Friday, January 5, 2024
„Fühlen uns total verarscht“: Landwirte bereiten sich auf Protestwoche vor - Demozug nach Wolfratshausen
Merkur
„Fühlen uns total verarscht“: Landwirte bereiten sich auf Protestwoche vor - Demozug nach Wolfratshausen
Artikel von Franziska Konrad •
„Frust und Wut sind brutal groß“
Die Vorbereitungen für die bundesweite Protestwoche der Landwirte laufen auf Hochtouren. Bereits am Donnerstag zieht ein Demozug von Egling nach Wolfratshausen.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Bei Peter Fichtner, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), laufen dieser Tage die Drähte heiß. Telefonieren und Videokonferenzen absolvieren, „das ist gerade meine Hauptarbeit“, sagt der Bad Heilbrunner. Denn derzeit werden die Aktionen zur bundesweiten Protestwoche abgestimmt. Damit wollen sich die Bauern gegen eine aus ihrer Sicht verfehlte Agrarpolitik wehren.
Bundesweite Protestwoche der Landwirte: Beteiligung aus Landkreis wird stark sein
Eines zeichnet sich jetzt schon ab: Die Beteiligung aus dem Landkreis wird stark sein, wenn es deutschlandweit erneut zu Protesten der Bauern kommt. Bei einer geplanten Großkundgebung in München am Montag, 8. Januar, „rechne ich mit 500 Schleppern aufwärts“, sagt Fichtner, um seine Prognose gleich nach oben zu korrigieren. „Ich denke, dass es allein aus unserem Landkreis schon mehr als 100 sein werden.“ Es sei zwar keiner verpflichtet, ihm als Kreisobmann vorab seine Teilnahme zu melden. „Aber man hört immer wieder, dass da 20 und dort 20 mitfahren wollen“, so der Heilbrunner.
Vorgesehen ist laut Fichtner, dass sich die Bauern in einer koordinierten Sternfahrt Richtung Landeshauptstadt in Bewegung setzen. Weitere Kundgebungen soll es in Augsburg und Nürnberg geben, bevor am Montag, 15. Januar, eine Großdemonstration in Berlin folgt. Hier geht Fichtner davon aus, dass die Beteiligung aus dem Landkreis noch einmal stärker sein wird als bei der Demo im Dezember. Der Kreisobmann wird dann „selbst auch mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit“ dabei sein.
Protestwoche der Landwirte: Konkrete Forderung an die Regierung
Die konkrete Forderung in der Protestwoche sei, dass die Regierung zwei angekündigte Maßnahmen zurücknimmt. So soll nach dem Willen der Bauern die Befreiung landwirtschaftlicher Maschinen von der Kfz-Steuer beibehalten werden. Und sie wehren sich dagegen, dass die teilweise Rückerstattung der Energiesteuer beim Agrardiesel gestrichen wird.
Für den Heilbrunner geht es in der Aktionswoche aber um noch mehr. Die aktuell angekündigten Sparmaßnahmen seien nur der Tropfen, „der das Fass nicht zum Überlaufen, sondern zum Zerreißen“ gebracht hat, so formuliert er es. Daran, dass unter den Bauern „Frust und Wut brutal groß“ seien, habe schon auch die vorherige Bundesregierung ihren Anteil.
Stiller Protest von Landwirt in Dorfen: „Man versteht unseren Ärger“
„Die Bürokratie hat sich vervielfacht, es gibt Auflagen ohne Ende“, so Fichtner. „Und wenn Agrarprodukte aus dem Ausland billig importiert werden, dann fragt kein Schwein mehr nach den Standards.“ Was die Bauern jetzt fordern, sei „eine Agrarpolitik mit Augenmaß“, denn die sei „seit Jahrzehnten abhandengekommen“.
Martin Schlickenrieder aus Dorfen macht seine Forderungen auf besondere Art und Weise deutlich: Vor seinem Hof in Dorfen hat der Landwirt einen Traktor geparkt. Daneben lehnt ein Plakat: „Grün, Gelb, Rot des Bauern Tod“, steht dort in großen Lettern neben einer aufgemalten Ampel. „Durch meine Aktion sollen die Leute verstehen, dass es so bei uns Landwirten nicht weitergeht.“ Vielen Dorfbewohnern ist der stille Protest bereits aufgefallen. „Alle Reaktionen waren positiv“, berichtet Schlickenrieder. „Man versteht unseren Ärger.“
Seit Generationen bewirtschaften die Schlickenrieders den gepachteten Hof in Dorfen. „Bei uns hat das eine lange Familientradition, die will ich unbedingt fortführen.“ Deshalb will der Landwirt kommenden Montag das nächste Zeichen setzen – und zur Großdemo nach München fahren. Schlickenrieder hofft, dass die Proteste nicht ungehört bleiben. „Aufgeben werde ich so schnell nicht.“
Protestzug von Landwirten: Traktoren fahren von Egling nach Wolfratshausen
Durch Wolfratshausen zieht bereits am Donnerstagnachmittag ein Protestzug: Mehrere Landwirte aus Egling und Umgebung haben sich zusammengeschlossen und eine Demo angekündigt. „Gegen 17.30 Uhr fahren wir in Egling los“, berichtet Peter Lichtenegger, Bauer aus Thanning und Gemeinderat in Egling. Im Anschluss tuckern die etwa 50 mit Plakaten ausgerüsteten Traktoren in Richtung Loisachstadt.
In Wolfratshausen angekommen, zieht der Zug einmal durch die Stadt. Danach geht es zurück nach Egling. Vielleicht werde die Aktion den einen oder anderen Bürger verärgern, so Lichtenegger. „Aber es hilft nichts. Genau jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen.“
Der Thanninger und seine Kollegen sind stinksauer: „Das Signal aus Berlin war eine Katastrophe. Wir fühlen uns total verarscht.“ Das wollen die Bauern nicht auf sich sitzen lassen. Ihr Ziel: mit verschiedenen Aktionen „den Druck auf die Regierung aufrecht zu halten“.
Das Signal aus Berlin war eine Katastrophe. Wir fühlen uns total verarscht.
Landwirt Peter Lichtenegger
Dem Protestzug schließen sich auch mehrere Lkw an. Darunter drei Fahrzeuge von Martin Gröbmair. Sein Fuhrunternehmen aus Fraßhausen steht ebenso vor großen Herausforderungen: Am 1. Dezember ist die Mautgebühr auf Autobahnen und Bundesstraßen um 83 Prozent gestiegen, so Gröbmair. „Viele wissen das gar nicht.“ Dazu kommen die gestiegenen Preise für Lkw-Führerscheine und Diesel. „Uns bleibt keine Wahl, als die Erhöhungen auf unsere Kunden abzuwälzen. Dabei ist eh schon alles teuer genug“, sagt Gröbmair.
Lichtenegger stellt klar: „Wir mögen unseren Beruf und sind bereit, dafür länger zu arbeiten als andere.“ Trotzdem brauche der Landwirt eine gewisse – auch finanzielle – Wertschätzung. „Schließlich leben wir nicht allein von Luft und Liebe.“ ast/kof