Monday, January 8, 2024
Interview zu Finanz-Affäre - CDU-Mann erklärt, warum er den Kanzler im Cum-Ex-Skandal für „überführt“ hält
Interview zu Finanz-Affäre - CDU-Mann erklärt, warum er den Kanzler im Cum-Ex-Skandal für „überführt“ hält
Artikel von FOCUS Online •
4 Std.
Wies jegliche Einflussnahme auf das Steuerverfahren der in den «Cum-Ex»-Skandal verwickelten Warburg-Bank zurück: Olaf Scholz.
Der Cum-Ex-Skandal begleitet Kanzler Scholz seit Jahren. Der Verdacht besteht, dass der Kanzler viel tiefer in die Affäre verwicklet ist als er zugeben mag. Der Hamburger CDU-Mann Seelmaecker hält Scholz gar für überführt.
Der größte Steuerraub der deutschen Nachkriegsgeschichte handelt von Cum-Ex-Geschäften rund um Aktien. Inszeniert wurde er durch Finanzkarusselle, die den Fiskus um mindestens zwölf Milliarden Euro betrogen haben sollen. Dabei mischten zahlreiche renommierte Geldinstitute mit. Die Hamburger Privatbank M.M. Warburg soll etwa Steuererstattungen in dreistelliger Millionenhöhe erschwindelt haben. Als das zuständige Finanzamt 2016 und 2017 etwa 90 Millionen Euro zurückforderte, schaltete der Chefbanker den damaligen Ersten Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen damaligen Finanzsenator und späteren Nachfolger Peter Tschentscher ein. Prompt verzichtete der hanseatische Fiskus auf die Steuerrückzahlungen.
Heute kann sich Scholz nicht an Treffen mit den Warburg-Bankern erinnern. Der Kanzler sowie sein Parteifreund Tschentscher wiesen jegliche Einflussnahme zurück. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Hamburg befasst sich mit der Cum-Ex-Affäre. CDU-Obmann Richard Seelmaecker sagt im Interview mit FOCUS Online, dass Scholz und dessen Leute bei den Finanzbehörden alles getän hätten, damit die Warburg Bank keinen Cent zurückzahlen musste.
FOCUS online: Herr Seelmaecker, seit rund drei Jahren durchleuchtet ein Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft den mutmaßlichen Millionenschwindel um Cum-Ex-Geschäfte durch die hanseatische Privatbank M.M. Warburg sowie die Rolle des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) und seines Nachfolgers an der Rathausspitze, Peter Tschentscher, in der Affäre. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?
Richard Seelmaecker: Nach über 40 Sitzungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss sind wir absolut überzeugt, den damaligen Hamburger Rathauschef und heutigen Bundeskanzler, Olaf Scholz, überführt zu haben. Das Gleiche gilt für seinen Parteifreund, den heutigen Ersten Bürgermeister, Peter Tschentscher. Die Beweislage ist erdrückend. Die Hinweise und Indizien lassen keinen anderen Schluss zu, als dass der heutige Kanzler uns belogen hat. Insbesondere wenn es um sein Erinnerungsvermögen geht. Aber auch, was seine Einflussnahme als damaliges Stadtoberhaupt auf die hanseatischen Finanzbehörden betrifft, um der Warburg-Bank 47 Millionen Euro Steuerrückforderungen aus illegalen Cum-Ex-Deals im Jahr 2016 zu erlassen. Das ist ein Riesenskandal.
„Scholz agierte sehr vorsichtig und gerissen“
Welche Rolle hat Scholz in der Cum-Ex-Affäre um die Warburg-Bank gespielt?
Herr Scholz und sein damaliger Finanzsenator Tschentscher haben mit allen Mitteln durchgesetzt, dass die Bank 2016 und 2017 rund 90 Millionen Euro zu Unrecht kassierte Kapitalertragsteuer aus den Cum-Ex-Deals nicht zurückzahlen musste.
Wie soll Scholz denn diese Steuergeschenke eingefädelt haben?
Er hat sich drei Mal in jener Zeit mit dem Bankmehrheitsgesellschafter Christian Olearius und seinem Kompagnon getroffen. Seine Behauptung, er habe dem Chefbanker in der Cum-Ex-Causa keine Hilfe zugesagt, ist unglaubhaft. Scholz agierte aus meiner Sicht sehr vorsichtig und gerissen, um seine politische Einflussnahme zu vertuschen. Einen Urkundenbeweis im Sinne eines „erlassen Sie die Steuern“ mit Unterschrift Olaf Scholz gibt es deshalb nicht. Sein Verhalten sowie das Vorgehen der anderen SPD-Granden fiel subtiler aus.
Wenn im Hamburger Rathaus nichts Schriftliches über die Gesprächsinhalte existiert, wieso soll Olaf Scholz dann gelogen haben?
Ganz einfach. Er hat seinen Finanzsenator Tschentscher mit der Aufgabe betraut, die Dinge im Sinne der Warburg-Bank zu regeln. Es ist belegt, dass die Banker bei einem Treffen mit Scholz eine Art Verteidigungsschrift vorgelegt haben. Darin behauptete das Finanzinstitut, dass die Steuerrückforderung der Finanzbehörden rechtswidrig sei. Zugleich drückte man schwer auf die Tränendrüse und erklärte, dass die Existenz der Bank gefährdet sei, sollte man die Millionen erstatten müssen. Scholz reagierte. Er bat Warburg-Mitinhaber Olearius, dieses Papier kommentarlos an Finanzsenator Tschentscher weiterzuleiten. In der Öffentlichkeit behauptet er hingegen, er habe immer gegen Cum-Ex gekämpft. Wer soll das glauben, wenn Olaf Scholz andererseits drei Privataudienzen gewährte, nur um den Bankern klarzumachen, dass er nichts für sie tun werde? Schwer von Verstand waren seine Gesprächspartner nicht.
