Friday, January 5, 2024

Diesen „Ampel-Ideologieprojekten“ will die CSU das Ende bereiten

WELT Diesen „Ampel-Ideologieprojekten“ will die CSU das Ende bereiten Artikel von Nikolaus Doll • 6 Std. Die CSU im Bundestag will auf ihrer Klausur in Kloster Seeon einen Plan für eine unionsgeführte Bundesregierung festlegen. Demnach würde eine Reihe von Kern- und Herzensprojekten der Ampel abgeräumt – zugunsten von Vorhaben für „bürgerlichen Wohlstand“. WELT AM SONNTAG liegt der Entwurf vor. Friedrich Merz fehlt auf der Gästeliste. Wie im vergangenen Jahr. Der CDU-Chef und Vorsitzende der Unionsfraktion reist am Wochenende nicht an den Chiemsee, ins Kloster Seeon zur Jahresauftakt-Klausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sondern nach Finnland und Schweden. Um sein außenpolitisches Profil zu schärfen. Ein Abstecher zur CSU ist aktuell auch nicht nötig; für Merz brennt in Seeon, wo von Samstag bis Montag getagt wird, nichts an. Nicht mal dort, tief in CSU-Land, stellt man offen seine Autorität in der Union infrage – derzeit zumindest. Zwar flackerte die Debatte über die K-Frage, das Ringen um die Kanzlerkandidatur in der Union, kurz vor Weihnachten erneut auf, aber das war ein Flämmchen im Vergleich zu den brandheißen Diskussionen früher im Jahr. „Wenn Merz Kanzlerkandidat der Union werden will, dann wird er das“, sagt ein hochrangiger CSU-Funktionär. Jetzt gehe es darum, sich gemeinsam auf die Ablösung der Ampel-Koalition vorzubereiten. Die CSU tut das in Seeon nun. Die CDU hat Mitte Dezember den Entwurf für ihr neues Grundsatzprogramm vorgelegt; die CSU will nun als nächsten Baustein für ein geschärftes Profil in der Abgeschiedenheit der Klostermauern einen Plan aufstellen, wie die Union regieren will. Kern des Konzepts, dessen Entwurf WELT AM SONNTAG vorliegt und das sich an gemeinsamen Entscheidungen der Schwesterparteien orientiert, ist eine Liste mit „bürgerliche Wohlstands-Projekten“. Diese möchte die CSU unmittelbar umsetzen, wenn die Union das Kanzleramt zurückerobert haben sollte. Auf der Liste stehen allerdings auch „Ampel-Ideologieprojekte“, die dann unmittelbar ins Visier genommen werden sollen. Zentrale Forderungen sind: Der Mittelstand soll steuerlich entlastet werden. Steuererhöhungen, wie sie die Ampel-Koalition jetzt unter anderem zur Sanierung des Haushalts vorsieht, lehnt die CSU ab. Es soll im Gegenteil Anreize für Leistungsbereite geben, indem Überstunden steuerfrei gestellt werden. Die Steuerpolitik soll sich grundsätzlich stärker am Klimaschutz orientieren. Geplant ist, dass Besitzern von Eigenheimen die Kosten der energetischen Sanierung in voller Höhe von der Erbschaftsteuer abziehen dürfen. Die Christsozialen arbeiten sich seit Monaten an den Erbschaftsteuerplänen der Ampel ab. Eine der Hauptforderungen: Die Steuer aufs Elternhaus sollte ganz entfallen. Nun klafft allerdings durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik – nach einer Klage der Union – ein Loch von mehreren Milliarden Euro im Haushalt, das gestopft werden muss. Durch das Verbot, Kreditermächtigungen über die Jahre zu verschieben, schmilzt der finanzielle Spielraum künftiger Bundesregierungen – auch einer mit einem Unionskanzler. Die CSU begründet ihre Entlastungspläne und den Verzicht auf Steuererhöhungen damit, dass dadurch die Konjunktur angekurbelt würde. Und jährlich stünden 20 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen zur Verfügung, wenn Deutschland wieder ein Wirtschaftswachstum erreichen würde, das dem Durchschnitt der Eurostaaten entspricht. Einen Spareffekt, wenn auch in überschaubarem Umfang, hätten die CSU-Pläne beim Bürgergeld. Sie sehen vor, „Leistungsstreichungen so lange (vorzunehmen), wie ein Bürgergeldempfänger sich weigert, zumutbare Arbeit anzunehmen“. Das geht weit über die Pläne von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hinaus, der sogenannten Totalverweigerern die Regelbezüge maximal zwei Monate streichen will. Dass die CSU „Deutschland an der Spitze bei Forschung, Entwicklung und Einsatz von Kernenergie und Kernfusion“ halten will und in der Migrationspolitik auf ein Drittstaatenmodell setzt, „bei dem Asylverfahren und anschließender Schutz außerhalb Deutschlands stattfinden“, gehört zu ihrem bekannten Repertoire. Inhaltlich legt sie jetzt aber bei der Forderung nach Sanktionen für „aggressive Antisemiten“ nach, die „entweder ausgebürgert, abgeschoben oder eingesperrt werden“ sollen. „Sind keine Variante der Ampel-Politik“ Die Union befindet sich zwar seit Monaten bundesweit im Aufwind. Bei Wahlumfragen kommen CDU und CSU je nach Umfrageinstitut auf 30 bis 34 Prozent und erfahren fast so viel Zustimmung wie die drei Ampel-Parteien zusammen. Doch inzwischen scheint eine gläserne Decke erreicht. Die Wähler haben offenbar nicht vergessen, dass viele der aktuellen Probleme ihre Ursache auch in der Politik von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) haben. Sie nehmen die Union nicht als wirkliche alternative Option wahr. Vom Verdruss über die Ampel-Politik profitiert in erster Linie die AfD. Auch deshalb dringt die CSU darauf, sich deutlicher von der Koalition abzuheben. „Wir stehen bereit, für eine Politik für Wohlstand, Wachstum und Wiederbelebung nach dem Ende der Ampel. Wir sind bereit, die ideologischen Ampel-Projekte zurückzudrehen und neue Wohlstandsprojekte zu starten“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt WELT AM SONNTAG: „Wir sind keine Variante der Ampel-Politik, wir sind der politische Gegenentwurf.“ Zurückdrehen beziehungsweise streichen will die CSU denn auch eine ganze Reihe von Ampel-Entscheidungen und -Projekten: allen voran das Heizungsgesetz von Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), das von der Ampel eingeführte Bürgergeld, die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke und die 5000 neuen Verwaltungsstellen für die Kindergrundsicherung. Obendrein soll es die beschlossene schnellere Einbürgerung von Ausländern nicht mehr geben. Das Gleiche soll für zwei weitere Ampel-Vorhaben gelten: das Selbstbestimmungsgesetz, das die Änderung des Geschlechtseintrags erleichtern soll, und die Cannabis-Legalisierung. Einen Punkt hat die CSU bereits gemacht, noch bevor ihre Bundestagsabgeordneten zusammenkommen: Eine der Forderungen hatte gelautet, die „Belastung der Bauern durch die Abschaffung von Agrardieselrückvergütung und Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge“ zurückzunehmen, weil dies die Existenz Tausender Landwirte bedrohe. Am Donnerstagnachmittag kündigte die Bundesregierung an, einen Teil der geplanten Sparpläne zurückzunehmen. Auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung in der Forst- und Landwirtschaft soll nun verzichtet werden. Zudem werden die Vergünstigungen beim Agrar-Diesel nun nicht mehr auf einen Schlag abgeschafft, sondern schrittweise bis 2026 abgebaut.