, zitierte das «Wall Street Journal» anonyme Regierungsbeamte.
Die Republikaner dürften in der Sache nicht so schnell Ruhe geben. Die wenigen Personalrochaden in Bidens Regierung sind in ihren Augen kein Qualitätsmerkmal. Austins kommunikativer Aussetzer dient ihnen nun dazu, um seine Kompetenz und seine Urteilsfähigkeit generell infrage zu stellen. Und weil Biden ihn nicht entlässt, fällt dies auch auf ihn als Präsidenten und seine ganze Regierung zurück.
Nicht umsonst machte Trump am Sonntag den Verteidigungsminister auch mitverantwortlich für die «katastrophale Kapitulation» in Afghanistan. Der chaotische Abzug vom Hindukusch dient den Republikanern als Beweis für die aussenpolitische Inkompetenz der gegenwärtigen Regierung, die in ihren Augen mit diesem Signal der Schwäche letztlich auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die islamistische Hamas zu Aggression ermutigte.
Bisher hatten sich die republikanischen Kongressabgeordneten vor allem auf den Minister für Innere Sicherheit, Alejandro Mayorkas, eingeschossen. Die Konservativen streben ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn an, weil sie im vorwerfen, die Südgrenze zu Mexiko nicht genügend gegen den Ansturm von Migranten zu schützen. Nun könnten sie auch Austin vermehrt ins Visier nehmen.