„Fall genoss höchste Priorität an höchster Stelle“
Wie ging es dann weiter?
In dem Moment begann die unmittelbare Einflussnahme auf das zuständige Finanzamt für Großbetriebe. An einem Freitag hat Tschentscher die Verteidigungsschrift erhalten. Daraufhin entwickelte sich ein Vorgang, der in der Hamburger Finanzgeschichte seinesgleichen sucht. Tschentscher wies Angela Nottelmann, Chefin der Steuerverwaltung in seinem Haus, an, ihn persönlich über den weiteren Fortgang der Angelegenheit zu informieren. Und Nottelmann band umgehend ihre Untergebenen ein. Und zwar noch am selben Tag. Das bedeutet, dass der Fall höchste Priorität an höchster Stelle genoss. Und zwar so sehr, dass man die für die Warburg-Bank zuständige Sachbearbeiterin im Finanzamt für Großbetriebe über ihr Privathandy kontaktierte, um sich auf den aktuellen Sachstand zu bringen. Noch am selben Tag erreichten die Infos den Finanzsenator.
Na ja, das beweist aber noch nicht, dass Tschentscher die Steuerpräsente angeschoben hat oder?
Stopp. Die Geschichte geht noch weiter. Tschentscher, quasi der Finanzminister des Stadtstaates Hamburg, schaltete seinen persönlichen Mitarbeiter ein. Dieser umging die übliche Hierarchie und auch die Meldewege via Hauspost, um den zuständigen Experten im Haus persönlich anzuweisen, dass dieser sich um den Warburg-Fall kümmern solle. Alle Zeugen haben im Untersuchungsausschuss bekundet, dass es sich hier um einen einmaligen Vorgang handelte. Bis zu jenem Zeitpunkt im Jahr 2016 hatte es so etwas in der Hamburger Verwaltung nicht gegeben, dass ein Finanzsenator sich persönlich intensiv um einen konkreten Steuerfall kümmerte.
Wie endete das Ganze?
Dann wurde im November 2016 ein Termin im Ministerium von Tschentscher anberaumt. Daran nahmen unter anderem die Leiterin des dafür zuständigen Finanzamtes und die Warburg-Sachbearbeiterin teil. Dort geschah Erstaunliches. Bis zu diesem Zeitpunkt vertrat das Finanzamt den Standpunkt, dass die Cum-Ex-Millionen zurückgefordert werden müssten. Zumal zum Jahresende die Verjährung drohte und die Staatsanwaltschaft Köln bereits Anfang 2016 die Warburg-Bank wegen illegaler Cum-Ex-Deals durchsucht hatte. Die Rückforderung hatte die Finanz-Sachbearbeiterin auch in einem Vermerk notiert. Doch bei dem denkwürdigen Termin im Ministerium drehte sich das Meinungsbild um 180 Grad. Entsprechend unter Druck gesetzt, gab man nach und revidierte die einhellige Auffassung, die ergaunerten Steuermillionen zurückzufordern. Wie sagte die Finanzamtsleiterin sinngemäß so anschaulich: „Wenn uns hier keiner helfen will, dann können wir das auch sein lassen.“
„Tschentscher wollte, dass diese Entscheidung so gefällt wird“
Was heißt das?
Durch das Ministerium fehlte jegliche Schützenhilfe, um die Cum-Ex-Steuermillionen wieder einzufordern. Deshalb verzichtete der Hamburger Fiskus letztlich auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro – und zwar entgegen der ursprünglichen fachlichen Expertise der zuständigen Finanzbeamten. Bei dem Treffen im November schwiegen alle, als die Amtsleiterin fragte, ob sie eine andere Meinung hätten. Unisono wurde verneint. Das heißt, die Beamten sind bereits zuvor dazu verurteilt worden, diese unrechtmäßige Entscheidung abzusegnen. Dies bestätigte übrigens eine beteiligte Finanzbeamtin während ihrer Vernehmung zur Causa Warburg bei der Staatsanwaltschaft. Sinngemäß teilte sie Folgendes mit: Wenn es diesen Novembertermin nicht gegeben hätte, hätten wir es zurückgefordert.
Heißt ?
Tschentscher wollte, dass diese Entscheidung so gefällt wird. Und zwar mit dem Plazet seines Parteifreundes und damaligen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz.
Aber beide haben stets politische Einflussnahme bestritten, auch vermisst man in der gesamten Causa die „smoking gun“, den entscheidenden Beweis.
Die meisten Straftäter bestreiten ihre Tat. Schauen wir uns aber die harten Beweise an, gibt es eine geschlossene Kette von Indizien, die das Gegenteil beweisen. Das ist wie bei einem Wirtschaftsstrafverfahren. In 90 Prozent der Fälle dreht sich alles um Indizien. Aber in der Cum-Ex-Untersuchung gibt es so viele Ungereimtheiten, Anomalien und kompromittierende Fakten, die zu einem klaren Schluss führen: Die politisch Handelnden, allen voran Olaf Scholz, sind überführt.